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Am geringsten ist die Schuldnerquote in Steglitz-Zehlendorf mit 7,8 Prozent.

© Christian Charisius/dpa

Schuldneratlas Berlin und Brandenburg: In Berlin ist die Überschuldung weiterhin hoch

Es gibt zwar einen leichten Rückgang, doch in Berlin geben viele Leute mehr Geld aus als sie haben. Besonders die Überschuldung im Alter steigt.

Die Nachricht ist erst einmal eine gute in diesen Tagen: Die Überschuldung der Berliner:innen ist im vergangenen Jahr trotz der Coronakrise leicht zurückgegangen. Allerdings steht Berlin im bundesweiten Vergleich - wie in den vergangenen Jahren - schlecht da und belegt Platz 14. Danach folgen nur noch Sachsen-Anhalt und Bremen. Dies teilte am Dienstag die Wirtschaftsauskunftei Creditreform bei der Veröffentlichung des Schuldneratlas mit. Sie macht diese Auswertung jährlich.

Demnach gelten in Berlin knapp 366.000 Menschen als überschuldet, das heißt: Sie haben sich finanziell so sehr übernommen, dass nicht damit zu rechnen ist, dass sie ihre Schulden begleichen werden können.

Das sind rund 6000 weniger als 2019 und mit einer Verschuldungsquote von rund zwölf Prozent laut Creditreform der niedrigste Stand seit dem Jahr 2011.

Es klingt erst einmal paradox, hatten doch die Wirtschaftsexperten wegen der Corona-Pandemie mit einer höheren Überschuldung der Bürger:innen gerechnet. Doch die Krise habe sich auf die Arbeitsplatz- und Einkommenssituation der Verbraucher:innen vergleichsweise wenig ausgewirkt.

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Der Grund: Der Bund hat relativ gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft während der Pandemie geschaffen, hieß es bei der Creditreform-Präsentation.

Das Kurzarbeitergeld, das verlängert worden war, führe dazu, dass Unternehmen ihre Beschäftigten nicht entlassen mussten. Zudem sei die Zahl der Einwohner:innen in Berlin um 25.000 gestiegen, sage Creditreform-Geschäftsführer Jochen Wolfram.

Die Zahl der überschuldeten Berliner:innen ist so hoch wie die Einwohnerzahl von Wuppertal

In Berlin ist damit jede/r achte Einwohner:in über 18 Jahren überschuldet. Die Zahl der überschuldeten Verbraucher:innen in der Hauptstadt ist damit so groß wie die der Einwohner:innen in Wuppertal.

Blickt man auf die Bezirke, spiegeln die Zahlen auch den Kontrast zwischen Armut und Wohlstand wider.

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Am geringsten ist die Schuldnerquote in Steglitz-Zehlendorf mit 7,8 Prozent. Am höchsten in Spandau mit 15,46 Prozent. Erfreulich sei, dass die Überschuldung in Neukölln überdurchschnittlich stark zurückgegangen sei, dennoch bleibe sie mit knapp 15 Prozent der Erwachsenen weiterhin hoch.

Nur in Pankow und Steglitz-Zehlendorf bleibt die Überschuldungsquote unter dem Bundesdurchschnitt

Nur in Pankow und Steglitz-Zehlendorf bleibt die Überschuldungsquote unter dem Bundesdurchschnitt. Was sind die Gründe für die finanziellen Turbulenzen der Verbraucher:innen?

Hier seien sogenannte harte Überschuldungen, wie etwa ein Antrag auf eine Privatinsolvenz, weniger geworden. Zugenommen hingegen hätten sogenannte weiche Überschuldungsgründe: Das sind neben Arbeitslosigkeit, die immer noch zu den Hauptursachen für eine Überschuldung gilt, vor allem eine "unwirtschaftliche Haushaltsführung", wie es in der Branche heißt.

Immer mehr älter als 70-Jährige geraten in die Schuldenfalle

Konkret bedeutet das: Irrationales Konsumverhalten. Die Leute geben sich über die Maßen der Kauflust hin. Laut Creditreform sei die Zahl dieser Fälle in Berlin um rund 7.000 gestiegen (ein Plus von 4,5 Prozent).

Berufsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit kämen hier als verschärfendes Element hinzu.

Besonders auffällig sei die Tatsache, dass offenbar die Überschuldung im Alter zunimmt. Bei den 60- bis 69-Jährigen ist die Quote von 10,97 auf 11,15 Prozent gestiegen, bei den älter als 70-Jährigen von 4,48 auf knapp fünf Prozent.

"Diese Entwicklung ist besorgniserregend, da sich die Einkommenssituation mit zunehmendem Alter eher verschlechtert", sagte Jochen Wolfram. Blickt man auf den Unterschied zwischen Männern und Frauen bleibt es dabei, dass Männer in der Hauptstadt mit 15,3 Prozent häufiger verschuldet sind als Frauen mit 8,51 Prozent. Allerdings hat die Quote bei den Männern im Vergleich zum Vorjahr um 0,56 Prozentpunkten abgenommen.

Brandenburg steht bundesweit auf dem vierten Platz

Besser sieht es im Nachbarland Brandenburg aus: Im bundesweiten Ranking belegt Brandenburg den vierten Platz, die Schuldnerquote ist besser als im Bundesdurchschnitt.

Mit 201.000 überschuldeten Brandenburger:innen liegt die Quote bei 9,64 Prozent. Besonders hoch sind die finanziellen Schwierigkeiten hier bei den Einwohner:innen in Brandenburg (Havel) mit 15,8 Prozent, gefolgt von Frankfurt (Oder) mit 11,91 Prozent. Am wenigsten betroffen von Überschuldung ist Potsdam-Mittelmark (7,33 Prozent), Potsdam (8,47) und Dahme-Spreewald (8,8 Prozent).

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Das Fazit, das die Wirtschaftsexperten von Creditreform ziehen ist: Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen seien eine "starke Medikation", die dazu geführt habe, dass die Zahlen nicht gestiegen sind. Dazu gehöre auch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die Unternehmen unter bestimmten Umständen erlaubt, sich nicht pleite melden zu müssen.

Das werde sich aber ändern. Die Prognose: "Wir werden im kommenden Jahr voraussichtlich einen Anstieg der Überschuldungsfälle melden müssen", hieß es.

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