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Funkmast eines Mobilfunkanbieters.

© Kay Nietfeld/dpa

Schwarz-Rot streicht in Berlin Prestigeprojekt der Grünen: Transparenzsystem zu Funkzellenabfragen wird der Stecker gezogen

Vor zwei Jahren wurde das System eingeführt. Registrierte konnten erfahren, ob ihr Handy bei Ermittlungsverfahren erfasst wurde. Doch es gab Probleme. Nun kommt das Aus.

Es war ein Herzensprojekt von Ex-Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Doch nun wird das unter Rot-Grün-Rot eingeführte Funkzellenabfragen-Transparenz-System, kurz FTS, von der schwarz-roten Koalition beerdigt. Bei den Haushaltsberatungen im Rechtsausschuss in dieser Woche sind die Gelder für das System gestrichen worden. Die Seite ist im Internet schon nicht mehr erreichbar.

Mit dem im September 2021, kurz vor der Abgeordnetenhauswahl, im „Probeechtbetrieb“ eingeführten System konnten sich registrierte Bürger per SMS darüber informieren lassen, ob ihre Mobilfunknummer im Zuge einer Funkzellenabfrage durch die Strafverfolgungsbehörden erfasst wurde. Das sollte aber erst erfolgen, wenn das jeweilige Ermittlungsverfahren abgeschlossen wäre.

Nun beendet Schwarz-Rot das System, das von Behrendt noch als Vorbild für andere Bundesländer gelobt wurde. Aus Sicht der Koalition bestehen massive verfassungsrechtliche Bedenken. Zwar sind nach der Strafprozessordnung Personen, die von verdeckten Maßnahmen betroffen sind, darüber zu informieren.

Doch Koalition und Justizverwaltung bezweifeln, ob das Land Berlin überhaupt zuständig ist und selbst die Information zur Funkzellenabfrage gesetzlich regeln darf, wie es unter Rot-Grün-Rot geschehen ist. Wie beim vom Bundesverfassungsgericht gekippten Mietendeckel geht es also um die Frage: Hat Berlin überhaupt Gesetzeskompetenz, wenn der Bund sie schon wahrnimmt?

Sicherheitsbedenken und steigende Kosten

Obendrein gibt es Sicherheitsbedenken. Das System sollte nach den ursprünglichen Plänen nun zum IT-Dienstleister des Landes (ITDZ) überführt werden. Dafür waren für nächstes Jahr 250.000 Euro und im Jahr darauf 200.000 Euro eingeplant – also fast eine halbe Million Euro. Für den Betrieb waren in diesem Jahr 25.000 Euro vorgesehen.

Aus der Justiz hieß es, das System hätten völlig neu konzipiert und erstellt werden müssen. Man habe eine Black Box vorgefunden. Zudem traten seit 2022 massive Störungen auf, der Grund ist bislang unklar. Externe Prüfer, darunter des Rechnungshofs hätten schließlich erhebliche Bedenken erhoben. Im Rechtsausschuss hat die schwarz-rote Mehrheit nun den Passus „Betrieb Funkzellentransparenzsystem“ gestrichen.

Behrendt hatte das System noch als datensparsam gelobt. Erstmals würden Bürger „über Grundrechtseingriffe informiert, von denen sie sonst nichts erfahren hätten“. Doch wie bereits aus Senatsantworten auf Anfragen von Parlamentarier hervorgeht, war das System offenbar ein Software-Schnellschuss.

Der frühere Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne).

© Christophe Gateau/dpa

So gibt es keine Fehlermeldungen aus, wenn bei Versand von Bestätigungscodes Fehler auftreten. Im April waren Zahlen zu verschickten SMS, zur Zahl der registrierten und – nach Monaten – neu angemeldeten Nummern abgefragt worden. Die Justizverwaltung teilte mit: „Eine diesbezügliche Auswertung wird aktuell systemseitig nicht unterstützt.“ Schon Mitte 2022 erklärte die Justizverwaltung: „Ein Monitoring insbesondere des SMS-Versands ist systemseitig aktuell nicht implementiert.“

Die Idee hinter dem System war: Nutzer, die sich alle drei Monate neu anmelden müssen, bekommen eine SMS, sofern sie von einer Funkzellenabfrage betroffen waren. Diese Informationen käme aber erst, wenn das jeweilige Ermittlungsverfahren gegen andere Verdächtige abgeschlossen ist. Aber: Bereits zum Zeitpunkt der Funkzellenabfrage hätten die Nutzer registriert sein müssen. Über einen per SMS verschickten Link konnte dann das Aktenzeichen des Ermittlungsverfahrens abgefragt werden.

Damit hätten Betroffene dann bei der Justiz genauer nachschauen können, worum es bei dem Verfahren geht, bei dem ihre Daten erfasst wurden. Zudem hätten sie die Rechtsmäßigkeit überprüfen lassen können. Wenige Wochen nach dem Start des Systems waren 14.000 Nutzer im System registriert. Bei der Einführung waren die ersten, die sich seit 2018 registrieren konnten, bereits informiert worden.

Auslöser für die Einführung des Systems war zwei Fälle aus Berlin und Dresden vor mehr als einem Jahrzehnt. Bei einem Nazi-Aufmarsch und Gegenprotesten in Dresden waren die Verbindungsdaten der Handy-Kommunikation in der Dresdner Innenstadt erfasst worden: 896.072 Verkehrsdatensätze, 257.858 Rufnummern und 40.732 Bestandsdaten. In Berlin wiederum war bekannt geworden, dass in Verfahren zu Brandstiftungen an Autos Funkzellendaten erfasst, fast ganz Friedrichshain war betroffen.

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