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Die Silvesternacht in Berlin eskalierte vielerorts.

© dpa, Christian Mang, dpa

Berliner Silvesternacht und ihre Folgen: So reagieren die Spitzenkandidaten der Parteien

Die Silvester-Gewaltexzesse prägen nun auch den Wahlkampf. Die Parteien im Abgeordnetenhaus sehen unterschiedliche Ursachen und haben verschiedene Lösungsansätze.

Die Vorfälle rund um die Berliner Silvesternacht, in der es zu zahlreichen Angriffen durch mehrheitlich junge Männer auf Einsatzkräfte kam, prägen auch den beginnenden Wahlkampf in der Stadt. Die Regierende Bürgermeisterin und SPD-Vorsitzende Franziska Giffey preschte am Mittwoch mit einem Vorschlag für einen Gipfel gegen Jugendgewalt vor. Sie wolle auf konsequente Strafverfolgung auf der einen, eine verstärkte Jugend- und Sozialarbeit auf der anderen Seite setzen.

SPD-Innensenatorin Iris Spranger kündigte derweil an, die Berliner Polizei besser ausstatten zu wollen. Mit einer Investition von etwa vier Millionen Euro sollen 4000 Bodycams angeschafft werden. Wie reagieren die anderen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten auf die Vorschläge der SPD? Und was sind ihre Ideen, damit sich Ereignisse wie in der Silvesternacht nicht wiederholen?

CDU spricht von „Kuschelpädagogik“

Der Spitzenkandidat und Fraktionschef der CDU, Kai Wegner, sprach angesichts des Vorschlags eines Gipfels gegen Jugendkriminalität von einer „Kuschelpädagogik des SPD-Grüne-Linken-Senats“. „Der Gipfel ist der Versuch, das Thema über die Wahlwiederholung am 12. Februar zu bringen. Wir brauchen aber jetzt konkrete Vorschläge und Maßnahmen: Die Täter müssen die ganze Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen.“

Dazu gehörten entschiedene Strafen, die beschleunigten Verfahren folgten. „Die Botschaft muss sein: Unser Rechtsstaat lässt das nicht durchgehen.“ Der Regierenden Bürgermeisterin warf Wegner vor, die Dimension der Vorfälle noch immer nicht erkannt zu haben.

Die CDU, die im Wahlkampf ohnehin auf das Thema innere Sicherheit setzt, kritisiert in diesem Kontext auch die aus ihrer Sicht schlecht ausgerüsteten Sicherheitsbehörden.

„Niemand kann verstehen, warum Berlins Polizisten und Feuerwehrleute noch immer nicht flächendeckend mit der notwendigen Technik wie zum Beispiel Bodycams ausgestattet sind. Erst recht nicht nach dieser Silvesternacht, in der damit die Angriffe gerichtsfest hätten dokumentiert werden können“, sagte Wegner. Für den kommenden Innenausschuss kündigte der CDU-Chef einen umfassenden Fragenkatalog an.

Jarasch plädiert für langfristige Maßnahmen

Die grüne Spitzenkandidatin und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch verweist auf eine insgesamt sinkende Jugendkriminalität in der Stadt. „Gleichwohl gibt es untragbare Gewaltexzesse und Übergriffe wie in der Silvesternacht, die es konsequent zu verhindern gilt“, sagte Jarasch dem Tagesspiegel.

„Strafrechtsverschärfungen bringen uns da nicht weiter, wir müssen das Problem an der Wurzel packen.“ Wichtig sei, dass auf solche Taten eine schnelle Verurteilung folge. „Dafür hat die Berliner Justiz viel getan in den letzten Jahren, und das wirkt.“

Angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der Täter und auch junge Menschen insgesamt in der Stadt eine Migrationsgeschichte haben, sagte Jarasch: „Das sind unsere Jugendlichen. Damit müssen wir umgehen und der Verrohung und Gewalt gegen Vertreter des Staates konsequent entgegentreten.“

Ein Gipfel, wie von Giffey angeregt, könne dazu beitragen, „wenn er auf bestehenden Strukturen aufsetzt und sie stärkt“. Jarasch betonte, dass man das Problem nur mit langfristigen Maßnahmen lösen könne, etwa im Erhalt und Aufbau sozialer Strukturen vor Ort, wie des Quartiersmanagements.

Lederer: Auch die jugendliche Perspektive zu Wort kommen lassen

Klaus Lederer, Kultursenator und Spitzenkandidat der Linkspartei, forderte, bei der Suche nach den Ursachen stärker in die Tiefe zu gehen. „Einfach nur zu sagen, dass hier von Kindern und Jugendlichen ein inakzeptables und aggressives Verhalten gegenüber dem Staat demonstriert wurde, und sich zu fragen, was bei ‚denen‘ denn falsch läuft und was für Strafen es braucht, ist mir zu wenig“, sagte der Politiker dem Tagesspiegel.

Lederer spricht sich für den von Giffey vorgeschlagenen Gipfel aus. „Wir sollten uns dabei sehr intensiv die Frage stellen, was wir versäumt haben, um diesen jungen Berlinern ein gutes Gefühl von Zuhause zu geben, von gleichberechtigter Teilhabe an unserer Gesellschaft, von Zugehörigkeit.“ Lederer plädierte dafür, auch die „jugendliche Perspektive selbst zu Wort kommen zu lassen“.

FDP fordert „Strategie aus Prävention und Repression“

Die FDP fordert eine „Strategie der Prävention und Repression“. Sebastian Czaja, Spitzenkandidat der FDP, sagte dem Tagesspiegel: „Wer die Probleme dieser Silvesternacht wirksam angehen will, darf nicht nur bei den Symptomen, sondern muss bei den Ursachen ansetzen.“ Die Täter der Silvesternacht bräuchten schnelle Verfahren und spürbare Strafen.

„Gleichzeitig muss Berlin endlich auch mit zielgenauen sozial-, jugend- und rechtspolitischen Maßnahmen dafür sorgen, das Problem erhöhter Gewaltbereitschaft innerhalb bestimmter Personengruppen präventiv zu lösen“, sagte Czaja. Dafür brauche es einen funktionierenden Rechtsstaat und eine Politik, die Probleme ehrlich benenne und keine Alibi-Lösungen anbiete.

„Genauso wenig, wie allein die Betrachtung der Herkunft der Täter zu Lösungen führt, ist es falsch, diesen Umstand vollkommen zu ignorieren“, sagte Czaja. Er kündigte an, dass die FDP genau wie die CDU das Thema auf die Tagesordnung des kommenden Innenausschusses setzen will, „um ein klares Bild der Lage zu schaffen“.

AfD: Bodycams auch für Rettungskräfte

Der erste Schritt zur Problemlösung sei die klare Benennung des Problems, sagte Kristin Brinker, Spitzenkandidatin der Berliner AfD, dem Tagesspiegel. „Wer Diskussionen mit Totschlagworten wie ,Rassismus’ abwürgt, will Probleme nicht lösen, sondern unter den Teppich kehren.“

Brinker fordert, Polizisten und auch Rettungskräfte mit Body- und Dashcams auszurüsten, um Täter leichter überführen zu können. Darüber hinaus müsse der bestehende Rechtsrahmen konsequent ausgeschöpft werden. „Schnelle und harte Urteile schrecken ab, die berlintypische Kuscheljustiz hingegen ermutigt Täter“, sagte Brinker.

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