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Ein Pfleger hält die Hand einer Frau. (Symbolbild)

© dpa/Rainer Jensen

15 Gramm Betäubungsmittel: Bundesverwaltungsgericht verhandelt zur Ausgabe von Suizidmitteln

Mehr als 220 Anträge auf Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital lehnte Bonn bereits ab. Sklerose- und Krebspatienten klagen nun vor dem Bundesgericht. Zum 7. November wird ein Urteil erwartet.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt am Donnerstag über den Zugang schwerstkranker Menschen zu einem Selbsttötungsmittel. Die Kläger verlangen vom Staat die Erlaubnis zum Erwerb von 15 Gramm des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital.

Sie leiden an verschiedenen schwerwiegenden Erkrankungen wie Multipler Sklerose und Krebs. Sie berufen sich auf ihr verfassungsrechtlich zugesichertes Persönlichkeitsrecht, das auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben einschließe. Das Urteil soll am 7. November verkündet werden.

Politik und Justiz hatten zuvor sehr unterschiedlich auf das Problem reagiert. 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht das Recht von schwerkranken Patienten auf einen selbstbestimmten Tod gestärkt. Der Staat dürfe in „extremen Ausnahmefällen“ den Zugang zu einem solchen Betäubungsmittel nicht verwehren.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn lehnte jedoch die bislang mehr als 220 Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb des Betäubungsmittels auf Geheiß des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) ab. Der Staat dürfe nicht über die Vergabe von Tötungsmitteln entscheiden, hieß es.

Die dagegen erhobenen Klagen wiesen das Verwaltungsgericht Köln im Dezember 2020 und das Oberverwaltungsgericht Münster im Februar 2022 ab. Das Oberverwaltungsgericht Münster erklärte zur Begründung, das Betäubungsmittelgesetz erlaube nur die Herausgabe von Medikamenten, die eine heilende oder lindernde Wirkung hätten. Durch diese Regelung werde auch das „legitime öffentliche Interesse der Suizidprävention“ geschützt und der staatlichen Schutzpflicht für das Leben entsprochen.

Sterbehilfeorganisationen „nach wie vor problematisch“

Die Kölner Richter äußerten jedoch Zweifel daran, ob ein generelles Erwerbsverbot mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Zugleich betonten die Münsteraner Richter, dass Suizidwillige auch jetzt schon die Möglichkeit hätten, ihr Recht auf Selbsttötung wahrzunehmen. Es gebe Ärzte, die tödlich wirkende Arzneimittel verschrieben und andere Unterstützungshandlungen vornähmen. Auch geschäftsmäßige Angebote der Suizidhilfe seien wieder verfügbar.

Eine Inanspruchnahme von Sterbehilfeorganisationen hielt das Verfassungsgericht Köln für „nach wie vor problematisch“, da es an einer staatlichen Überwachung fehle und die Tätigkeit intransparent erfolge. Das sei aber zumutbar, bis der Gesetzgeber ein Schutzkonzept für Sterbehilfe und die Verwendung von Betäubungsmitteln vorlege.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 26. Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung gekippt und ein weitreichendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben formuliert. Zugleich betonte Karlsruhe, die Politik solle den genauen Rahmen festlegen und Konzepte gegen einen möglichen Missbrauch erarbeiten. Bislang hat der Bundestag noch kein Gesetz zur Suizidbeihilfe verabschiedet. (KNA)

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