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Wähler auf dem Weg zur Stimmabgabe anlässlich der Bundestagswahl, der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und der Abstimmung über das Volksbegehren in einem Wahllokal in Berlin-Prenzlauer Berg.

© imago images/Seeliger / Foto: imago images/ T. Seeliger

Update

Berliner Pannen-Wahl 2021: Verfassungsgericht verhandelt über die Gültigkeit der Berliner Wahl

Gut ein Jahr nach der von Pannen überschatteten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus überprüft der Verfassungsgerichtshof am Mittwoch deren Gültigkeit.

| Update:

Vor der Verhandlung des Berliner Landesverfassungsgerichtshofes an diesem Mittwoch über eine mögliche Wahlwiederholung steigt in der Landespolitik die Nervosität. Dabei kann auch das Urteil der Berliner Verfassungsrichter zur Abgeordnetenhauswahl noch einmal vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden. Denn der Weg einer Verfassungsbeschwerde steht den Verfahrensbeteiligten offen. Das bestätigte eine Gerichtssprecherin am Dienstag dem Tagesspiegel.

Aus der Berliner Innenverwaltung war zuvor bekannt geworden, dass das Gericht seine Entscheidung womöglich noch vom Bundesverfassungsgerichtshof überprüfen lassen könnte, wenn es von der bisherigen Rechtsprechung deutlich abweicht. Man spricht hier von einer sogenannten „Divergenzvorlage“, die das Gericht selbst anordnen könnte.

Aus Sicht der Rechtsexperten der Innenverwaltung dürfte das Festhalten an bisheriger Rechtsprechung nur zu einer Wahlwiederholung in drei Wahlbezirken führen – hier hatten Innenverwaltung und Landeswahlleitung selbst Einspruch eingelegt. Diese Einsprüche werden am Mittwoch neben dem der AfD und von „Die Partei“ vom Verfassungsgerichtshof verhandelt. Die AfD fordert eine komplette Wahlwiederholung in ganz Berlin.

Allerdings wird die Rechtssicht des Senats über die mögliche Notwendigkeit des Gangs nach Karlsruhe nicht überall geteilt. So wurde am Dienstag aus Justizkreisen drauf hingewiesen, dass eine Divergenzvorlage nur für den Fall nötig sei, wenn das Gericht das Grundgesetz auslegt. So steht es im Grundgesetz. Das soll bei einem Wahlprüfungsverfahren aber nicht der Fall sein, weil es nicht um das Auslegen des Grundgesetzes geht, sondern um Vorgaben des Wahlrechts. Auch dieser Weg nach Karlsruhe ist also juristisch umstritten.

Wie nervös die Berliner Politik kurz vor dem Verfahren ist, zeigten am Dienstag die politischen Reaktionen der Landespolitik auf die Sichtweise der Innenverwaltung. „Die Ankündigungen der Innenverwaltung sind mit uns nicht abgesprochen und aus Grüner Sicht auch völlig überflüssig“, sagte Grünen-Landeschef Philmon Ghirmai am Dienstag. „Das Verfassungsgericht braucht keine Tipps und gar Mahnungen seitens der Politik. Ich wünsche mir hier mehr Demut von den Verantwortlichen, auch angesichts der Rolle der Innenverwaltung bei den letzten Wahlen.“

Das Verfassungsgericht braucht keine Tipps und gar Mahnungen seitens der Politik. 

Philmon Ghirmai, Landesvorsitzender der Grünen

Auch CDU-Generalsekretär Stefan Evers kritisierte die Einlassungen aus der Innenverwaltung scharf. Evers sagte dem Tagesspiegel: „Bei aller verständlichen Panik vor einer möglichen Wiederholungswahl: Die SPD muss aufhören, unzulässig Druck auf das Verfassungsgericht auszuüben.“ Die Richter würden frei und unabhängig entscheiden, ob und in welchem Umfang es Wiederholungswahlen in Berlin geben muss.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) war deshalb nach der Sitzung des Senats um Ruhe bemüht. Es gehe darum, zur Aufklärung beizutragen und dafür zu sorgen, dass die kommenden Wahlen besser laufen, sagte sie. Zu einer möglichen Anfechtung der Entscheidung des Landesverfassungsgerichtshofs sagte Giffey: „Dazu gibt es keine Positionierung des Senats.“ Auch die Innenverwaltung widersprach dem Eindruck, ein Urteil des Gerichts anfechten zu wollen: Dazu habe man sich nicht geäußert.

Bei der Verhandlung am Mittwoch wird das Gericht eine erste Einschätzung der Lage abgeben. Verfassungsgerichtspräsidentin Ludgera Selting wird die Verhandlung eröffnen. Dann haben die Beschwerdeführer und mehr als 200 Verfahrensbeteiligte das Recht auf Gehör. Wie lange die Verhandlung dauert, ist völlig offen. Ein zweiter Verhandlungstag ist nicht geplant. Eine Entscheidung schon am Mittwoch ist sehr unwahrscheinlich. Spätestens drei Monate nach der Verhandlung muss aber entschieden sein, in welchem Umfang die Wahl wiederholt wird.

Spätestens 90 Tage später muss die Wahl wiederholt werden. Auf Bundesebene wird am Donnerstag ein Beschluss des Wahlprüfungsausschusses zur Bundestagswahl erwartet. Der Bundestag soll im Oktober darüber abstimmen. Dass die beiden Wiederholungswahlen gleichzeitig stattfinden können, gilt als sehr unwahrscheinlich. Auch wegen der möglichen Beteiligung der Karlsruher Richter.

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