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Berlin: Ein Waschbär krabbelt aus seinem Versteck auf einem Berliner dem Dach. Die Waschbären-Population in der Hauptstadt wird inzwischen auf hunderte Tiere geschätzt.

© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Amerikanischer Sumpfkrebs und Waschbären: Invasive Arten erobern Berlin – wie gefährlich sind sie?

Nicht nur immer mehr Menschen ziehen nach Berlin, auch neue Tier- und Pflanzenarten fassen dort Fuß. Doch welche Art wird als invasiv bekämpft?

Als 2017 in Berlin erstmals Amerikanische Sumpfkrebse auf den Wegen und Wiesen des Tiergartens gesichtet wurden, sorgte das für Aufregung. Vermutlich hatten sich die Nachkommen ausgesetzter Tiere zunächst unbemerkt vermehrt, bevor Hunger oder Platznot sie aus den Parkgewässern und ins Licht der Öffentlichkeit trieben.

Seit mittlerweile fünf Jahren wird die invasive Art, die eigentlich im Süden der USA und dem Norden Mexikos heimisch ist, nun Jahr für Jahr im Sommer aus den Gewässern geholt. So soll ihre weitere Ausbreitung verhindert werden. Die gefräßigen und wanderlustigen Tiere gelten als Bedrohung für heimische Arten und Ökosysteme - nicht nur in Berlin, sondern in der gesamten Europäischen Union.

Außer dem Roten Amerikanischen Sumpfkrebs (Procambarus clarkii) gibt es in Berlin zahlreiche weitere eingewanderte Arten, die Mensch und/oder Natur Probleme bereiten: Riesenbärenklau, Götterbaum und Schmalblättrige Wasserpest ebenso wie Nilgans, Waschbär oder Nutria.

Immer mehr invasive Arten in Deutschland

In ganz Deutschland haben sich nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz etwa 900 Arten seit 1492 hier dauerhaft niedergelassen - dem Jahr, das Wissenschaftler als Grenze für die Unterscheidung zwischen fremd und heimisch heranziehen. 66 Tier- und Pflanzenarten stehen auf einer von der EU-Kommission erstellten Liste, der sogenannten Unionsliste invasiver Arten. Die Mitgliedsländer müssen die Einschleppung dieser Arten verhindern, beziehungsweise ihre ungehemmte Ausbreitung stoppen, wenn sie schon angekommen sind.

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„Bei Arten, die noch nicht hier heimisch sind, hat man ganz gute Chancen, sie fernzuhalten“, sagt Ingolf Kühn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle. „Bei bereits etablierten Arten wie etwa den Sumpfkrebsen oder dem Riesenbärenklau ist die Beseitigung nicht mehr zu schaffen. Da geht es dann darum, die Bestände einzudämmen und die Arten aus besonders sensiblen Bereichen wie Naturschutzgebieten fernzuhalten.“

Im Fall der Roten Amerikanischen Sumpfkrebse heißt das vor allem: Tiere fangen. In Berlin hat die Senatsverwaltung damit einen Fischer beauftragt. Die gefangenen Tiere werden unter anderem an Berliner Gastronomen verkauft. „Wir sehen das als Möglichkeit, für ein Problem eine ökologische und nachhaltige Lösung zu finden“, sagt Lukas Bosch, Mitgründer des Unternehmens HolyCrab, das die Organisation vom Fang bis zum Verkauf übernimmt.

„Man kann im Sinne einer regenerativen Fischerei den Bestand auf ein verträgliches Maß reduzieren und gleichzeitig ein regionales, exotisches Produkt wirtschaftlich vermarkten.“ Verkürzt findet sich das Konzept im Motto des Unternehmens wieder: „If you can't beat it, eat it“ - iss auf, was du nicht loswerden kannst.

Oft drohen massive wirtschaftliche Schäden

Allerdings lassen sich längst nicht alle invasiven Arten mit Messer und Gabel bekämpfen, in vielen Fällen drohen mit ihrer Ausbreitung massive wirtschaftliche Schäden. So verursacht etwa die Bekämpfung des Riesenbärenklaus, der bei Berührung schwere Hautschäden hervorrufen kann, erhebliche Kosten. „Für die Forstwirtschaft kann das Eschentriebsterben problematisch werden“, nennt Kühn ein weiteres Beispiel. „Die Erkrankung wird durch einen eingeschleppten asiatischen Pilz verursacht und kann zum Absterben der Bäume führen.“

Gefangene Amerikanische Sumpfkrebse krabbeln in einem Behälter.

© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Oft gleicht die Bekämpfung invasiver Arten einer Sisyphos-Aufgabe: Säuger werden gejagt, Insekten mit gezielten Gifteinsätzen getötet oder Pflanzen mühevoll ausgerissen. Kompromisslos auf die Vertreibung einer invasiven Art zu setzen, sei aber häufig nicht zielführend, sagt Sebastian Kolberg, Referent für Artenschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Sinnvoller sei es oft, das Ökosystem insgesamt zu stärken.

„Man muss sich von Fall zu Fall genau anschauen, welche Art man schützen möchte“, sagt Kolberg. „Und dann muss man überlegen, was braucht diese Art zum Überleben, wie kann man ihr helfen, und zum Beispiel natürliche Schutzräume schaffen.“

Nicht alle neuen Arten stellen eine Gefahr dar

Wichtig in diesem Zusammenhang: Längst nicht alle Neuankömmlinge sind eine Gefahr für Mensch oder Natur. Fachleute beziffern den Anteil auf etwa zehn Prozent. „Gerade bei den Pflanzen machen viele der Neophyten keine Probleme, im Gegenteil“, sagt Wildtierexperte Derk Ehlert von der Berliner Umweltverwaltung. „Unsere Parkanlagen wären vermutlich sehr viel artenärmer, wenn es keine Neophyten gäbe.“

Andersherum gibt es auch zahlreiche heimische Arten, die problematisch werden können, wenn sie durch übermäßige Vermehrung das sensible ökologische Gleichgewicht stören oder die Gesundheit des Menschen bedrohen, wie etwa das Beispiel des Eichenprozessionsspinners zeigt, der oft großflächig bekämpft wird.

Die Blätter eines Götterbaums (Ailanthus altissima) in einer Parkanlage.

© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Generell sei die Natur in einem ständigen Wandel - und auch die Bewertung von Tier- und Pflanzenarten. „Der aus China stammende Götterbaum wird seit etwa 250 Jahren bei uns angepflanzt und wurde als schöner Stadtbaum lange Zeit gehegt und gepflegt“, sagt Ehlert. „Seit etwa 80 Jahren breitet sich die Art massiv aus, weil die Winter wärmer geworden sind und die frostempfindlichen Jungbäume vermehrt überleben.“ Heute ist der Götterbaum offiziell unerwünscht, auch weil er sich in jeder Ritze festsetzen und Infrastrukturen wie Straßen oder Mauern schädigen kann.

Der Klimawandel wird die Situation weiter verschärfen

Um die Einschleppung fremder Arten künftig zu verhindern, sei es auch nötig, ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen und aufzuklären, sagt Kühn, etwa bei Gartenbaubetrieben oder Straßenmeistereien. „Die müssen zum Beispiel wissen, dass Gerätschaften gereinigt werden sollten, bevor man von A nach B fährt, um den Transport von Samen zu verhindern.“ Auch Zoohandel und Gärtnereien dürften potenziell problematische Arten nicht verkaufen oder wenigstens nur mit einem entsprechenden Warnhinweis.

Mit dem Klimawandel dürfte sich die Situation in den kommenden Jahren kaum entspannen. Frostliebende Arten könnten nach Ansicht von UFZ-Forscher Kühn weniger werden, der Großteil der eingeschleppten Arten stamme aber aus wärmeren Ländern und profitiere von den erwarteten Veränderungen.

„Wehret den Anfängen“, sagt Wildtierexperte Ehlert. „Wenn sich eine Art erstmal etabliert hat, gibt es oft kaum noch Möglichkeiten, sie wieder loszuwerden.“ (dpa)

Anja Garms - dpa

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