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Sag mir, wo Marlene ist: Die Dietrich in Pose.

© John MACDOUGALL / AFP

„Madame Tussauds“ öffnet wieder: Wo Marlene Dietrich und David Bowie in Berlin zu sehen sind

Promis in Schöneberg: Zur Wiedereröffnung von Madame Tussauds werden Wachsfiguren am kommenden Sonntag an ihren Originalschauplätzen zu sehen sein.

Wer diesen Sonntag zwischen 11 und 13 Uhr durch Schöneberg spaziert, könnte einiger unverhoffter Prominenz begegnen: David Bowie, John F. Kennedy, Marlene Dietrich, Nina Hagen und Udo Lindenberg sind in ihren alten Kiezen zu Besuch. Sorgen um die eigenen Sinne muss sich bei ihrem Anblick niemand machen, es handelt sich nämlich um originalgetreue und lebensechte, aber eben nicht lebendige Wachsfiguren.

Zum Dahinschmelzen, vor allem bei den vom Wetterdienst angekündigten Temperaturen. An ihren Standorten werden Faltblätter mit den Standorten aller anderen Figuren und einem Routenvorschlag verteilt, für all diejenigen, die sich keine der Erscheinungen entgehen lassen möchten.

Anlass der Aktion: Am 23. Juni öffnet das Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds wieder seine Türen. Den Lockdown hat man für den „größten Umbau aller Zeiten“ genutzt, 200 Quadratmeter Ausstellungsfläche umgestaltet, 20 Figuren neu angefertigt oder neu inszeniert und sich ein neues Thema gesetzt: „Berlin 100! Von den goldenen Zwanzigern zur Stadt der Freiheit“. Das Programm sei eine „Liebeserklärung an die Hauptstadt“, erklärt Marketingleiter Ulf Tiedemann.

Schließlich habe Berlin zahlreiche Berühmtheiten hervorgebracht, „schöne und nicht so schöne“ Momente erlebt, die es zu feiern, zu würdigen und zu erzählen gelte. Insbesondere die Popkultur spiele in der Ausstellung eine große Rolle. „Wir starten in den Zwanzigern und gehen dann durch wichtige Momente der Berliner Geschichte bis zur Gegenwart.“

Vor allem queere Themen würden hervorgehoben, so gebe es in der Ausstellung einen Truck vom Christopher Street Day, auf dem Besucher:innen ganzjährig Selfies schießen könnten. Berlin als Ikone von Toleranz und Freiheit, das wolle man vermitteln.

Stadtspaziergang mit Klamauk und Glamour

Einige Pressevertreter konnten die schöneberger Tour schon letzten Dienstagabend vorab begehen. Moritz Piefke, bühnenerfahrener Entertainer und Showmixer, gab mit der Neuköllner Kneipenwirtin und West-Berlin-Expertin Jutta Hartmann ein klamaukig-glamouröses Tourguide-Duo.

Die erste Station: Marlene Dietrich. Die Grande Dame in jungen Jahren, inszeniert in lasziver Pose auf einem Barhocker in der Leberstraße 65. Hier kam die Dietrich 1901 zur Welt, erhielt ihre ersten Klavier- und Geigenstunden und beschloss, Filmschauspielerin zu werden. Von Dietrichs gut dokumentiertem Lebensalltag oder interessanten Anekdoten aus der Zeit erfährt man leider nichts. Stattdessen gibt es einen Marlene-Lookalike-Contest: Auf einem Barhocker neben Marlene nehmen nacheinander drei Personen Platz, mit Hut, Federboa und Zigarettenspitze geschmückt, und stellen die Pose der Zwanzigerjahre-Ikone nach.

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Zweite Station ist das Rathaus Schöneberg, wo John F. Kennedy 1963 seine berühmte „Ich bin ein Berliner“-Rede hielt. Jutta Hartmann berlinert als Jackie O’ über den Begriff des Berliners – zur Vergegenwärtigung von Kennedys Botschaft werden Berliner, also Pfannkuchen, verteilt. Der Mitmachteil: Kennedys entscheidendes Redefragment möglichst staatsmännisch vortragen.

„Der Typ von Tangerine Dream“

Dritte Station schließlich ist ein vor dem Plattenladen Dodo Beach in der Vorbergstraße 8 aufgestellter David Bowie im endgeilen Endsiebziger-Kostüm. Bowie wohnte, bevor er 1976 seine Wohnung in der Hauptstraße 155 bezog, bei „dem Typen von der Band Tangerine Dream — damals wohl ne große Nummer,“ erklärt Piefke. Dass „der Typ“ Edgar Froese hieß und sein Sound bis heute weltweit in der elektronischen wie in Bowies Musik nachhallt, erfährt man bei diesem Spaziergang nicht. „Das Haus, in dem Bowie wohnte, sieht man jetzt auch nicht, aber macht nichts, das da sieht so ähnlich aus,“ erklärt der Tourguide.

Rückkehr. Die David-Bowie-Figur vor dem Plattenladen Dodo Beach.
Rückkehr. Die David-Bowie-Figur vor dem Plattenladen Dodo Beach.

© John MACDOUGALL / AFP

Unklamaukiger Hintergrund: Vor dem Haus in der Hauptstraße befindet sich eine Baustelle, da habe man die Figur sicherheitshalber an einen beschaulicheren Ort gestellt. Ein Ratespiel – Bowie Songs erkennen – und Shots vom Berliner Spirituosenexperten Mampe halten das Publikum bei Laune. Bowie ist schließlich mal als Mampe-Flasche in David Hemmings Film „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ aufgetreten, so viel Geschichte durfte dann doch sein.

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Gehaltvoller waren dagegen die Jutebeutel voller Geschenke an die Presse: Unter anderem eine Einweg-Analogkamera, ein gülden schimmerndes Notizbuch in Schlangenlederoptik und ein kleines Wörterbuch „Berlinerisch“ durften alle mitnehmen. Wer es drauf angelegt hat, hatte am Ende auch leicht einen sitzen. Vielleicht nicht ganz die Bilanz, die man von historischen Stadtspaziergängen gewohnt ist.

Für die Ausstellung muss das aber nichts heißen: Wenn das Madame Tussauds alles das, was Marketingchef Tiedemann im persönlichen Gespräch erzählt, umsetzt und am Ende etwas mehr Geschichte als Klamauk vermittelt, könnte die neue Show durchaus ein Erfolg werden.

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