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Die Humboldt-Universität, im Bild das Hauptgebäude.

© imago/Seeliger

„Mit dem Kopf durch die Wand“: Parlamentspräsident verteidigt umstrittenes Berliner Hochschulgesetz

Die Verfassungsrichter befassen sich mit der in Berlin vorgeschriebenen Entfristung wissenschaftlicher Mitarbeiter. Nun ignoriert der Parlamentspräsident seine eigenen Experten.

Der Präsident des Abgeordnetenhauses Dennis Buchner (SPD) will in der Frage, ob das neue Hochschulgesetz verfassungswidrig sein könnte, hart und auf Linie der rot-grün-roten Koalition bleiben. Wie Buchner nun angekündigt hat, will er das strittige Gesetz in einer Stellungnahme an den Berliner Verfassungsgerichtshof verteidigen – trotz massiver Zweifel der betroffenen Hochschulen und auch des eigenen wissenschaftlichen Dienstes im Abgeordnetenhaus. Und obwohl die Regierungskoalition wegen einer Beschwerde der Humboldt-Universität vor dem Bundesverfassungsgericht dasselbe Schicksal ereilen könnte wie beim grundgesetzwidrigen Mietendeckel.

Am Mittwoch befasste sich der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses mit der Normenkontrollklage gegen das neue Hochschulgesetz. CDU und FDP drängten darauf, dass das Abgeordnetenhaus eine eigene Stellungnahme zu der Normenkontrollklage abgibt – und dabei die Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments berücksichtigt.

Konkret geht es um einen Passus in der kurz vor der Abgeordnetenhauswahl 2021 von der Koalition durchgesetzten Novelle des Hochschulgesetzes. Der sah vor, dass bestimmte wissenschaftliche Mitarbeiter nach der Promotion an den Hochschulen eine unbefristete Stelle bekommen. Ende Oktober 2021 trat wegen der Frage der Postdoktoranden sogar die damalige HU-Präsidentin Sabine Kunst aus Protest zurück. Die Vorgaben seien von den Universitäten finanziell und strukturell so nicht umzusetzen.

Vorgabe etwas aufgelockert

Einige Wochen später hieß es im neuen Koalitionsvertrag, dass das Gesetz präzisiert werden solle. Das Abgeordnetenhaus lockerte die Vorgabe dann im Juni etwas auf – angeblich „mit Blick auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung“, wie der Parlamentspräsident nun dem Rechtsausschuss erklärte. Er will deshalb in seiner Stellungnahme zur Klage der Opposition die neuen Vorgaben verteidigen.

Parlamentspräsident Dennis Buchner im Berliner Abgeordnetenhaus.

© Foto: TSP/Doris Spiekermann-Klaas

Dabei hatte sich der Wissenschaftliche Parlamentsdienst des Abgeordnetenhauses bereits in zwei Gutachten festgelegt: Die Hochschulen blieben zur Schaffung unbefristeter Arbeitsverhältnisse verpflichtet, auch die Novelle der Novelle dürfte verfassungswidrig sein.

Aufgezählt werden vom Wissenschaftlichen Dienst die Beeinträchtigung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Verletzung der Hochschulen in ihrem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit und fehlende Gesetzgebungskompetenz, weil der Bund arbeitsrechtlich mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz bereits alles geregelt habe. So habe der Bund entgegen der Berliner Regelung eine Fluktuation des wissenschaftlichen Personals gewollt, weil dies für die Leistungsfähigkeit der Hochschulen nötig sei.

Die Rechtswidrigkeit ist absehbar, am Ende muss dann wieder das Verfassungsgericht entscheiden.

Alexander J. Herrmann, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

Ähnlich argumentiert auch die Humboldt-Universität in ihrer Beschwerde in Karlsruhe. Sie will vom Bundesverfassungsgericht klären lassen, ob Berlin „seine Gesetzgebungskompetenz überschritten hat“.

Die CDU-Fraktion nannte Buchners Vorgehen einen „außergewöhnlichen Vorgang“. Gemeinsam mit der FDP wollten die Christdemokraten nun eine eigene Stellungnahme des Rechtsausschusses und des Plenums erzwingen. Doch die Regierungskoalition lehnte das in der Sitzung des Rechtsausschusses am Mittwoch ab, ebenso die Forderung der FDP, dass Buchner auf eine Stellungnahme beim Verfassungsgerichtshof verzichten solle.

„Trotz der im Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes festgestellten Verfassungswidrigkeit wollen der Präsident und die rot-grün-rote Koalition beim Hochschulgesetz erneut mit dem Kopf durch die Wand“, sagte CDU-Rechtsexperte Alexander J. Herrmann. „Die Rechtswidrigkeit ist absehbar, am Ende muss dann wieder das Verfassungsgericht entscheiden.“ Der Parlamentspräsident müsse sich nicht aufs Glatteis begeben, indem er Koalitionspolitik mache.

Aus dem Abgeordnetenhaus hieß, Buchner habe das Gesetz nach Prüfung auf formale Fehler im Gesetzgebungsverfahren unterschieben und ausgefertigt. Die Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes seien eine juristische Meinung, der Parlamentspräsident hingegen gebe vor dem Verfassungsgerichtshof mit seiner Stellungnahme den Willen des Gesetzgebers wieder. Linke-Rechtsexperte Sebastian Schlüsselburg sprach von einem völlig normalen Vorgang und wies die Forderung der Opposition entschieden zurück.

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