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Sebastian Czaja, Vorsitzender seiner Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, führt die Berliner FDP in den Wahlkampf.

© Fabian Sommer/dpa

Update

Kampf ums Abgeordnetenhaus: Berliner FDP wählt Sebastian Czaja mit 93,75 Prozent zum Spitzenkandidaten

Die Berliner Liberalen schicken offiziell Fraktionschef Sebastian Czaja ins Rennen ums Rote Rathaus. Dieser attackierte in seiner Rede den Senat und forderte "einen neuen Stil" in der Politik.

Die Berliner FDP hat auf ihrem Parteitag am Sonnabend (hier zum Livestream) ihren Spitzenkandidaten für die Wahl zum Abgeordnetenhaus gewählt. Sebastian Czaja (37), der die Partei schon 2016 nach fünf Jahren Abstinenz zurück in das Landesparlament führte und seither dort Fraktionschef ist, erhielt 93,75 Prozent der Stimmen der Delegierten.

FDP-Landeschef Christoph Meyer pries Czaja in einer Rede zum Auftakt des Parteitags als "den am besten geeigneten Kandidaten", der Verantwortung übernommen habe in den "dunklen Jahren 2015 und 2016, abgeschrieben vom politischen Gegner und, wenn wir mal ehrlich sind, auch von dem ein oder anderen in der eigenen Partei". Czaja sei "hartnäckig, fleißig, angriffslustig, eloquent", und brenne darauf, die guten Umfragewerte bei der Abgeordnetenhauswahl "ins Ziel zu bringen", sagte Meyer.

In seiner Rede attackierte Czaja die Coronapolitik des Berliner Senats als "ideenlos". Im September strebe die FDP eine Regierungsbeteiligung an, wie Czaja betonte. „Wir wollen in dieser Stadt Verantwortung übernehmen“, sagte er. „Wir schließen keine Koalition mit einer demokratischen Partei aus.“

Czaja warf Rot-rot-grün mangelnde Durchsetzungskraft vor, und keine andere Strategie zur Bekämpfung der Pandemie zu haben als "Augen zu und Lockdown". Ein Lockdown könne zwar nötig und sinnvoll sein, sagte Czaja, "aber wenn das das einzige Konzept bleibt, dann scheitert es früher oder später an der Akzeptanz in der Gesellschaft und das erleben wir ja jetzt."

Unverständlich sei es beispielsweise, dass sechs Monate nach Freigabe der Gelder immer noch nicht alle Schulen mit Luftreinigungsfiltern ausgestattet seien, sagte Czaja. "Wir sprechen doch nicht davon, eine Rakete zum Mars zu schicken oder eine neue Rentenformel zu entwickeln!"

Czaja forderte "neuen Stil", der mehr Eigenverantwortung ermöglicht

Als einen Schwerpunkt der FDP in ihrem Wahlprogramm nannte Czaja die Wohnungspolitik. Im Moment sei es für Wohungssuchende eine Mammutaufgabe, eine neue, bezahlbare Bleibe zu finden. „Das liegt an der Verfügbarkeit.“ 200 000 Wohnungen fehlten in Berlin.

Enteignungen oder Mietendeckel seien hier keine Lösung, sondern „Neubau, Umbau, Ausbau“. Nötig sei eine „innovative Baukultur, die all das ermöglicht“, so Czaja. Denn: „Wohnen entwickelt sich zur sozialen Frage unserer Stadt.“ Die Koalition von SPD, Grüne und Linke habe keine Antwort darauf. Ihr Politikstil richte sich an einer kleinen Gruppe von Ideologen aus, die breite Mitte bleibe außen vor.

Aber auch das klassisch liberale Motiv der Eigenverantwortung des Einzelnen spielte eine zentrale Rolle in Czajas Rede. Czaja forderte "einen neuen Stil" in der Politik.

"Kein Mensch will doch eine Politik, die jedes einzelne Problem löst. Aber sie erwarten doch vollkommen zu Recht, dass Politik sie dazu befähigt, ein Leben eigenständig gestalten zu können", sagte Czaja auch mit Verweis auf die Ost-Berliner Biografie seiner eigenen Familie. Der "neue Stil" bedeute für ihn, "dass wir uns gemeinsam Ziele setzen und die Freiheit geben, Ideen aus der Wirtschaft und der Gesellschaft mit einander wirken zu lassen und zusammenzuführen". Mit "#neuerstil" begleitet die Partei das Event auch in den Sozialen Medien.

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Auf ihrem Parteitag, der wegen der Corona-Pandemie online abgehalten wird, debattiert und beschließt die FDP auch ihr Wahlprogramm "Programm für die Chancenmetropole". Sie will die Wähler:innen am 26. September vor allem mit den Themen Wirtschaft, Bildung, Bauen und Wohnen sowie Digitalisierung überzeugen.

Czaja sagte: "Wir müssen in unserer Stadt aufholen und überholen." Schulen müssten saniert werden und jeder Schüler Zugang zu einem Tablet bekommen. Die Verwaltung müsse digital auf den neusten Stand gebracht und gleichzeitig im Lauf der kommenden zwanzig Jahre umgebaut werden. "Und wir brauchen eine Wirtschaftswunderpolitik, die den Schaden der Krise beseitigt, aber gleichzeitig das Fundament für ein beispielloses Wirtschaftswachstum legt", sagte Czaja. 

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Zum Wahlprogramm gibt es laut Auskunft eines Sprechers etwas mehr als 100 Änderungsanträge. Große inhaltliche Konflikte werden auf dem Landesparteitag nicht erwartet.

Bei der Wahl 2016 zog die FDP mit 6,7 Prozent der Zweitstimmen in das Abgeordnetenhaus ein. Sie bildet dort mit elf Abgeordneten die kleinste der sechs Fraktionen. Laut einer aktuellen Umfrage würden derzeit 8,5 Prozent der wahlberechtigten Berliner:innen die FDP wählen, wenn diesen Sonntag Abgeordnetenhauswahl wäre.

Ihr designierter Spitzenkandidat Czaja war von 1999 bis 2005 Mitglied der CDU, ehe er zur FDP wechselte. Von 2006 bis 2011 saß er schon einmal im Abgeordnetenhaus. Von 2015 bis 2020 war Czaja Generalsekretär der Berliner FDP. (mit dpa)

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