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Mit 6883 Azubi-Verträgen zum Ende des Jahres 2021 gab es in Berlin ein Plus von 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

© imago images/Rupert Oberhäuser

Update

Unternehmen bilden wieder mehr aus: Berliner Azubis weisen verstärkt Bildungslücken auf

Der Trend in Sachen Ausbildung geht in Berlin wieder mit einem Plus von knapp drei Prozent leicht nach oben. Doch es mangelt oft an Qualifikation.

Berliner Unternehmen bilden wieder mehr aus, der Trend geht seit Pandemie-Beginn etwas nach oben, obwohl noch nicht der Stand von vor der Coronakrise erreicht werden konnte. Das hat die „Ausbildungsbilanz 2021“ ergeben, die Vertreter der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK) und Ausbildungsleiterinnen am Mittwoch vorstellten.

Mit insgesamt 6883 Verträgen zum Ende des Jahres 2021 gab es ein Plus von 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (6669 Verträge). Die „Lösungsquote“ bestehender Verträge, also Ausbildungen, die abgebrochen wurden, bleibt mit rund zwölf Prozent niedrig, die „Bestehensquote bei den Abschlussprüfungen mit rund 83 Prozent sehr hoch“, sagte der IHK-Geschäftsführer Wirtschaft- und Politik, Jörg Nolte.

Allerdings mache nicht nur die aktuell schwierige Konjunkturlage den Unternehmen zu schaffen und wirke sich auch auf die Rekrutierung von Nachwuchskräften aus. Oftmals sei den Jugendlichen gar nicht bekannt, welche – insbesondere technische – Berufe es gibt und was sie beinhalten, schildert Nolte. Ein Phänomen, das auch Ausbildungsleiterinnen und -leiter kennen.

Aufgrund der Corona-Maßnahmen hat es keine berufsorientierenden Messen mehr gegeben, kaum Berufspraktika, viele Informationsveranstaltungen liefen nur digital und hätten weniger junge Menschen erreicht.

„Wir müssen die Außenwahrnehmung steigern“, sagte Dorothee Frankenstein, Ausbildungsleiterin beim Sanitär- und Heizungsbauunternehmen mf Mercedöl.

Die Firma hat 160 Mitarbeitende und bildet 25 Azubis in fünf verschiedenen Berufen aus. „Dass man auch Karriere im Handwerk machen kann, auf die Idee kommen viele nicht. Dabei ist eine Ausbildung mit anschließender Weiterqualifizierung einem Studienabschluss gleichzusetzen.“ Noch etwas anderes mache etlichen Ausbildungsexpertinnen und -experten zu schaffen: Die Qualifikation der jungen Bewerberinnen und Bewerber ließe stark nach.

Große Lücken in Mathe, Deutsch und Naturwissenschaften

„Die Azubis haben große Lücken in Mathe, Deutsch und Naturwissenschaften“, beschreibt Frankenstein. Da aufgrund der Pandemie teilweise der Präsenzunterricht ausgesetzt war, gehe sie davon aus, dass die Rückstände noch größer werden. Und dies sei besonders heikel, denn die Ausbildung werde „umgekehrt proportional zum Können der Bewerber immer anspruchsvoller“, sagt sie.

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In ihrer Branche kämen Teilbereiche wie „regenerative Technik“ hinzu, einzelne Ausbildungen wurden zusammengelegt. „Man muss sich schon ziemlich reinhängen, um die Prüfung zu schaffen.“

Auch Karen Koch, Ausbildungsleiterin bei der Bio Company, die 100 Ausbildungsplätze anbietet für ihre Bio-Supermärkte, hat solche Beobachtungen von mangelnder Motivation und Qualifikation bei den Jugendlichen gemacht. Zum einen sei die Zahl der Bewerbungen, die bei dem Unternehmen eingingen, seit der Coronakrise von monatlich rund 80 auf 40 zurückgegangen.

Bewerbung: Zeugnisse auf der Blümchen-Bettdecke abfotografiert

Bio Company kann zweimal pro Jahr Auszubildende einstellen. „Leider muss ich sagen, dass die Bewerbungsunterlagen, die uns erreichen, sehr häufig unvollständig sind, manchmal kommen nur Fragmente bei uns an“, schildert sie. Da würden die Seiten der letzten Zeugnisse lieblos auf der Blümchen-Bettdecke liegend unscharf abfotografiert und eingesendet, manchmal fehlten sie ganz, „oder es fehlt der Lebenslauf oder ein Anschreiben“.

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Man sei derzeit schon „sehr großzügig, was die Noten angeht, aber wenn jemand nur Vieren und Fünfen hat, dann ist die Chance zu groß, dass er oder sie die Abschlussprüfung nicht schafft“, sagt Koch.

Und auch, wenn der allgemeine Eindruck vorherrscht, dass die junge Generation sich vornehmlich digital durch die Welt bewegt „und mit dem Handy dauern zugange ist“, so gebe es doch einiges zu bedenken.

Handy-Bedienung ist kein Problem, ein Online-Konferenz-Tool schon

Die Jugendlichen seien zwischen 16 und 20 Jahre alt. „Die nutzen zwar ihr Handy dauernd“, sagt Koch, aber sie wüssten gar nicht, wie man sich bei digitalen Konferenzen, etwa einem Bewerbungsgespräch oder eine Informationsveranstaltung online, verhält und wie man richtig mit Konferenz-Tools umgehe.

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In den Familien gebe es oft für sie kein eigenes Jugendzimmer, in dem sie in Ruhe an einer Digitalveranstaltung teilnehmen können, der Internet-Zugang sei nur über das Handy per Datenvolumen, das aufgeladen wird, möglich. „Es ist deshalb sehr gut, dass die Berufsorientierung jetzt wieder angelaufen ist, denn für eine ganze Reihe von Jugendlichen war die Zeit nach dem Schulabschluss schlichtweg verlorene Zeit“, ist Koch überzeugt.

Beruf der Kaufleute im E-Commerce ist bei jungen Leuten begehrt

Doch Jörg Nolte sah bei der Präsentation auch genügend Anlass, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Denn – nicht nur, aber auch durch die Pandemie – gab es auch Zuwächse in einzelnen Branchen (siehe Grafiken). Unter den Top fünf Berufen mit dem größten Anstieg bei Ausbildungsverträgen liegt ganz oben die Fachkraft für Veranstaltungstechnik mit plus 50 Prozent.

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„Man könnte meinen, der Bereich darbt, aber durch die vielen digitalen Veranstaltungen waren zunehmend Ton- und Videotechnik gefragt, insofern bekommt dieses Berufsbild immer mehr Zulauf“, sagt Nolte. Aber auch Automobilkaufleute (plus 32 Prozent) und Kaufleute im E-Commerce (plus 32 Prozent) sowie Fachlageristen (plus 28 Prozent) werden als Berufswunsch bei den Jugendlichen immer beliebter.

Auch bei Hotels und Tourismus leichte Zuwächse

Denn: Wegen des stark steigenden Onlinehandels, gebe es einen immer größeren Bedarf sowohl an Verkäuferinnen und Verkäufern im E-Commerce als auch eine stärkere Nachfrage an Leuten, die in der Lager-Logistik tätig sind. Denn die Ware muss so organisiert werden, dass sie schnell zu den Kunden kommt.

Ebenso bei den Industrieelektrikern stieg die Zahl der Ausbildungsverträge um gut 26 Prozent. Hier dauere die Ausbildung nur zwei Jahre lang und sei zunehmend bei „schwächeren Kandidaten“ beliebt, sagte Nolte.

Leichte Vertragszuwächse im Vergleich zu 2021 gab es laut der IHK-Auswertung auch in den Branchen, die besonders unter Folgen der Pandemie zu leiden hatten und immer noch leiden: Hotel- und Gastgewerbe sowie die Veranstaltungs- und Tourismusbranche.

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