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Blick auf den Eingang zum Charité-Campus Virchow-Klinikum am Augustenburger Platz.

© dpa/Jörg Carstensen

Sein Spitzname war „Priester“: Weitere Zeugin sagt im Totschlags-Prozess gegen Charité-Arzt in Berlin aus

Gunther S. soll zwei Patienten überdosierte Sedierungsmittel verabreicht haben. Vor Gericht schilderte eine Kollegin, wie sie von den Vorwürfen erfuhr.

Der Herzmediziner mit dem Spitznamen „Priester“ war auch für die Angehörigen sterbenskranker Patienten da. „Viel und gut“ habe er sich gekümmert, mit ruhiger Art und Stimme. So schilderte es eine junge Ärztin am Freitag im Prozess wegen Totschlags gegen einen Arzt der Berliner Charité. „Hat er beraten, überzeugt oder überredet?“, wurde die Zeugin gefragt. „Beraten“, antwortete sie ohne zu zögern. Nach ihrer Wahrnehmung könnte er im Rahmen einer Sterbebegleitung zu dem Spitznamen gekommen sein.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 56-jährigen Gunther S. vor, im November 2021 im Charité-Campus Virchow-Klinikum einen 73-jährigen Patienten und im Juli 2022 eine 73-jährige Patientin mit überdosierten Sedierungsmitteln getötet zu haben. Die 39-jährige Krankenschwester Katja W. ist mitangeklagt wegen Beihilfe in einem Fall.

Wenige Tage nach dem Tod der 73-Jährigen hatte sich eine Krankenschwester an die junge Ärztin gewandt. S. habe eine viel zu hohe Dosis Propofol verabreicht, habe die Pflegekraft ihr berichtet. Die Größenordnung, die die Krankenschwester genannt habe, sei „fernab von dem, was üblich ist“, sagte die Ärztin. Sie habe der Pflegekraft geraten, sich an Vertrauensanwälte der Charité zu wenden.

Die Krankenschwester wurde zur Whistleblowerin. S. wurde im August 2022 suspendiert, im Mai 2023 verhaftet. Die Staatsanwaltschaft ging bei ihrer Anklage von Mord aus. Der Arzt habe gehandelt, „um seine Vorstellungen zum Sterben und Zeitpunkt des Lebensendes der Patienten zu verwirklichen“, heißt es in der Anklage. Das Landgericht bewertete den Fall jedoch bei der Eröffnung des Hauptverfahrens anders: Nach Aktenlage bestehe lediglich ein hinreichender Tatverdacht für den Straftatbestand des Totschlags.

Wenn es um die Frage von „Therapielimitierung“ am Lebensende ging, habe der Oberarzt nach ihrem Gefühl eine „konsequentere Herangehensweise“ als jüngere Ärzte gezeigt – „vielleicht wegen seiner Erfahrung“, sagte die Zeugin. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

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