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 24.09.2022, xlakx, Entertainment Festival, Lollapalooza Berlin 2022 emspor, v.l. Das Publikum jubelt bei dem Auftritt der Band HBz beim Lollapalooza Festival Berlin auf dem Gelände des Olympiastadions. Berlin *** 24 09 2022, xlakx, entertainment festival, Lollapalooza Berlin 2022 emspor, v l The audience cheers during the performance of the band HBz at the Lollapalooza Festival Berlin on the grounds of the Olympiastadion Berlin.

© imago/Jan Huebner/IMAGO/Daniel Lakomski

„Veranstaltungsbranche braucht einen Kulturwandel“: Berliner Grüne fordern Gewaltschutzkonzepte für Konzerte

Machtmissbrauch sei ein strukturelles Problem, sagen die Grünen. Sie schlagen einen Katalog von Maßnahmen zur Vermeidung vor.

Kurz vor den drei ausverkauften Rammstein-Konzerten in Berlin fordert die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus für alle Veranstaltungen mit mehr als 5000 Besuchern verpflichtende Sicherheitskonzepte zur Vermeidung von Gewalt und Machtmissbrauch.

„Wir wollen, dass Frauen und marginalisierte Gruppen besser vor Gewalt geschützt sind“, sagte Bahar Haghanipour, Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses und Sprecherin für Frauenpolitik und Gleichstellung der Fraktion am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

Die Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann seien kein Einzelfall. „Wo Abhängigkeitsverhältnisse, Status und Macht eine Rolle spielen, da wird Macht auch ausgenutzt“, sagte sie. Die Politik dürfe nicht wegsehen, sondern müsse kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen für einen effektiven Gewaltschutz schaffen. Die Politikerin forderte: „Die Veranstaltungsbranche braucht einen grundlegenden Kulturwandel.“

Mehrere Frauen hatten – teilweise anonym – Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann erhoben. Den Angaben zufolge seien junge Frauen während Konzerten ausgewählt und gefragt worden, ob sie zur Aftershowparty kommen wollten. 

Die Grünen-Fraktion hat nun eine parlamentarische Initiative mit mehreren Vorschlägen erarbeitet. Demnach soll das Land Berlin Betreiber von großen Veranstaltungsstätten dazu verpflichten, Sicherheitskonzepte zu etablieren. Für die Anmietung von Räumen kleinerer Kulturveranstaltung soll eine Musterklausel für Mietverträge erarbeitet werden. Damit, so der Plan, könnten die Veranstalter angehalten werden, ein Sicherheitskonzept „mit Awareness—und Hilfestrukturen“ einzuführen.

Maßnahmenkatalog wie in der Theaterbranche

Die Grünen-Fraktion plädiert auch für einen Maßnahmenkatalog für diskriminierungssensible Strukturen im Konzert- und Veranstaltungsbetrieb. „Die Theaterbranche hat es bereits vorgemacht“, sagte Haghanipour mit Verweis auf „Fairstage“. 2021 wurde dabei ein Maßnahmenkatalog zur strukturellen Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zum Abbau von Diskriminierungen an Berliner Sprechtheater-Bühnen vorgelegt, nachdem dort Fälle von Machtmissbrauch bekannt geworden waren.

Die Grünen fordern darüber hinaus, den Deutschen Kulturrat bei der Erarbeitung eines Verhaltenskodex zu unterstützen. Zudem soll überprüft werden, ob die Beratungs- und Vertrauensstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt in Berlin erweitert werden können und ob es möglich ist, öffentliche Zuwendungen an Maßnahmen zum besseren Gewaltschutz zu knüpfen.

Das große Schweigen stabilisiert misogyne Strukturen.

Rechtsanwältin und Autorin Asha Hedayati

Die Rechtsanwältin und Autorin Asha Hedayati unterstützt den Vorstoß der Grünen. Sie vertritt als Anwältin Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Sie sagte auf der Pressekonferenz, es gehe nicht nur um eine Band oder ein Musikgenre, sondern um ein strukturelles Problem.

Sie sei in den vergangenen Wochen häufig auch im Fall Rammstein von Betroffenen kontaktiert worden, die sich aber nicht öffentlich äußern wollten, weil sie gesehen hätten, was dann passiert. Betroffene hätten Angst, dass man ihnen Mitschuld gebe oder sie vorverurteile. „Die Betroffenen schweigen, aber wer noch schweigt, ist das Umfeld der Täter“, sagte Hedayati. Auch die Medien schwiegen zu oft. „Das große Schweigen stabilisiert misogyne Strukturen“, sagte Hedayati.

In Berlin sei zwar die Umsetzung der Istanbul Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen bereits weiter als andernorts, trotzdem gebe es noch viel Luft nach oben, gerade was Präventivarbeit angehe. Hier brauche es einen „Perspektivwechsel“, der die Verantwortung nicht auf die Frauen abschiebe.

Mit Blick auf die am Samstag, Sonntag und Dienstag stattfindenden Rammstein-Konzerte begrüßte die Abgeordnete Haghanipour, dass Awareness-Teams vor Ort sein und Aftershowpartys nicht stattfinden sollen. Damit allein könne sich der Senat aber nicht aus der Affäre ziehen.

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