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Waschbecken gehörten früher zur Standardausrüstung: Dann wurden sie vielerorts herausgerissen.

© Ina Fassbender/AFP

Update

Umdenken wegen Corona-Pandemie: Revival für Waschbecken in Klassenräumen

Die Corona-Vorschriften fordern häufiges Händewaschen. Nun stoppt die Senatsverwaltung für Bauen ihre Praxis, Schulwaschbecken entsorgen zu lassen.

An der Prioritätenliste gibt es keinen Zweifel: „Die wichtigste Maßnahme ist das regelmäßige und gründliche Händewaschen mit Seife“, heißt es im neuen „Musterhygieneplan Corona für die Berliner Schulen“, der dem Tagesspiegel vorliegt. Was erwartbar klingt, erfüllt etliche Berliner Schulen und Stadträte allerdings mit Wut, und das hat seinen Grund.

„Die Handwaschbecken in den Klassenräumen mussten nach Vorgaben des Senats bei Umbauten und Sanierungen entfernt werden“, berichtet der verärgerte Pankower Bildungs- und Gesundheitsstadtrat Torsten Kühne (CDU). Bei Neubauten seien in den Unterrichtsräumen keine Handwaschbecken mehr vorgesehen. Seine Proteste seien regelmäßig verhallt – zuletzt 2019 anlässlich der Sanierung der Grundschule am Weißen See.

[Was hilft denn nun? "Wir brauchen mobile Waschbecken!" Das forderte ein CDU-Schulpolitiker Anfang der Woche im Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel. Alle Newsletter vom Tagesspiegel, Bezirk für Bezirk und immer konkret: leute.tagesspiegel.de]

Kühne sah die Corona-Pandemie keineswegs kommen, als er sich seit 2017 immer wieder bemühte, die Waschbecken zu erhalten. Vielmehr war er in seiner Doppelfunktion in den Bereichen Gesundheit und Schule der Überzeugung, dass Waschbecken eine sinnvolle Sache seien in Klassenräumen.

Früher gehörten die Becken zum Standard in Klassenräumen

Diese Überzeugung kommt nicht von ungefähr. Waschbecken gehörten lange Zeit zur Standardausrüstung an Schulen. Ob in den zwanziger Jahren – wie in der denkmalgeschützten Grundschule am Weißensee – oder in den DDR-Plattenbauten des verbreiteten Typs SK: Immer waren Waschbecken Teil der vorgeschriebenen Innenausstattung – und wurden vielerorts auch erhalten, solange die Bezirke selbst entscheiden konnten, wie sie ihre Schulen bauten oder sanierten.

Damit ist es allerdings teilweise vorbei, seitdem die Schulbauoffensive begonnen hat und die Zuständigkeit für Neubauten und große Sanierungen an die Senatsverwaltung für Bauen überging. Immer wieder habe die Senatsverwaltung die Waschbecken aus den Bauplanungsunterlagen herausgestrichen, sagt Kühne.

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Damit könnte es jetzt vorbei sein: Konfrontiert mit Kühnes Schilderung teilte die Bauverwaltung dem Tagesspiegel mit, dass sie „angesichts der durch Corona notwendigen häufigen Handwaschungen“ zukünftig „sicherlich“ überlege, wie mit Waschbecken im Bestand und im Neubau umgegangen werde. „Momentan bauen wir keine Handwaschbecken ab“, lautet die Zusicherung von Verwaltungssprecherin Petra Rohland. Wie viele Becken bislang entfernt wurden, konnte sie nicht beziffern. Im Übrigen habe der Abbau „nicht nur finanzielle, sondern vor allem hygienische und gesundheitliche Gründe“ gehabt, sagte Rohland mit dem Hinweis auf die Legionellengefahr. Das aber lässt Kühne nicht gelten, da es „moderne Wasserhähne mit automatischem Durchlauf“ gebe.

Die Schüler müssten ständig zu den Sanitärräumen laufen

Der Druck, den Sauberkeitsstandard zu heben, steigt jedenfalls – und das liegt auch am neuen Hygieneplan, der an diesem Freitag veröffentlicht werden soll. Dort ist zu lesen, wann das „regelmäßige und gründliche Händewaschen mit Seife“ zu erfolgen hat: nach dem Naseputzen, Husten oder Niesen, nach Kontakt mit Treppengeländern, Türgriffen, Haltegriffen, vor und nach dem Essen, lautet die Aufzählung. Mit anderen Worten: Die Schüler müssten ständig zu den Sanitärräumen laufen, um den Hygieneplan zu befolgen – jedenfalls, wenn sie kein Waschbecken im Unterrichtsraum haben.

Zehntausende Schüler kommen zurück

Es sei „absurd“, Waschbecken aus Klassenräumen rauszureißen, findet auch Astrid-Sabine Busse, die Vorsitzende der Interessenvertretung Berliner Schulleiter. Sie blickt mit Sorge in die kommenden Wochen. Es werde „unendlich schwer“, die Kinder auf Abstand zu halten, die sich doch gegenseitig anzögen „wie Magnete“.

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Am kommenden Montag kommen zunächst die Zehntklässler zurück in die Schulen, auch wenn ihre schriftlichen Prüfungen zum Mittleren Bildungsabschluss am Mittwoch abgesagt wurden: Es bleibt dabei, dass sie – vor allem in den Kernfächern – unterrichtet werden sollen, denn es geht um die Zeugnisse, mit denen sie Ende Juni aus der Schulpflicht entlassen werden oder in die gymnasiale Oberstufe wechseln. Zudem bereiten sie ihre Präsentationsprüfungen vor, die als einziger Bestandteil des MSA nicht gestrichen werden. Am 4. Mai dann folgen die Sechstklässler. Da zudem die Notbetreuung erheblich ausgebaut wird, müssen sich die Schulen bereit machen für den Ansturm Zehntausender Schüler.

Aus Spandau ein offener Brief wegen mangelnder Schulreinigung

Schon jetzt melden sich besorgte Eltern zu Wort. Sie berichten von miserabler Schulreinigung, weil es nicht gelinge, schlechten Putzfirmen zu kündigen. Die Gesamtelternvertretung der Spandauer Grundschule am Weinmeisterhornweg schrieb daher am Donnerstag in einem offenen Brief, für sie stehe fest, dass bei der Wiedereröffnung der Schule „die Gesundheit unserer Kinder nicht hinreichend gesichert werden kann“. Zwar sei es „gut zu wissen, dass der Senat Schulen mit Hygienespendern ausstatten möchte, nur wäre uns schon geholfen, wenn unsere Kinder die Seife zum Händewaschen hätten“.

Im neuen Hygieneplan liest sich das so: „In allen Sanitärräumen müssen ausreichend Flüssigseifenspender, Einmalhandtücher und Toilettenpapier bereitgestellt und regelmäßig aufgefüllt werden.“

Weitere Auszüge aus dem neuen Hygieneplan:

  • Damit sich nicht zu viele Schülerinnen und Schüler zeitgleich in den Sanitärräumen aufhalten, muss zumindest in den Pausen durch eine Lehrkraft eine Eingangskontrolle durchgeführt werden.
  • Es liegen Berichte zu Ausbrüchen im Zusammenhang mit Chorproben vor. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies auf eine erhöhte Aerosolproduktion beim Singen zurückzuführen ist. ... Chor-, Orchester- und Theaterproben in den Schulen sind daher bis auf Weiteres auszusetzen.
  • Der Unterricht ist – soweit möglich – in festen Lerngruppen durchzuführen, um enge Kontakte auf einen überschaubaren Personenkreis zu begrenzen. Auch die Zuordnung der Lehrkräfte sollte so wenige Wechsel wie möglich enthalten.
  • Sportunterricht kann aus Gründen des Infektionsschutzes nur unter Wahrung des Abstandsgebotes und nur im Freien stattfinden. Dies gilt uneingeschränkt auch für die Umkleide- und Sanitärbereiche.
  • Unter Einhaltung der Hygieneregeln sollten den Schülerinnen und Schülern statt des klassischen Sportunterrichts Bewegungsangebote gemacht werden.
  • Damit sich nicht zu viele Schülerinnen und Schüler zeitgleich in den Sanitärräumen aufhalten, muss zumindest in den Pausen durch eine Lehrkraft eine Eingangskontrolle durchgeführt werden.
  • Am Eingang der Toiletten muss durch gut sichtbaren Aushang darauf hingewiesen werden, dass sich in den Toilettenräumen stets nur einzelne Schülerinnen und Schüler - Zahl in Abhängigkeit von der Größe des Sanitärbereichs - aufhalten dürfen.
  • Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie wird ihren Beschäftigten an den Schulen die Anschaffung von zwei waschbaren Alltagsmasken mit einem Pauschalbetrag erstattet."

"Wo sollen diese Personalressourcen herkommen?"

"Im Hygieneplan stehen lauter allgemeine Dinge, aber so gut wie nichts über die konkrete Umsetzung vor Ort", kritisierte ein Schulfachmann am Abend nach der Lektüre des fünfseitigen Papiers. Als Beispiel nannte er die Passage, die sich mit den "Warteplätze für den Schülerverkehr oder den öffentlichen Personennahverkehr" befasst.

Dort heißt es, dass nach Schulschluss durch "geeignete Aufsichtsmaßnahmen" dafür gesorgt werden solle, dass Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden: "Wo sollen diese Personalressourcen herkommen? Wer setzt das um?", lautet die Frage des Praktikers

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