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© dpa/Patrick Seeger

Tod aus freiem Willen?: Berliner Arzt muss sich wegen Sterbehilfe vor Gericht verantworten

Ein Hausarzt half einer schwer an Depression erkrankten Studentin beim Suizid. Doch konnte die Frau tatsächlich aus freiem Willen entscheiden?

Er praktizierte rund 30 Jahre als Hausarzt. Stets habe er sich Zeit genommen für seine Patientin, sagte Christoph T. am Dienstag vor dem Berliner Landgericht. Er zitierte einen Leitsatz – „das Heil des Kranken ist oberstes Gebot“. Und er versuchte zu erklären, warum er einer an schwerer Depression leidenden Studentin bei der Selbsttötung half. Der Fall brachte den 74-Jährigen, der in einem früheren Prozess um Sterbehilfe freigesprochen wurde, erneut auf die Anklagebank. Die Frage ist nun: War die Erkrankte in der Lage, aus freiem Willen zu entscheiden?

Am 12. Juni 2021 hatte sich eine Studentin bei T. gemeldet. Sie wollte nicht mehr leben. „Sie suchte Hilfe, sie drängte“, schilderte der Mediziner. Die 37-Jährige habe von Suizidversuchen berichtet und von ihrer großen seelischen Not. Klar und entschlossen habe sie um Sterbebegleitung gebeten. Sie habe erklärt, sich notfalls zu erhängen. Für ihn habe es „keine Zweifel an ihrer Urteils- und Entscheidungsfähigkeit gegeben“.

Sie suchte Hilfe, sie drängte.

Christoph T., angeklagter Mediziner

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Die Anklage lautet auf Totschlag in mittelbarer Täterschaft. Als mittelbarer Täter wird bezeichnet, wer die Tat „durch einen anderen begeht“.

Der Arzt stellte der Studentin im Juni 2021 tödlich wirkende Medikamente zur Verfügung. Doch sie erbrach die Tabletten. Drei Wochen später legte er ihr in einem Hotelzimmer eine Infusion mit einem tödlich wirkenden Medikament, das sie selbst in Gang gebracht habe. Sie starb wenige Minuten später. Der Arzt rief die Polizei.

Aus Sicht der Anklage äußerte die Frau, die seit 2005 an einer schweren Depression gelitten habe, in einer akuten Krankheitsphase ihren Sterbewunsch. Dieser sei allerdings Teil des Krankheitsbildes, die Frau sei nicht in der Lage gewesen, einen freien Willen zu bilden.

T. war 2018 in einem Sterbehilfe-Fall um eine Frau freigesprochen worden, die an einer unheilbaren Darmerkrankung gelitten hatte. Der Patientenwille sei zu achten, hieß es damals. Er sei danach zum Sterbehelfer geworden, sagte T., engagiere sich in einer Sterbehilfeorganisation, habe inzwischen etwa 100 Menschen begleitet. Heute allerdings würde er sich in einem Fall wie dem der depressiven Frau absichern und die Lage durch Psychologen und Juristen prüfen lassen. Der Prozess geht am Freitag weiter.

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