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Elke Breitenbach, Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, spricht bei einem Sonderparteitag der Berliner Linken. Die Linke-Poltikerin will ihr Amt nicht fortsetzen.

© Christoph Soeder/dpa

Sozialsenatorin gesucht: Mit Elke Breitenbach geht eine der profiliertesten Politikerinnen der Berliner Linken

Es gab schon vorher Gerüchte, dass Elke Breitenbach nicht mehr als Senatorin antreten will. Kurz vor dem Parteitag verkündet sie nun ihren Abschied.

Von Sabine Beikler

Sie ist eine, wenn nicht gar die profilierteste Politikerin der Linken in Berlin: Elke Breitenbach, seit 2016 Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, verabschiedet sich aus der Landespolitik. Das verkündete die 60-jährige Linkspolitikerin am Dienstagabend in einer für die Linken schwierigen Situation in Berlin.

Breitenbach, in Frankfurt am Main geboren, zählt zu den pragmatischen Linkspolitikerinnen in Berlin. Tritt sie auf einem Parteitag an das Mikrofon, hören die Genoss:innen auch genau zu und stellen Gespräche ein. Auf sie wird gehört. Das schafft nicht jeder Linkspolitiker. Warum sie aufhört? Es sind familiäre, persönliche Gründe. Elke Breitenbach ist, wie viele andere, pflegende Angehörige. Das erfordert Kraft und braucht Zeit. Und irgendwann sind "die Batterien leer", wie sie sagt.

Die Linkspolitikerin, die am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin Politische Wissenschaften studierte, trat 1998 in die PDS ein, war ab 2003 Parteivorstands-Mitglied. Von 2012 bis 2016 war Breitenbach stellvertretende Landesvorsitzende. 2003 rückte sie für Thomas Flierl, der in die rot-rote Regierung ging, ins Abgeordnetenhaus nach und war kurze Zeit persönliche Referentin der früheren Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner.

Breitenbach wurde 2006, 2011 und 2016 über die Landesliste wieder ins Parlament gewählt. Wie kaum eine andere Politikerin kennt Breitenbach Sozialpolitik, die sozialen Sicherungssysteme und arbeitsmarktpolitische Instrumente.

Rede und Antwort gestanden

Zu Beginn der letzten Legislaturperiode musste Berlin mit den Auswirkungen der Flüchtlingswelle umgehen. Breitenbach hatte einen guten Draht zu Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und schaffte es, dass die bis dato belegten Turnhallen zügig freigeräumt wurden. Sie legte ungefragt in den Senatssitzungen Listen von freigezogenen Objekten vor.

Wenn Breitenbach als Senatorin in die dienstags nach der Senatssitzung stattfindende Pressekonferenz der Berliner Pressekonferenz auftrat, sprach sie frei, ohne Sprechzettel - und fragte die Journalist:innen, ob es noch andere Fragen gebe. Sie sei ja nun mal hier und stehe Rede und Antwort. So ein Verhalten ist keine Selbstverständlichkeit im politischen Tagesbetrieb.

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Anerkannt ist Breitenbach auch beim Koalitionspartner SPD. "Ich finde es schade, dass Elke Breitenbach sich aus dem Senat zurückzieht", sagte SPD-Fraktionschef Raed Saleh. "Ich habe Elke immer sehr geschätzt und gemocht. Sie ist die gute Seele des Senats. Als Sozialsenatorin nimmt sie sich derjenigen an, die Hilfe am Nötigsten brauchen. Und davon gibt es in unserer Stadt leider viel zu viele. Wenn es darum geht, für die Obdachlosen und Benachteiligten schnell und unkompliziert Hilfe zu organisieren, kann man sich immer auf Elke Breitenbach verlassen. Dafür möchte ich ihr aus tiefstem Herzen danken."

Breitenbach scheut keine Auseinandersetzungen. Bei der Präsentation der Ausbildungsbilanz 2020/21, die vor ein paar Tagen die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit ihr, Vertretern der Kammern der Berliner Wirtschaft und dem Deutschen Gewerkschaftsbund vorgestellt hatte, war der Ton zwischenzeitlich etwas härter zwischen Politik und Wirtschaft, als es um die Verantwortlichkeiten ging. Rund 21.000 junge Berliner:innen hatten sich im Oktober 2020 bis September dieses Jahres um einen Ausbildungsplatz bemüht. Dem standen rund 14.660 betriebliche Ausbildungsplätze entgegen. Das ist keine gute Bilanz.

Aus der Parteibasis ist Kritik zu hören

Der Abschied von Elke Breitenbach aus der Berliner Politik wird die Linke vor ernste Probleme stellen. So schnell ist keine adäquate Nachfolgerin, kein adäquater Nachfolger in Sicht. Denn die Linke kann es sich in dieser Situation nicht leisten, diese Schlüsselposition mit einem politischen "Newcomer" zu besetzen, nachdem sie die Verantwortung für das bisherige Ressort Stadtentwicklung und Wohnen schon an die SPD abgeben muss.

Linken-Spitzenpolitiker:innen nennen das schlicht "eine Katastrophe". Dass Klaus Lederer als Senator weiterhin den Bereich Kultur übernimmt, ist die einzig sichere Variable, die die Linken haben. Lederer ist in der Szene anerkannt, und die Partei hört auf ihn. Aber wie die Linke das ihr zugeschobene Ressort Justiz und Antidiskriminierung besetzen wird, ist personell und inhaltlich noch völlig offen. Ob die Juristin und Pankower Bezirksvorsitzende Sandra Brunner das Ressort übernimmt, könnte nach dem Abschied von Breitenbach die Wahrscheinlichkeit erhöhen. Denn eine Frau unter drei linken Senator:innen ist auch bei den traditionellen Linken das Nonplusultra.

Die Auseinandersetzungen mit der Parteibasis nehmen derzeit zu, einige "laute" Genoss:innen fordern schon den Gang in die Opposition, weil sie die geplante Expertenkommission und den Umgang mit dem Ergebnis des Volksentscheids Enteignung für ungenügend und "verlogen", wie ein Aktivist kürzlich sagte, halten.

Die Mehrheit haben sie in dem auf 8000 Mitglieder geschrumpften Landesverband aber nicht. Am Sonnabend ist ein Sonderparteitag geplant, bei dem es nur um eines geht: die Koalitionsvereinbarung. Dass die Debatte darüber pandemiebedingt online stattfinden wird, dürfte der Parteispitze in die Karten spielen. Denn eine kontroverse, harte Diskussion ist online nur schwerlich zu führen. Die Mitglieder werden anschließend über den Koalitionsvertrag per Mitgliederentscheid abstimmen, der vom 3. bis 17. Dezember läuft. Noch ist die Parteispitze zuversichtlich, dass es eine Mehrheit dafür gibt.

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