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Plenarsitzung Berliner Abgeordnetenhaus. (Archivbild)

© dpa/Sebastian Gollnow

Update

Berliner Doppelhaushalt beschlossen: Kai Wegner verteidigt das „Zukunftswerk“, die Opposition wettert

So hoch waren die Ausgaben nie: Das Abgeordnetenhaus hat Berlins Haushalt für 2024 und 2025 zugestimmt – und auch weitere neue Gesetze beschlossen. Voraus gingen zwölf Stunden Debatten.

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Ein langer Tag lag hinter den Abgeordneten, als sie am Donnerstag gegen 21 Uhr dem neuen Landeshaushalt für 2024 und 2025 mehrheitlich zustimmten. Der Doppelhaushalt hat ein Volumen von 39,3 Milliarden Euro für 2024 und von 40,5 Milliarden Euro für 2025. So hohe Ausgaben gab es noch nie. Ein großer Posten sind Zuweisungen an die Bezirke (jeweils rund 11 Milliarden Euro), besonders viel Geld fließt auch für Personal und Investitionen. Da die Schuldenbremse gilt, wird der Etat nicht über neue Kredite finanziert. 

Am Morgen der Marathonsitzung herrschte fast schon ausgelassene Stimmung im Abgeordnetenhaus. In den Fraktionsreihen unterhält man sich munter, der SPD-Abgeordnete Reinhard Naumann verteilt Marzipan-Schokolade an seine Kollegen. Nach Gedenkworten der Parlamentspräsidentin für den Stadtältesten und ehemaligen Justizsenator Berlins, Wolfgang Wieland (Grüne), geht es dann ans Eingemachte: die finale Debatte zum Doppelhaushalt 2024/2025.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch nennt den Haushalt der schwarz-roten Koalition in ihrer Rede „maximal unseriös“, es handle sich um einen „Ankündigungshaushalt“. Statt für Krisen vorzusorgen, tue die Koalition das Gegenteil, weil die Rücklagen weitgehend aufgebraucht und das strukturelle Defizit verdoppelt worden seien. Mehrere Milliarden pauschale Minderausgaben müssten pro Jahr eingespart werden, das sei ein neuer Negativ-Rekord. „Das wäre, wie wenn der Senat für eine Wandertour für zwölf Tage einladen, aber nur Proviant für zehn Tage mitbringen würde“, sagt Jarasch. Zurück blieben die Schwächsten.

Wegner will, dass in Berlin Träume wahr werden

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) zeigte sich hingegen zufrieden mit dem ausgearbeiteten Haushalt. In haushaltspolitisch schwieriger Lage müsse man Schwerpunkte setzen. Die Koalition stehe für eine „sichere, funktionierende, eine zusammenhaltende Stadt“. Man beschließe ein Zahlenwerk. „Es liegt an uns, ein Zukunftswerk daraus zu machen“, sagte Kai Wegner. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Herausforderungen in Deutschland und der Welt bestehe bei den Menschen „der Wunsch nach Orientierung“, hier treffe die schwarz-rote Koalition den richtigen Ton.

Wir geben denen, die für unsere Sicherheit sorgen, endlich das an die Hand, was sie brauchen.

Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister

So setze man auf mehr Mittel für Berlins Sicherheitskräfte: „Wir geben denen, die für unsere Sicherheit sorgen, endlich das an die Hand, was sie brauchen“, sagte Wegner. Damit sage man auch der organisierten Kriminalität den entschiedenen Kampf an. Mit Blick auf den in den vergangenen Monaten stark im Zentrum der Aufmerksamkeit stehenden Görlitzer Park in Kreuzberg sagte der Regierende: „Der Zaun um den Görlitzer Park wird kommen.“

Man habe aber auch das soziale Gesicht der Stadt im Blick. Die Koalition stärke den Kampf gegen Obdachlosigkeit, den Mieterschutz, sorge für faire Löhne. Mit Blick auf die geplante Verwaltungsreform sagte Wegner, die Regierung kläre Zuständigkeiten und stärke dabei auch die Bezirke. Die Verwaltungsreform werde flankiert von der Digitalisierung. In der Bildungspolitik konzentriere man sich auf mehr Fachkräfte, neue Schulen und mehr Qualität. Berlin, sagte Wegner, solle ein Ort sein, wo Träume wahr werden.

Zuvor hatte CDU-Fraktionschef Dirk Stettner die Koalition insbesondere dafür gelobt, einen Schwerpunkt auf den gesellschaftlichen Zusammenhang gelegt habe. Man mache Berlin sicherer, werde die Schulbauoffensive endlich hinreichend ausfinanziern und für mehr Wohnungen sorgen.

SPD-Fraktionschef Saleh: Spielräume werden kleiner

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh beschrieb die aktuelle Haushaltslage als „zweifelsohne eine schwierige“. Er begründete die hohen Ausgaben des Landes der vorangegangenen Jahre unter anderem mit der Coronapandemie, dem Krieg in der Ukraine und der steigenden Inflation. Nun müssten die Aufwendungen wieder auf „das normale Niveau“ zurückgeführt werden. „Die finanziellen Spielräume werden kleiner“, sagte Saleh. Dennoch wolle die SPD „keinen Haushalt des sozialen Kahlschlags“. Spardiktate und Privatisierungswellen wie Anfang der 2000er-Jahre solle es nicht geben.

Saleh plädierte dafür, eine „Privatisierungsbremse“ in die Verfassung zu schreiben. Zudem wolle er die Schuldenbremse reformieren, denn sie sei „in dieser Form ist nicht zeitgemäß“. Für die Bewältigung der Klimakrise brauche es ein Sondervermögen, sonst könne man die nötigen Investitionen nicht finanzieren. „Wir werden jetzt prüfen, wie wir diesen Weg hinbekommen“, sagte Saleh vor den Abgeordneten.

Er betonte erneut die Wichtigkeit des Kampfes gegen Antisemitismus, den man stärken werde. Das Judentum in seiner vielfältigen Art gehöre zu Deutschland und Berlin, sowie das Christentum, selbstverständlich gehöre auch der Islam zu Berlin. „Was wir jetzt brauchen, sind Brücken, um gemeinsam in die Zukunft zu gehen“, sagte Saleh.

Linke-Fraktionschef Schatz: „Politik der ungedeckten Schecks“

Linke-Fraktionschef Carsten Schatz warf der Koalition vor, gerade einmal das Nötigste zu tun, um an der Macht zu bleiben. Er erinnerte ähnlich wie Jarasch daran, dass knapp vier Milliarden Euro des Haushalts gar nicht gedeckt seien. Diese Kürzungen würden sich vor allem im Sozialen niederschlagen. „Das soziale Berlin steht dank Ihrer Politik der ungedeckten Schecks auf der Kippe“, sagte Schatz an die Koalition gerichtet.

Sowohl Schatz als auch Jarasch lobten den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) für seinen Vorstoß zur Reform der Schuldenbremse, bedauerten aber, dass die Bundes-CDU dies offenbar anders sehe.

AfD nennt Haushaltsplan eine „Bankrotterklärung“

Die Vorsitzende der AfD-Fraktion, Kirstin Brinker, kritisierte die Koalition aus CDU und SPD heftig, vor allem den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner. „Was Sie heute hier vorlegen, ist kein Haushaltsplan, es ist eine Bankrotterklärung“, sagte die Abgeordnete und sprach sich gegen neue Schulden aus. Die AfD unterstütze eine Schuldenbremse; zudem sei die Klimakrise keine Notlage, die ein Sondervermögen rechtfertige. „Wer die CDU wählt, bekommt links-grüne Politik“, fügte Brinker hinzu. Diese Aussage sorgte bei den Abgeordneten der Grünen, Linken und CDU für lautes Gelächter.

Haushalt

Da die Schuldenbremse gilt, wird der Etat nicht über neue Kredite finanziert. Vielmehr werden bestimmte Rücklagen aufgebraucht – die in Zukunft dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund ist es erklärtes Ziel der schwarz-roten Koalition, das in den vergangenen Jahren wegen Corona und anderer Krisen stark gewachsene Haushaltsvolumen ab 2026 wieder deutlich zu reduzieren.

Ein erster Schritt dahin soll die sogenannte pauschale Minderausgabe sein: Im laufenden Etat müssen 2024 und 2025 Ausgaben von jeweils etwa 1,9 Milliarden Euro eingespart werden. Dieses Vorgehen ist bei Haushalten üblich, die für beide Jahre veranschlagte Höhe der pauschal verlangten Einsparungen ist allerdings ungewöhnlich hoch.

1,9
Milliarden Euro müssen in den kommenden beiden Jahren jeweils eingespart werden.

Hinzu kommt, dass sich alle Beteiligten bis zur Aufstellung des nächsten Haushalts überlegen müssen, wie sie dort dann weitere drei oder gar vier Milliarden Euro einsparen können. Denn das ist der sogenannte Konsolidierungsbedarf, von dem CDU und SPD ausgehen.

Sozialverbände und Bezirke glauben, dass die Einsparungen schon durch die pauschale Minderausgabe in den kommenden zwei Jahren größtenteils auf Kosten des Sozialbereichs gehen. Die Bezirke kritisieren in dem Zusammenhang, dass das Land ihnen nicht mehr wie bisher auch Stellen finanzieren will, die unbesetzt sind. Die Koalition wies die Kritik zurück. Es gebe keinen sozialen Kahlschlag, im Gegenteil: Der Bereich Soziales und Zusammenhalt bilde einen Schwerpunkt des Etats.

Wahlalter 16

Zur Senkung des Wahlalters für das Abgeordnetenhaus von 18 auf 16 wurde die Verfassung geändert. Hinter dem Vorhaben standen mit CDU, SPD, Grünen und Linken vier der fünf Fraktionen. Ziel ist, jüngeren Leuten mehr politische Mitbestimmung zu ermöglichen.

Die jüngste Abgeordnete des Abgeordnetenhauses, die 23-jährige Klara Schedlich, wandte sich in ihrer Rede zum Thema direkt an die Jugendlichen in Berlin: „Liebe Jugendliche, ab jetzt dürft ihr in Berlin mitwirken. Das ist ein Grund zu feiern.“ Für die Absenkung des Wahlalters hätten die Grünen lange gekämpft, länger als sie als 23-Jährige überhaupt auf der Welt sei.

„Die Jugend muss die politischen Konsequenzen am längsten tragen. Jetzt wird sich auch an den Entscheidungen beteiligt. Nur diese echte politische Emanzipation wird Berlin gerecht“, sagte die Grünen-Abgeordnete und beendete ihre Rede mit einem Appell an alle jungen Menschen in Berlin, die bei Wahlen nun eine Stimme haben: „Nutzt sie und zwar bitte laut.“

Die Berliner CDU war lange Zeit gegen die Absenkung des Wahlalters

Für die CDU-Abgeordnete Lilia Usik ist die Absenkung des Wahlalters „ein Zeichen des Vertrauens in unsere Jugend“. In ihrer Rede betonte sie, dass die Verfassungsänderung für ihre Partei „Hand in Hand mit einer Stärkung der politischen Bildung“ gehe. Deshalb soll die Landeszentrale für politische Bildung einen zweiten Standort in Ost-Berlin bekommen. Die CDU war lange gegen eine Absenkung des Wahlalters gewesen, hatte sich aber im Zuge der Koalitoinsverhandlungen mit der SPD in dem Punkt bewegt. Mit einer Bedingung: Die politische Bildung für junge Menschen soll ausgeweitet werden.

50.000
zusätzliche Berliner Bürgerinnen und Bürger werden mit Absenkung des Wahlalters wahlberechtigt. Somit steigt die Zahl der Wahlberechtigten um etwa 2 Prozent.

Nach Angaben des Vereins „Mehr Demokratie“ ist Berlin das siebte Bundesland, in dem diese Altersgruppe auf Landesebene wählen darf. Zum ersten Mal wird das voraussichtlich 2026 bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus der Fall sein. Mit 16- und 17-jährigen deutschen Staatsbürgern würde sich die Zahl der Wahlberechtigten für das Landesparlament und damit auch für Volksentscheide laut Senat von zuletzt rund 2,44 Millionen um rund 50.000 erhöhen – also um etwa zwei Prozent.

Bislang können 16- und 17-Jährige bereits bei den Wahlen zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen, also den Kommunalparlamenten, abstimmen. Nach einer Gesetzesänderung auf Bundesebene gilt das auch für Europawahlen, erstmals 2024.

Gesetz für Sicherheit und Ordnung

Wie über die Absenkung des Wahlalters wurde in Berlin auch lange über eine Reform des Gesetzes für Sicherheit und Ordnung (ASOG) diskutiert, das auch Polizeigesetz genannt wird. Nun ist es beschlossen. Im Kern geht es um die Änderung von drei Punkten.

Zur Zeit beträgt die Höchstdauer für den Unterbindungsgewahrsam, also das vorsorgliche Einsperren von Menschen, von denen schwere Straftaten erwartet werden, zwei Tage. Künftig soll diese Präventivhaft auf Beschluss eines Richters bis zu fünf Tage möglich sein, im Fall mutmaßlicher Terroristen bis zu sieben Tage.

Geändert werden auch Regelungen zu sogenannten Bodycams an Uniformen und Kameras in Polizeiautos (Dashcams). Polizisten und Feuerwehrleute sollen das Geschehen bei Einsätzen mit diesen Geräten verstärkt filmen. Auch in Wohnungen soll gefilmt werden können, wenn es um die Abwehr von Gefahren für beteiligte Menschen geht.

Dritte Neuerung: Elektroschockpistolen (Taser), die bisher nur von einigen Polizisten getestet wurden, sollen in größerem Maß von der Polizei genutzt werden können.

Bauordnung

Mit der novellierten Bauordnung verbinden CDU und SPD vor allem das Ziel, den Bau dringend benötigter Wohnungen zu vereinfachen. Sie umfasst etwa weniger strenge Regeln für Gebäude in Holzbauweise, für Dachausbauten oder die Aufstockung bestehender Gebäude.

Allerdings kommen auch neue Vorgaben hinzu: So wird zur Pflicht, Dächer mit einer maximalen Neigung von zehn Grad, deren Fläche insgesamt größer als 100 Quadratmeter ist, zu begrünen. Dabei sollen aber Ausnahmen möglich sein. Umweltverbände bemängeln, Belange des Natur-, Klima- und Artenschutzes seien zu wenig berücksichtigt.

RBB-Vertrag

Mit dem RBB-Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg sollen die Aufsichtsgremien gestärkt und für Entscheidungsträger Sorgfaltspflichten und Haftungsregeln eingeführt werden – als Konsequenz aus der Krise des öffentlich-rechtlichen ARD-Senders. Das Gehalt von Intendantin oder Intendant wird gedeckelt, Alleingänge der Intendanz sollen verhindert werden. Ziel ist auch eine Stärkung der regionalen Ausrichtung unter anderem mit 60 Minuten regionaler Berichterstattung und einem neuen Büro in Brandenburg/Havel.

RBB-Intendantin Ulrike Demmer befürchtet mit dem Vertrag in Teilen einen Eingriff in die Unabhängigkeit des Senders, vor allem mit Blick auf die Regelungen zur Regionalberichterstattung. Neben dem Berliner Abgeordnetenhaus will am Donnerstag auch der Brandenburger Landtag über den Vertrag entscheiden.

Hochschulverträge

Die neuen Hochschulverträge regeln die finanzielle Ausstattung der elf staatlichen Hochschulen und Universitäten in Berlin von 2024 bis 2028. Nach früheren Angaben von Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) steigt der jährliche Zuschuss in dem Zeitraum von zusammen etwa 1,52 Milliarden Euro auf gut 1,85 Milliarden Euro. Das jährliche Plus von fünf Prozent sei im Bundesvergleich einmalig. (mit dpa)

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