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Ein neuer Morgen in Berlin - und vielleicht beginnen bald neue Zeiten, in denen ein Kinderflohmarkt keine acht Behördenschritte braucht.

© Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa

Initiative für eine Verwaltungsreform: Berlin braucht endlich klare Zuständigkeiten

Ich war's nicht? Schluss mit dem Behörden-Pingpong! Ein Reformpapier von SPD-, Linkspartei- und Grünen-Politikern weist den richtigen Weg. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Es tut sich etwas in Berlin, der Hauptstadt der organisierten Unzuständigkeit: Aus allen drei Regierungsparteien haben sich Reformer zusammengetan, um endlich das „Behörden-Pingpong“ der Verwaltung zu beenden. Denn 100 Jahre nach der Gründung von Groß-Berlin, 20 Jahre nach der letzten großen Verwaltungsreform und ein Jahr vor der nächsten Abgeordnetenhauswahl ist klar: So kann, so darf es nicht weitergehen.

In der Politik, die eigentlich die treibende Kraft für Verbesserungen sein müsste, macht sich Fatalismus breit. Zu undurchschaubar ist sogar für die Akteure geworden, was eigentlich klar geregelt sein muss. Selbst der Regierende Bürgermeister scheint aufgegeben zu haben: „Wer glaubt, mit einer Maßnahme ein Problem zu lösen, der wird vor den Schrubber laufen“, ist so ein typischer Müller-Satz. Von Senatoren ist zu hören: „Die Dinge brauchen ihre Zeit. Aktionismus ist hier fehl am Platz.“

Beispiele für diesen Zustand, der oft folkloristisch verklärt wird, finden sich jeden Tag: auf der Straße, im Amt, zwischen den Zeilen von Verlautbarungen. Zwischen Ironie und Idiotie ist dabei kaum mehr zu unterscheiden. Zu einem Platz, der seit Jahren umgebaut werden soll, erklärt die Verkehrsverwaltung, sie könne Fragen dazu „nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis bewerten“ und verweist auf den Bezirk.

Die Bezirksverwaltung erklärt, sie warte „auf vertiefende verkehrliche Untersuchungen der zuständigen Verkehrsverwaltung“. Beide Verwaltungen erklären unisono, sie würden außerdem auf einen Zeitplan der Verkehrsbetriebe warten – die wiederum erklären, dass sie ihrerseits auf nähere Informationen der Verkehrs- und Bezirksverwaltung warten.

Ein Bezirksamt teilte jüngst mit: „Berlins Verwaltung kann für Außenstehende verwirrend sein.“ Offenbar nicht nur für die. Acht verschiedene Stellen sind am Umlaufverfahren für die Genehmigung eines Kinderflohmarkts beteiligt. Wenn die lieben Kleinen Glück haben, werden sie ihre Conny-Heftchen noch vor dem Abi los. 18 Verwaltungsschritte sind nötig für das Pinseln eines Zebrastreifens vor eine Schule. Bis die durch sind, kann es sein, dass die Schule wegen Baufälligkeit schon wieder geschlossen ist.

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Der Initiative, die Monika Herrmann (Grüne), Sören Benn (Linke) und Frank Nägele (SPD) in einem Beitrag für den Tagesspiegel vorgestellt haben, ist deshalb zu wünschen, dass sie parteiübergreifend ernst genommen wird. Nicht jeder Vorschlag darin ist neu, nicht jeder überzeugt, und die drei sind auch nicht in jedem Punkt einig – aber die Richtung stimmt.

Berlin braucht per Verfassungsänderung eine klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Senatsverwaltung und Bezirken sowie eine Weisungsbefugnis der Bürgermeister in ihren Bezirksämtern, vielleicht sogar eine Stärkung ihrer Rolle durch eine Direktwahl.

Die Zerredungsgefahr ist groß

Die Gefahr ist groß, dass die Vorschläge aus parteitaktischen und persönlichen Gründen zerredet werden. Kein Stadtrat möchte sich gerne entmachten lassen, viele Landesabgeordnete lieben es, sich noch mit den kleinsten Bauvorhaben der Bezirke zu beschäftigen, und ein politisches Bezirksamt, das auf der Mehrheit der Bezirksverordneten beruht, kennt auch viele Verlierer. Dazu kommt: Regierung und Opposition müssten sich verständigen, sonst ist eine Verfassungsänderung unmöglich.

Aber die Neuordnung der Verwaltung ist die Grundlage für ihre Modernisierung, auch ihrer Digitalisierung, nicht anders herum. Wem etwas daran liegt, dass die offenkundigen Missstände in Berlin behoben und die Fehler der Reform von vor 20 Jahren repariert werden, muss seine persönlichen Interessen und die der Partei hintenanstellen.

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