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Delegierte halten auf der Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen Berlin ihre Stimmzettel hoch. Im Mittelpunkt des Parteitags im Stadtteil Moabit steht die Klimapolitik.

© picture alliance/dpa/Monika Skolimowska

„Niemand versteht unsere Lösungen“: Berlins Grüne hadern mit ihrer Strategie

Auf ihrem Landesparteitag üben die Berliner Grünen scharfe Kritik an CDU und SPD. Die Politik des Senats verspiele Berlins Zukunft. Doch in der Partei beginnt der Kampf um die eigene Strategie.

| Update:

Bei den Berliner Grünen beginnt die Aufarbeitung der verlorenen Abgeordnetenhauswahl und die Suche nach einer neuen Strategie. Auf dem Landesparteitag der Grünen am Samstag in Moabit äußerte sich die Landesvorsitzende Susanne Mertens kritisch über den vergangenen Abgeordnetenhauswahlkampf der Partei.

Die Menschen auf dem Weg der Veränderung mitzunehmen, sei nicht immer gelungen, sagte sie. „Das liegt auch daran, weil wir nicht gut genug zugehört haben.“

Ähnlich äußerten sich andere Parteivertreter in der Aussprache. „Wir können nicht leugnen, dass es für uns enttäuschend war“, sagte das aus Spandau stammende Landesvorstandsmitglied Dara Kossok-Spieß. Um die Stärke der CDU am Stadtrand aufzubrechen, müssten auch die Grünen in ihren Köpfen aufbrechen.

Außerhalb der grünen Blase versteht niemand unsere Lösungen.

Philipp Preisleben, Kreisvorstandsmitglied der Grünen Spandau, zum vergangenen Wahlkampf der Partei

Dazu brauche man in den kleinen Kreisverbänden am Stadtrand die personelle Hilfe aus der Innenstadt. Zugleich müssten die starken Innenstadtverbände der Grünen von den Perspektiven des Stadtrands lernen: „Wir brauchen einen Austausch zu unterschiedlichen Lebensrealitäten. So wenig wie innerhalb des Rings alle Fahrrad fahren, fahren bei uns alle SUV.“

Auch die frühere Bundesministerin Renate Künast aus dem Kreisverband Tempelhof-Schöneberg forderte einen anderen Austausch mit den Bürgern. „Wir müssen sehen, dass die Menschen Ängste haben, die auch real sind.“ Man müsse herausgehen und mit ihnen über Konzepte sprechen. „Die Menschen merken, wenn wir nicht offen sind.“

Kritik am neuen Senat, Kritik auch am eigenen Wahlkampf: die grüne Landesvorsitzende Susanne Mertens auf der Delegiertenkonferenz.

© dpa/Monika Skolimowska

Am deutlichsten wurde Philipp Freisleben aus dem Spandauer Kreisvorstand: „Außerhalb der grünen Blase versteht niemand unsere Lösungen.“ Wenn die Partei die ganze Stadt gewinnen wolle, müssten die Lösungen in der ganzen Stadt verstanden werden und in der ganzen Stadt funktionieren, sagte er.

Grüne sehen eigene Fehler im Wahlkampf

Freisleben kritisierte, dass die Grünen im Wahlkampf pauschal davon sprachen, Parkplätze und Autos in der Stadt reduzieren zu wollen, ohne ausreichend Alternativen zu benennen. „Wir machen es unseren Konkurrenten viel zu leicht, uns als ideologiegetrieben und radikal darzustellen.“

Haben wir im Wahlkampf Fehler gemacht, habe ich im Wahlkampf Fehler gemacht? Ja, das würde ich ohne Umschweife sagen.

Grüne-Fraktionschef Werner Graf zum Abgeordnetenhauswahlkampf der Grünen

Das war wohl eine Anspielung auf Grünen-Fraktionschef Werner Graf. Er hatte im Wahlkampf gesagt, er wolle die Zahl der Parkplätze halbieren. Graf zeigte sich anschließend selbstkritisch. „Haben wir im Wahlkampf Fehler gemacht, habe ich im Wahlkampf Fehler gemacht? Ja, das würde ich ohne Umschweife sagen.“

Es reiche allerdings nicht, einen Halbsatz wegzulassen. „Wir haben Menschen, die Angst haben, dass sie bei dieser Transformation, die für uns so glitzernd aussieht, auf der Strecke bleiben. Unsere Verantwortung wird es sein, diese Menschen mitzunehmen.“

Die Berliner Grünen hatten bei der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus leicht verloren und waren auf 18,2 Prozent der Stimmen gekommen. Das eigentliche Ziel, das Rote Rathaus zu erreichen, haben sie klar verfehlt. Nachdem sich CDU und SPD für ein Bündnis entschieden hatten, mussten die Grünen nach sechs Jahren in der Regierung den Senat verlassen.

Grüne werfen Schwarz-Rot Verantwortungslosigkeit beim Klimaschutz in Berlin vor

Der neuen schwarz-roten Koalition in Berlin warfen die Grünen mangelnde Maßnahmen beim Klimaschutz und zu geringen Veränderungswillen vor. „Wer angesichts der Klimakrise nur den Status quo beschwört, vollzieht in Wahrheit die Rolle rückwärts. Berlin verliert durch die neue Koalition jede Menge Zeit“, sagte die Landesvorsitzende Susanne Mertens.

Statt Mut zur Veränderung und eine Politik für alle gebe es unter Schwarz-Rot „reine Klientelpolitik“, kritisierte sie. Wenn in der neuen Regierung von Klimaschutz die Rede sei, handele es sich dabei nur um hohle Phrasen, da CDU und SPD erklärten, dass sich dafür nichts an der Lebensweise ändern müsse. „Es ist verantwortungslos, den Menschen Sand in die Augen zu streuen, und es ist gefährlich“, sagte Mertens.

CDU und SPD hätten eine Koalition gebildet, die sich nur auf Minimalkompromisse verständigt habe. „Eine Koalition, die sich in allen relevanten Fragen nur im kleinsten Nenner einig ist, lässt nicht auf viel hoffen.“

Ich möchte, dass wir 2026 die Kraft in Berlin sind, an der niemand mehr vorbeikommt, der diese Stadt mitgestalten will.

Grünen-Landeschefin Susanne Mertens

Mertens kritisierte neben der Klima- unter anderem die Bildungspolitik. Dort mache die neue Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) genau dort weiter, wohin die SPD die Berliner Schulen in den vergangenen Jahrzehnten geführt habe. Dort wie in der Verkehrspolitik stehe „der Rückschritt bei Schwarz-Rot Pate“, sagte die Landesvorsitzende.

Umso wichtiger sei es, dass die Grünen in einer Zeit der Veränderungen vorangingen, da es sonst niemand mache, erklärte sie. „Ich möchte, dass wir 2026 die Kraft in Berlin sind, an der niemand mehr vorbeikommt, der diese Stadt mitgestalten will.“

Grüne zeigen Verständnis für Protest der „Letzten Generation“

Der beschlossene Leitantrag fordert, die Maßnahmen beim Klimaschutz in Berlin zu beschleunigen. Die Fraktionsvorsitzende und ehemalige Senatorin Bettina Jarasch (Grüne) kritisierte, dass CDU und SPD in dieser Hinsicht planlos agierten.

„Was bleibt, ist die Ankündigung, irgendwie ganz viel Geld für Klimaschutz ausgeben zu wollen. Milliarden, von denen weder klar ist, wo sie herkommen sollen, noch wofür sie eingesetzt werden sollen“, sagte Jarasch.

Die Berliner Grünen debattierten zudem über ihre Haltung zu den Protesten der Gruppe „Letzte Generation“. Es sei „verständlich, dass die Letzte Generation mit zivilem Ungehorsam Aufmerksamkeit für den Klimaschutz generiert“, heißt es im noch vor dem Parteitag intern geeinten Antragsentwurf, der letztlich von einer Mehrheit der Delegierten angenommen wurde.

Zwar sehe und bedauere man, dass insbesondere die Sitzblockaden großer Straßen „ein Ärgernis für viele Berliner*innen“ sei. Zugleich sehe man in den Protesten jedoch auch einen Ausdruck von Verzweiflung und Ohnmacht der Klimaaktivisten.

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