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Das Sozialamt in Neukölln ist seit Wochen überlastet und hatte in letzter Zeit stark reduzierte Öffnungszeiten.

© Foto: Mario Heller

Mehr als 200 offene Stellen: Berlins Sozialämter finden kein Personal und sind finanziell unattraktiv

Der Mangel an Fachkräften trifft auf eine ohnehin hohe Arbeitsbelastung in den Ämtern. Im Sozialamt Tempelhof-Schöneberg ist fast jede vierte Stelle unbesetzt.

Berlins Sozialämter leiden weiterhin unter Personalnot und Fachkräftemangel. Insgesamt waren in den Ämtern, die den Bezirken unterstehen, zum Ende des Jahres mindestens 227 Stellen unbesetzt. Das geht aus einer schriftlichen Anfrage des Grünen-Abgeordneten Taylan Kurt an die Senatssozialverwaltung hervor.

Die meisten offenen Stellen gibt es demnach im Sozialamt von Tempelhof-Schöneberg. Hier sind 68 von 284 Stellen und damit fast jede vierte Stelle unbesetzt. Es folgen Charlottenburg-Wilmersdorf mit 42 und Mitte mit 36 offenen Stellen. Spandau gab als einziger Bezirk an, derzeit keine Vakanzen zu haben.

Aus den Bezirken Lichtenberg und Pankow kamen keine Angaben. Letzterer teilte auf die Frage des Grünen-Abgeordneten Kurt mit: „Die alleinige Aussage, wie viele Stellen unbesetzt sind, ist aus unserer Sicht nicht aussagekräftig. Hoher Krankenstand, Beteiligung an Personalvertretungen oder Fluktuation führen in einigen Bereichen des Sozialamtes immer wieder zu offenen Stellen.“ Hinzu komme ein berlinweiter Fachkräftemangel.

Kein geeignetes Personal oder finanziell unattraktiv

Die Bezirksverwaltungen trifft dieser Fachkräftemangel besonders stark. Der Bezirk Mitte etwa schreibt: „Es wird für das Bezirksamt immer schwieriger, freie Stellen zu besetzen, da diese – in der Konkurrenz zu anderen Stellenangeboten in der Verwaltung – finanziell nicht attraktiv sind oder geeignetes Fachpersonal fehlt.“

Überraschend sind die Zahlen nicht. Seit Jahren haben die Bezirke Probleme, ausgeschriebene Stellen in ihren Verwaltungen zu besetzen. Zur Mitte des Jahres 2022 waren in allen Bezirksverwaltungen 2860 und damit 11,4 Prozent aller Vollzeitstellen unbesetzt. Zwei Jahre zuvor lag die Quote sogar bei 12 Prozent.

Der Personalmangel verstärkt die ohnehin hohe Arbeitsbelastung der Sozialämter. Sie sind unter anderem für die Grundsicherung im Alter, für die Hilfe zur Pflege sowie für Obdachlosenhilfe und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständig. Auch für die Ausstellung des Nachfolgers des Berlinpasses, mit dem unter anderem Sozialhilfeempfänger vergünstigte Leistungen wie das Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr beziehen können, sind seit Kurzem die Sozialämter verantwortlich.

Vor zwei Wochen schrieben alle zwölf Bezirksstadträte für Soziales parteiübergreifend einen Brandbrief an die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Ihre Mitarbeiter:innen würden „an der absoluten Kapazitätsgrenze“ arbeiten, hieß es in dem Schreiben. Seit Jahren seien „die Berliner Leistungsbehörden im Krisenmodus“.

Neben der Versorgung der zahlreichen ukrainischen Geflüchteten, die bis Juni 2022 ausschließlich über das Asylbewerberleistungsgesetz Anspruch auf Sozialleistungen hatten, würde die Zuständigkeit für den Berlinpass-Nachfolger die Sozialämter nun vollends überlasten.

Einige Ämter hatten ihr Öffnungszeiten in den vergangenen Wochen eingeschränkt, um den Antragsstau zu begegnen. Das Sozialamt Neukölln etwa setzte die Sprechzeiten für 14 Tage aus. Eine Reaktion auf den Brandbrief der Sozialstadträte blieb nach Tagesspiegel-Informationen bislang aus.

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