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So sollen Berliner Büros nach dem Wunsch des Senats aussehen: möglichst leer.

© imago/Westend61

Senat entscheidet am Samstag: Kommt in Berlin nun die Pflicht zum Homeoffice?

Appelle an Unternehmen reichen nicht mehr, sagt Michael Müller. Doch die Pläne des Senats sind vage – und die Verwaltung selbst nicht fit fürs Homeoffice.

Ende Januar hatte der Senat noch davon Abstand genommen, nun zeichnet sich für Arbeitnehmer:innen mit Computerarbeitsplatz eine Pflicht zur Arbeit im Homeoffice ab. Hintergrund dafür sind die steigenden Infektionszahlen und die anhaltend hohe Mobilität in der Stadt. Noch immer sind Bahnen und Straßen überfüllt, fahren zu viele Menschen ins Büro statt zu Hause zu bleiben. Eine entsprechende Regelung kündigte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Donnerstagmorgen im Abgeordnetenhaus im Rahmen einer Regierungserklärung an.

„Wir haben Möglichkeiten, auch im Bereich des Wirtschaftslebens einzugreifen und zu agieren“, sagte Müller. Bisherige Appelle hätten lediglich bewirkt, dass statt 70 Prozent aller Arbeitnehmer:innen nun 67 Prozent noch ins Büro führen. Angesichts dieser kaum reduzierten Mobilität in der Stadt müsse der Senat „an dieser Stelle eingreifen“. Müller kündigte an: „Wir wollen in eine Verpflichtung gehen beim Thema Homeoffice.“

Zustimmung zu dem offenbar am Abend zuvor in einer Sondersitzung des Senats vereinbarten Schritt signalisierten die Koalitionspartner von Grünen und Linken. Silke Gebel, Fraktionschefin der Grünen, erklärte: „Das unbemerkte Infektionsgeschehen ist ein riesiges Problem, das wir endlich in den Griff kriegen müssen.“ Gebel plädierte für eine „Homeoffice-Pflicht überall dort, wo es geht“ und ergänzte: „Die Zeit der Appelle ist vorbei, wir brauchen endlich eine klare Regelung.“

Anne Helm, Fraktionschefin der Linken im Abgeordnetenhaus, erklärte: „Es ist richtig, dass der Senat angekündigt hat, sich das Thema Homeoffice-Pflicht noch einmal anzuschauen.“ Müller-Stellvertreter Klaus Lederer (Linke) erklärte via Facebook, sich ebenfalls für eine Homeoffice-Pflicht einzusetzen.

Homeoffice-Pflicht: Längst angekündigt, nicht umgesetzt

Der Vorstoß ist nicht neu: Bereits im Dezember hatte Müller auf stärkere Verpflichtungen der Wirtschaft gedrängt. Eine von Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) erarbeitete Vorlage zum Verbot von Computerarbeit im Büro – mit Ausnahme einzelner Bereiche – wurde allerdings nicht verabschiedet. Zunächst sollte die Wirksamkeit einer von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erarbeiteten Verordnung zur Heimarbeit abgewartet werden.

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Die Analyse fällt ernüchternd aus, die Mobilität in der Stadt hat sich kaum reduziert. Details zu der Frage, wie die Pflicht am Ende aussehen und kontrolliert werden soll, gab es am Donnerstag kaum. Klar ist, dass es Ausnahmen für bestimmte Berufe geben soll. Eine auf Senatsebene gebildete Arbeitsgruppe zur Vorbereitung von Änderungen der Corona-Verordnung sollte am Donnerstagabend tagen.

Klar ist: Eine Homeoffice-Pflicht trifft auch die Berliner Verwaltung an einem wunden Punkt. Auch ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie in Berlin sind längst nicht alle der rund 120.000 Mitarbeiter:innen von Behörden und Bezirken technisch ausgestattet, um von zu Hause aus sicher arbeiten zu können. Kommt die Pflicht zur Heimarbeit, dürfte das auch der Leistungsfähigkeit der ohnehin gebeutelten Verwaltung einen schweren Schlag erteilen.

Kritik von Unternehmen, CDU und FDP

Kritik an den inhaltlich zunächst noch vagen Plänen kam von Wirtschaftsverbänden sowie CDU und FDP. Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, erklärte: „Die Unternehmen in Berlin ermöglichen ihren Beschäftigten schon heute im großen Stil Homeoffice. Bei mindestens jedem zweiten Arbeitsplatz ist Homeoffice angesichts der Tätigkeit allerdings gar nicht möglich.“ Die Berliner Wirtschaft lehne deshalb eine Verschärfung der Homeoffice-Pflicht ab, erklärte Amsinck und warnte vor „noch mehr Verunsicherung“, die ein „Berliner Sonderweg“ zur Folge hätte.

Christian Amsinck ist Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg.
Christian Amsinck ist Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg.

© Rainer Jensen/dpa

Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK),warnte ebenfalls vor zusätzlicher Verunsicherung und erklärte: „Viele Unternehmen haben das Homeoffice längst eingeführt. Zielführender wäre es, gemeinsame Lösungen zu suchen statt behördlich kaum überprüfbare Regeln aufzustellen.“

Auch Eder wies mit Blick auf die am Dienstag vom Senat beschlossene Testpflicht darauf hin, „dass die Wirtschaft seit Monaten eine deutliche Ausweitung der Tests in allen gesellschaftlichen Bereichen als zentralen Bestandteil der Pandemiebekämpfung in den Mittelpunkt ihrer Vorschläge gestellt hat.“ Die Politik habe es bislang versäumt, offene Fragen zu Verfügbarkeit und Kostenübernahme der Tests zu klären.

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Christian Gräff, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, kritisierte die „unsäglichen Pläne“ des Senats: Mitarbeiter der Verwaltung seien nicht ausreichend zur Heimarbeit befähigt, und Berufszweige wie Krankenpfleger:innen, Verkäufer:innen und andere würden ausgeschlossen. „Die fühlen sich doch veräppelt, wenn sie weiter unterwegs sein müssen“, sagte Gräff.

Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der FDP im Abgeordnetenhaus und entschiedener Kritiker der Corona-Politik des Senats, erklärte im Abgeordnetenhaus: „Wenn der Regierende Bürgermeister nun eine Homeoffice-Pflicht fordert und die Teststrategie vollständig auf die Unternehmen abwälzt, ist das Ausdruck seiner Planlosigkeit.“

Die Berliner Wirtschaft leide seit Monaten unter schärfsten Einschränkungen, sagte Czaja und bezeichnete die Pläne des Senats als „Schlag ins Gesicht all jener, die seit Monaten versuchen, sich mit Hygienekonzepten ein wenig Freiraum zu erarbeiten.“

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