zum Hauptinhalt
Das vergoldete Stadtwappen von Berlin vor dem Roten Rathaus.

© dpa/Soeren Stache

Ohne Schonfrist voll ins Regieren: Der neue Senat verheißt Gutes für Berlin – ist aber auch eine Hypothek

Wenig Verwaltungserfahrung, viel Diversität: Für den neuen Senat wird der Regierungsstart zum Sprung ins kalte Wasser. Die Ziele des schwarz-roten Bündnisses sind ambitioniert.

Ein Kommentar von Ann-Kathrin Hipp

Für Berlins neuen Senat wird die Regierungsarbeit ein Sprung ins kalte Wasser. Ob er elegant vollzogen oder ein kompletter Bauchplatscher wird, lässt sich aktuell kaum abschätzen. Fest steht: Bis auf Innensenatorin Iris Spranger sind alle Senatorinnen und Senatoren neu auf ihren Posten.

Aus der CDU-Riege bringt keiner Regierungs- oder Verwaltungserfahrung mit – und viel Einarbeitungs- oder Schonzeit bleibt nicht. In dreieinhalb Jahren wird wieder gewählt, in zweieinhalb startet der nächste Wahlkampf. Das Ziel, die Stadt bis dahin einerseits zu einen und andererseits zum Funktionieren zu bringen, ist, freundlich formuliert, durchaus ambitioniert.

Was man bereits zum Auftakt anerkennen muss: Berlin bekommt unter Schwarz-Rot den wahrscheinlich vielfältigsten Senat, den diese Stadt je hatte. Sieben von zehn Senatsverwaltungen werden von Frauen geführt, vier Frauen kommen aus Ostdeutschland, drei Senator:innen haben eine Migrationsgeschichte.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Mindestens an dieser Stelle ist die vermeintliche Rückschrittskoalition deutlich fortschrittlicher als ihre Vorgänger es waren. Klar, Personalien sind nicht alles, aber sie sind auf jeden Fall kein schlechter Anfang – erst recht nicht in einer Stadt wie Berlin.

Die in dem Zusammenhang wahrscheinlich größte Überraschung und vielleicht spannendste Senatorin haben am Montag die Christdemokraten vorgestellt: Felor Badenberg, im Iran geboren, promovierte Juristin, Vize-Chefin des Verfassungsschutzes.

Die designierten Mitglieder der CDU im neuen Berliner Senat beim Landesparteitag.
Die designierten Mitglieder der CDU im neuen Berliner Senat beim Landesparteitag.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Sie hat in der Behörde unter anderem den Bereich Rechtsextremismus und Terrorabwehr geleitet und dafür gesorgt, dass die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Felor Badenberg ist nicht nur fachlich versiert, sie ist auch eine ganz klare Ansage an all jene, die Kai Wegner und der Partei in den vergangenen Wochen „rechte Tendenzen“ vorgeworfen haben.

Und sonst?

Bei den Sozialdemokraten fällt vor allem auf, dass die Noch-wenige-Tage-Regierende Franziska Giffey Neubau nicht mehr zur Chefinnen-Sache gemacht, sondern das einfachere Wirtschaftsressort gewählt hat. Da gibt’s, das ist relativ sicher, in den kommenden Jahren wenig zu verlieren und viele gute Nachrichten zu verkünden.

Stattdessen übernimmt mit Christian Gäbler ein erfahrener Politiker die Stadtentwicklungsverwaltung, die er bereits gut kennt. Eine durchaus solide Wahl – lernt er jetzt noch das Zaubern, kann er den vom Senat versprochenen Bau von jährlich 20.000 vielleicht sogar schaffen.

Bei der CDU wird’s vor allem in den Punkten Bildung und Verkehr spannend. Das Bildungsressort wird erstmals seit gefühlt 100 Jahren nicht mehr sozialdemokratisch geführt– allein das ist eine kleine Revolution. Verkehrspolitisch wird‘s vor allem deshalb spannend, weil zurzeit noch völlig unklar ist, was Berlin auf den Straßen erwartet.

Im Koalitionsvertrag ist von der schönen Utopie zu lesen, dass der Senat alle „Verkehrsteilnehmer und Verkehrsteilnehmerinnen versöhnen will“.

Die designierte Senatorin Manja Schreiner selbst kommt aus der Baubranche, hat sich in diesem Bereich bisher kaum positioniert, allerdings im Herbst einen Beitrag veröffentlicht, in dem sie postuliert, dass Menschen andere Probleme haben „als gendergerechte Sprache und Vorfahrt für Fahrräder“: Gibt’s hier einen Rückschritt?

Letzter Punkt: Die wohl entscheidendste Aufgabe, die Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung, liegt beim verwaltungsunerfahrenen Chef selbst: Kai Wegner. Gelingt es ihm, Berlin tatsächlich wieder zum Funktionieren zu bringen? Sowohl er als auch der gesamte Senat werden sich in ihrer Amtszeit daran messen lassen müssen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false