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Iris Spranger (SPD), Berliner Senatorin für Inneres, Sport und Digitalisierung.

© dpa/Fabian Sommer

Nach pro-palästinensischer Demo: Berliner Innensenatorin verteidigt Reform des Versammlungsgesetzes

CDU und SPD wollen den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ wieder in das Versammlungsfreiheitsrecht einführen. Dies stütze die „Gewährleistung der Sicherheit in Berlin“.

Angesichts der israelfeindlichen Kundgebung, die am Karsamstag von Neukölln nach Kreuzberg gezogen war, hat Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) die von CDU und SPD geplante Reform des Versammlungsfreiheitsgesetzes und die Wiedereinführung des Begriffs „öffentliche Ordnung“ verteidigt.

„Nicht nur mit Blick auf die Versammlung am vergangenen Wochenende schafft der Begriff der ‚öffentlichen Ordnung‘ einen größeren Handlungsrahmen“, sagte Spranger dem Tagesspiegel. „Gerade mit Blick darauf, dass Berlin als Bundeshauptstadt förmlich Brennpunkt des politischen und gesellschaftlichen Austauschs – auch in Form von Versammlungen – ist, stützt die Wiedereinführung im Versammlungsfreiheitsgesetz die Gewährleistung der Sicherheit in Berlin.“

SPD, Linke und Grüne hatten den Begriff „öffentliche Ordnung“ nicht in das 2021 neu verabschiedete Versammlungsfreiheitsgesetz übernommen. Nun wollen CDU und SPD, sollte die Koalitionsbildung erfolgreich sein, ihn wieder aufnehmen.

Das Bundesverfassungsgericht definiert „öffentliche Ordnung“ als die jeweils herrschenden „sozialen und ethischen Anschauungen“ auf Grundlage des Grundgesetzes, die unabdingbar für ein geordnetes Zusammenleben sind. Generell kann laut Rechtsprechung des Gerichts nur die Art und Weise einer Versammlungsdurchführung auf Grundlage der „öffentlichen Ordnung“ beschränkt werden. So können beispielsweise Neonazi-Aufmärsche nicht pauschal, jedoch an bestimmten Tagen und Orten verboten werden.

Auch der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ ist an seine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung gebunden.

Iris Spranger, Innensenatorin

Ob die israelfeindliche Demo am Sonnabend dadurch hätte beschränkt werden können, ist zweifelhaft. Bei volksverhetzende Äußerungen kann die Polizei schon jetzt aufgrund der „öffentlichen Sicherheit“ Versammlungen beschränken.

Aktuell sieht das Versammlungsfreiheitsgesetz anstellte des Begriffs „öffentlicher Ordnung“ eine Reihe konkreter Anwendungsfälle vor, die eine Beschränkung, ein Verbot oder eine Auflösung einer Versammlung begründen. Inwieweit sich der Spielraum der Polizei durch die Wiedereinführung des Begriffs erweitern würde, ist offen.

Kritiker befürchten, damit könnte eine Einschränkung des Versammlungsrechts einhergehen. Innensenatorin Spranger sagte dem Tagesspiegel: „Auch der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ ist an seine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung gebunden.“

SPD-Innenpolitiker: Polizei braucht Instrumente gegen Verfassungsfeinde

Auch der SPD-Innenexperte Tom Schreiber verteidigte die geplante Reform, ohne sie explizit mit der Kundgebung an Karsamstag in Verbindung zu bringen. „Die Polizei braucht Instrumente, um etwa Personen im Vorfeld auf verfassungsfeindliche Symbole zu kontrollieren“, sagte Schreiber, der für die SPD den Koalitionsvertrag mit ausgehandelt hat, dem Tagesspiegel.

Als Beispiel nannte er das Mitführen von Reichskriegsflaggen. „Wir wollen weiterhin ein versammlungsfreundliches Gesetz. Aber wir müssen auch gegen die Personen vorgehen können, die unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit die freiheitlich-demokratische Grundordnung angreifen.“

Unterdessen erfuhr der Tagesspiegel, dass der Verfassungsschutz sich mit der Gruppe „Samidoun“, die am Karsamstag zu der Kundgebung aufgerufen hatte, auseinandersetzt. Die Gruppe taucht zwar nicht im aktuellen Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2021 auf. Dennoch schätze man „Samidoun“ als der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ nahestehend ein.

Die Polizei hatte am Sonntag von einem störungsfreien Verlauf der Demonstration gesprochen. Am Dienstag war auf Nachfrage von einem Missverständnis die Rede. Nach aktuellem Stand ermittelt die Polizei bislang nur gegen einen Demonstranten, der „Tod den Juden“ gerufen haben soll. Die Polizei hat davon nach Angaben einer Sprecherin erst am Sonntag durch ein Video der Dokumentationsstelle Democ erfahren und dann von selbst Strafanzeige gestellt.

Alle anderen israelfeindlichen und gewaltverherrlichenden Parolen seien nach bisherigem Stand strafrechtlich nicht relevant, sagte eine Polizeisprecherin am Dienstag. Daher seien der Dolmetscher der Polizei und die Einsatzkräfte bei der Demonstration nicht eingeschritten.

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