zum Hauptinhalt
Studenten nehmen an einer Kundgebung für Palästina mit einem schild “Freiheit für Palästina!”an der FU Berlin teil. +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Fabian Sommer

Proteste, Schmierereien, Beiträge in Chatgruppen: Antisemitismus an Berliner Hochschulen – Exmatrikulationen gefordert

Der Hamas-Terrorangriff auf Israel und seine Folgen wirken sich auch auf das Klima an Berlins Hochschulen aus. Was tun diese – und was würden sich jüdische Studierende wünschen?

Angesichts anti-israelischer und antisemitischer Vorfälle an Hochschulen hat die Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion, Hanna Veiler, Exmatrikulationen gefordert. „Es gibt kaum Konsequenzen für solche Studentinnen und Studenten. Antisemiten müssen exmatrikuliert werden“, sagte sie im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur.

Auf dpa-Anfrage zur Entwicklung seit dem 7. Oktober – dem Tag des Hamas-Angriffs auf Israel – berichten mehrere Hochschulen von Vorfällen. Es gibt demnach etwa mehr Schmierereien mit antisemitischem Inhalt und/oder Flugblätter, in denen beispielsweise zum Protest oder zu Demos aufgerufen werde. Eine Uni nannte den Ton aggressiv.

Hinzu kommen zahlreiche Protestaktionen. Neben einer Reihe von Kundgebungen im Campusumfeld erwähnt die Freie Universität (FU) etwa auch drei pro-palästinensische Flashmobs in Uni-Räumlichkeiten.

Die FU stellte nach eigenen Angaben mehrere Strafanzeigen, die meisten davon – 20 – wegen Hausfriedensbruchs im Zusammenhang mit einer Hörsaalbesetzung Mitte Dezember. Deren Ziel war laut der Gruppe „FU Students for a Free Palestine“, „ein sicheres Umfeld zum Lernen, zum Austausch und zur Vereinigung gegen den anhaltenden Völkermord zu schaffen“. Die Kritik mancher Protestgruppen richtet sich auch gegen eine als einseitig empfundene Solidarisierung von Hochschulen mit Israel.

Antisemitismus ist kein Phänomen der Vergangenheit, wir brauchen ein Handeln, das auf das Hier und Jetzt ausgerichtet ist.

Hanna Veiler, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias) hat zwischen 7. Oktober und 9. November neun Vorfälle an Hochschulen oder im Hochschulkontext dokumentiert und prüft weitere, wie es auf Anfrage hieß. Daher müssten die Zahlen als vorläufig betrachtet werden.

Bei den bisher erfassten Fällen geht es laut Rias mehrheitlich um israelfeindliche Plakate, Flyer und Aufrufe, aber etwa auch um antisemitische Posts in Studierenden-Chatgruppen oder auf der Social-Media-Seite der Hochschule.

Laut Rias wird auf den Plakaten/Flyern und in den Online-Posts das Existenzrecht Israels in Frage gestellt, Israel dämonisiert oder das Handeln der israelischen Regierung mit der Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus gleichgesetzt.

Veiler: So wie bisher geht es nicht weiter

„Schon 2014 und 2021 ist der Antisemitismus als Antwort auf Kriege zwischen Israel und der Hamas an den Universitäten aufgeflammt. Das Ausmaß seit dem 7. Oktober wäre für uns aber unvorstellbar gewesen“, sagte die Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion. „Wir können jetzt nicht mehr so weiter machen wie vorher.“ Die Eskalationen jetzt zeigten bisherige Versäumnisse auf, so Veiler. Sie forderte eine Strategie gegen islamistische Gruppierungen an Universitäten.

Zudem sei ein Umdenken bei der Antisemitismusbekämpfung notwendig: „Antisemitismus ist kein Phänomen der Vergangenheit, wir brauchen ein Handeln, das auf das Hier und Jetzt ausgerichtet ist“, so Veiler.

Viele Studentinnen und Studenten wähnten sich auf der richtigen Seite der Geschichte, indem sie die Welt in Unterdrückte und Unterdrücker einteilten – auf den Konflikt im Nahen Osten treffe das aber nicht zu. „Viele Internetquellen zum Beispiel in den sozialen Medien sind nicht gut, aber darüber informieren sich auch viele Studentinnen und Studenten.“ Wenn eine große Bewegung aufflamme, würden viele mitlaufen, ohne es vorher groß zu hinterfragen, so Veiler.

Was die Berliner Hochschulen bisher unternehmen

Manche Hochschulen bieten etwa Sensibilisierungsworkshops und weitere Kurse für Lehrende, Verwaltungsmitarbeiter und Studierende an oder planen dies, wie es auf Anfrage hieß. Einige verschickten Rundmails, legten Stellungnahmen vor, luden zu Gesprächen. Auch hieß es, dass Wachschutz und Hausmeister sensibilisiert würden, etwa um bei Vorfällen schnell einzugreifen oder Schmierereien schnell zu tilgen. Mehrere der angefragten Hochschulen betonen, in engem Austausch mit jüdischen Hochschulangehörigen zu stehen.

Teils wurden spezielle Anlaufstellen geschaffen oder es wird auf schon bestehende hingewiesen, dazu gehören etwa psychologische Beratungsangebote. Die FU hat nach eigenen Angaben kürzlich einen Antisemitismusbeauftragten eingesetzt. Die Humboldt-Universität (HU) gab an, derzeit ein Antidiskriminierungs- und Diversitätsbüro aufzubauen.

UDk-Präsident will konsequent handeln

Der Präsident der Universität der Künste, Norbert Palz, will künftig eine bessere Diskurskultur etablieren, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Wichtig sei, jüdischen Studierenden wieder ein Gefühl der Sicherheit zu geben.

Angesichts möglicher künftiger Proteste sagte Palz, er sehe dafür keine Pauschallösungen: „Es ist immer auch ein Abwägen.“ Mit dem Alarmieren der Polizei oder mit Hausverboten seien Konflikte nicht dauerhaft zu lösen. Palz sicherte aber konsequentes Handeln zu. Bilder wie die einer vielfach als antisemitisch gewerteten Aktion von Studierenden im November dürften sich nicht wiederholen.

Mit dem Nahost-Konflikt verwandte Inhalte sollen nach Palz' Willen künftig stärker an der UdK verhandelt werden: Lehrende könnten nun passende Seminarideen für die Zeit ab dem Sommersemester 2024 vorschlagen. Auch eine Ringvorlesung solle helfen, den Diskurs zu verbessern.

Angesichts der Proteste an der UdK sagte Palz, es brächen sich dabei auch Wut und Frustration Bahn, die es schon länger gebe. Nach Protesten im Jahr 2020 zum Thema Antirassismus und Diskussionen um Polizei- und Systemgewalt habe es zwar Gespräche und Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung gegeben, aber die systemkritische Grundstimmung komme noch daher. „Und da kommt nun der Gaza-Krieg hinzu.“ Bedenken müsse man zudem, dass es bei Kunst immer auch um Gefühle gehe. „Und durch diese Emotionalisierung entsteht nochmal ein besonderer Drall.“ (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false