zum Hauptinhalt
Um den Preis für das Semesterticket wird seit langem gestritten.

© xXanderxHeinlx/imago/photothek

Streit um Fahrkarte für Studierende: Kein Geld fürs Semesterticket im Berliner Haushaltsentwurf

Seit mehr als einem Jahr wird um den Preis für das Semesterticket gestritten. Doch weitere Überbrückungsgelder sind im Haushalt nicht eingeplant.

Seit fast zwei Jahrzehnten sind Studierende in Berlin und Brandenburg mit einem Semesterticket unterwegs. Doch wie es mit dem umlagefinanzierten Modell weitergeht, scheint aktuell so unklar wie lange nicht. Denn während die Verhandlungen nicht vorankommen, hat das Land Berlin im Haushalt bislang keine Mittel eingeplant, um den Ticketpreis auch künftig stabil zu halten. Im schlechtesten Fall könnte dies das Ende des Tickets bedeuten.

Seit dem vergangenen Jahr streiten Studierendenvertreter, die beiden Bundesländer und der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) über den künftigen Preis für das Ticket. Die Studierenden wehren sich gegen einen vom VBB mit den Hochschulen ausgehandelten Tarif für die kommenden Jahre. Danach soll die sechs Monate gültige Fahrkarte für den Bereich ABC ab dem Sommersemester 2022 in Berlin von derzeit 199,80 Euro je Semester auf dann vorerst 256,20 Euro steigen.

Im vergangenen Jahr einigten sich die Beteiligten, dass die Kosten für das Ticket zumindest im aktuellen Sommer- und Wintersemester konstant bleiben, während weiter gleichzeitig weiterverhandelt werden sollte. Möglich wurde die „Brückenlösung“ durch einen Zuschuss des Senats. Mit 1,9 Millionen Euro, die das Land im zweiten Corona-Nachtragshaushalt 2020 beschlossen hatte, gleicht das Land den Verkehrsunternehmen die fehlenden Einnahmen durch die Nullrunde aus.

Bei einem erneuten Treffen signalisierte die Berliner Seite Teilnehmern zufolge, dass der Preis auch im kommenden Jahr beibehalten werden solle. „Wir begrüßen diesen Schritt. Immerhin zahlen die Studierenden aktuell für ein Semesterticket, dass sie coronabedingt kaum nutzen können“, teilte Tilman Kolbe, einer der Verhandlungsführer auf Seite der Studierenden, im Anschluss mit.

Doch fraglich ist, wovon dies bezahlt werden soll. Denn für den Haushaltsentwurf 2022 hat die im Roten Rathaus angesiedelte Wissenschaftsverwaltung die nötigen Mittel nicht erneut eingestellt. Wegen der Abgeordnetenhauswahl im September wird der Haushalt ohnehin erst im Frühjahr 2022 beschlossen. Zu spät für die Vertragsunterzeichnungen zwischen VBB und Hochschulen, die schon in diesem Herbst starten.

Grüne und Linke fordern, das Moratorium zu verlängern

Grüne und Linke haben daher einen Entschließungsantrag an den Senat formuliert. Sie fordern den Senat auf, zumindest das Moratorium zu verlängern, wenn weiterhin keine Einigung erzielt werden kann. Im Abgeordnetenhaus am Donnerstag wird der vor allem symbolische Antrag indessen nicht aufgerufen. Die SPD-Fraktion hat den Antrag bislang nicht beschlossen.

[Der Verkehr in der Metropole: Das ist regelmäßig auch ein Thema in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

„Das solidarisch finanzierte Semesterticket muss gesichert werden! Wir Grüne fordern den Senat daher dringend auf, sich weiterhin für eine Verhandlungslösung innerhalb des VBB und gegenüber Brandenburg einzusetzen“, sagte Grünen-Verkehrsexperte Harald Moritz. Zumindest das Moratorium müsse verlängert werden. „Wir fordern auch die SPD und den Finanzsenator auf, dies ebenfalls zu unterstützen.“

Studierende fordern 365-Euro-Jahresticket

Aus Sicht der Studierenden wäre ein erneutes Moratorium nur eine Zwischenlösung. Sie fordern ein 365-Euro-Jahresticket für das gesamte VBB-Netz, sprich 182,50 Euro je Semester, wie es bereits heute für Auszubildende existiert. Damit allerdings kämen weitere, erhebliche Kosten auf die Länder Berlin und Brandenburg zu.

Der Preis für das Semesterticket ist bereits seit 2017 eingefroren, während andere Fahrkarten in diesem Zeitraum teurer wurden. Berechnungen des VBB zufolge, die dem Tagesspiegel vorliegen, müsste der Preis für das Semesterticket für den Tarifbereich Berlin ABC aktuell 35,70 Euro pro Halbjahr höher liegen, um die tatsächlichen Kosten der Verkehrsunternehmen zu decken. Für ein von den Studierenden gefordertes Ticket für den gesamten Verkehrsverbund währen pro Semester sogar 307,50 Euro nötig. Ein 365-Euro-Jahresticket sei daher „rechnerisch überhaupt nicht darstellbar“, ist aus dem Umfeld des VBB zu hören. Es sei denn die Länder stellten die fehlenden Mittel bereit.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Bei der Interessenvertretung der Studierenden wiederum ärgert man sich, dass der VBB bei dem Treffen am Montag nicht teilgenommen hat. „Wir sehen hier eine Verzögerungsstrategie des VBB, der uns bereits am 20.08.2020 eine ordentliche und aktualisierte Kalkulationsgrundlage versprochen hatte, um unsere Forderung nach einem 365-Euro-Ticket prüfen zu können. Das ist nun fast ein Jahr her!“, teilten die Studierendenvertreter mit.

Beim VBB weist man diese Darstellung zurück. Die Studierenden seien informiert worden, „dass zum heutigen Zeitpunkt wichtige, handelnde Personen aus terminlichen Gründen nicht zur Verfügung stehen können“, sagte VBB-Sprecher Joachim Radünz. Ohnehin sehe man den Runden Tisch derzeit „nicht als sinnvoll an“. Letztlich liege es vorerst an den Ländern zu klären, was man bereit sei zu zahlen.

Innerhalb der rot-rot-grünen Koalition hatten sich zuletzt zumindest Grüne und Linke dafür ausgesprochen. „Wir als Linke halten weiter am Solidarmodell fest und daher ist es natürlich wichtig, dass die Studierenden ein attraktiveres Ticket bekommen. Für uns bedeutet das eine Angleichung an das derzeitige Azubi-Ticket“, sagte Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg mit. Ähnlich äußerte sich Harald Moritz: „Mittelfristig setzen wir Grüne uns dafür ein, dass die Gerechtigkeitslücke zum Azubiticket geschlossen wird.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false