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© IMAGO/Jochen Eckel/IMAGO/Jochen Eckel

Update

350 Beamte, 200 Demonstranten: Polizeiwache am Kottbusser Tor eröffnet

Lange wurde diskutiert, nun kommt die Polizeiwache am Kottbusser Tor tatsächlich. Die Polizisten werden im Hochhaus über der Adalbertstraße sitzen. Das gefällt nicht jedem.

| Update:

Berlins noch amtierende Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat am Mittwoch die Kotti-Wache eröffnet. 350 Beamte sicherten die Schlüsselübergabe für die Räume im Gebäuderiegel über der Adalbertstraße ab.

50 Meter weiter demonstrierten rund 200 Menschen aus dem linken Spektrum dagegen, darunter der Linke-Abgeordneten Ferat Kocak. Auf den Bannern wurden Polizisten als Mörder bezeichnet, behauptet, die Polizei schütze das System, den Kapitalismus.

Kocak sagt, die SPD wolle eine Stadt, in der Arme, Abgehängte und Ausgegrenzte „aus der Innenstadt im Interesse der Profite der Großkonzerne verdrängt werden, und setze dafür auf die Polizei. „Diese Law-and-Order-Entwicklung muss gestoppt werden“, sagte Kocak. „Gentrifizierung beginnt mit staatlicher Repression.“

Diese Law-and-Order-Entwicklung muss gestoppt werden

Ferat Kocak, Linken-Abgeordneter

Oben, im ersten Stock des Hochhauses über der Adalbertstraße, spricht Innensenatorin Spranger. Die SPD hatte die Nebenwache im Koalitionsvertrag durchgesetzt, Spranger sorgte gegen alle Widerstände in der Polizei und in der eigenen Koalition dafür, dass die Kotti-Wache schnell fertig wird.

Rund um die Uhr sollen drei Polizisten vor Ort sein

In einem Jahr wurden die Räume umgebaut, mit Sicherheitsglas versehen, es gibt einen Vernehmungsraum, aber keine Zelle. 3,24 Millionen Euro hat das gekostet. Auch das Ordnungsamt von Friedrichshain-Kreuzberg hat einen Arbeitsplatz.

3,24
Millionen Euro kostete der Umbau der Räume

25 Polizisten sollen hier arbeiten, rund um die Uhr werden mindestens drei Beamte in der Wache sein. Es soll eine Anlaufstelle für Anwohner, Geschäftsbetreiber, Touristen, Vereine und Moscheen aus der Nachbarschaft sein, sagt Jörg Dessin, Vizechef der Landespolizeidirektion. „Bisher gab es hier nur mobile Maßnahmen, jetzt haben wir hier 24/7 Präsenz.“ Die Nachbarn sollen „mit uns reden, wir wollen mit ihnen sprechen“.

Spranger zeigt sich entspannt – und fröhlich. Bald könnte sie nicht mehr Innensenatorin sein. An diesem Tag präsentiert sie, was von ihrer Amtszeit bleibt. „Ich bin unwahrscheinlich stolz darauf, dass wir es geschafft haben.“

3100 Drogendelikte seit 2018, 1400 Körperverletzungen

Sieben Jahre lang sei diskutiert worden, sie habe trotz Gegenwind entschieden. Denn die Kriminalität am Kottbusser Tor sei hoch, von den sieben sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten sei der Kotti am stärksten betroffen. 3100 Drogendelikte seit 2018, 1400 Körperverletzungen, dazu Nötigungen, Bedrohungen, sexuelle Übergriffe, Überfälle, Raubtaten. Der Polizeiabschnitt 5 sei zwei Kilometer entfernt. Da reiche es nicht aus, dass die Polizei mit Streifen Präsenz zeige.

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Kritik kam von der Gewerkschaft der Polizei (GdP), es sei der Politik vor allem um ein Symbol gegangen. „Letztlich bekommen wir nicht mehr Polizei auf die Straße“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Der Standort sei nicht optimal, die Polizei sehe von oben herab auf die Menschen und zugleich säßen die Polizisten wie auf dem Präsentierteller. Draußen sind die Rufe der Demonstranten zu hören. Spranger sagt über sie. „Das sind alles Leute, die wohnen gar nicht hier.“ Die Wache sei im Kiez auch nicht umstritten.

© Alexander Fröhlich

Turgut Altun, seit 2011 direkt gewählter Abgeordneter der Grünen aus dieser Gegend, findet die Wache gut. Es gebe seit Jahren Sicherheitsprobleme, die Zahl der Gewalttaten sei gestiegen, deshalb sei die Wache wichtig. Sie könne aber nur der Anfang sein, es gebe auch soziale Probleme. „Die Mehrheit der Menschen, die hier wohnen, haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Die meisten sagen mir, dass sie die Wache gut finden“, sagte Altun. „Ein Gewerbetreibender sagte mir, wenn solche Umstände in Steglitz-Zehlendorf oder in Zehlendorf wären, hätte der Staat nicht so lange weggeschaut.“

Lokale Politiker froh über die Wache

Die SPD-Abgeordnete Sevim Aydin sieht es ähnlich, auch sie hat hier ihren Wahlkreis. „Ich denken, dass sich di Mehrheit hier für die Kottiwache ausspricht“, sagt sie. „Im Grunde war die Kottiwache eine Idee der Anwohner und Gewerbetreibenden vor zehn Jahren, weil sie sich nicht mehr sicher fühlten.“ Die Anwohner wünschten sich insgesamt mehr Sicherheit in Kreuzberg. Auch deshalb habe die CDU bei der Wahl zugelegt. Iris Spranger sagt, sie haben die Eröffnung ganz bewusst nicht vor den Wahltermin gelegt. „Der Termin stand fest.“

Ercan Yasaroglu, Besitzer des beliebten Café Kotti gleich neben der Wache, sagt: „Die meisten Gäste werden sich daran gewöhnen, auch die Polizisten sind willkommen, wenn sie Kaffee trinken wollen.“ Allerdings besuchten auch viele Menschen, die illegal in Deutschland lebten, sein Café. Ihm sei wichtig, dass die Polizei nicht seine Gäste kontrolliere. Eine gute Nachbarschaft will auch Stefan Kranich, Chef des Polizeiabschnitts 53. „Wenn es Probleme gibt, rufen Sie mich an“, sagt er dem Café-Besitzer. „Wir sind Nachbarn und wir finden Lösungen.“

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