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Mit Plakaten von Masha Amini demonstrieren Teilnehmer für Demokratie und Freiheit im Iran auf der Reichstagswiese.

© Foto: dpa/Kay Nietfeld

Update

Rund 1800 Teilnehmer bei Demonstration am Brandenburger Tor: Berliner zeigen Solidarität mit der Frauenbewegung im Iran

Nach dem gewaltsamen Tod einer 22-Jährigen im Iran brodelt die Protestbewegung. In Berlin fanden am Mittwoch mehrere Kundgebungen statt, auch Prominente zeigten Flagge.

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„Jin, Jiyan, AzadÎ!“, Kurdisch für „Frauen, Leben, Freiheit!“, lautet der Slogan der Demonstrant:innen im Iran. Unter diesem Slogan haben am heutigen Mittwoch mehrere Kundgebungen in Berlin stattgefunden – die größte ab 17 Uhr am Brandenburger Tor.

„Ich bin hier“, sagt eine Demonstrantin namens Jiza, „weil es im Iran gerade scheiße ist. Weil wir Frauen im Iran einfach leben wollen, ohne Hijab, einfach leben!“ Es ist keine Bitte, kein Flehen, sie hat dennoch Tränen in den Augen und atmet tief durch zwischen ihren Worten.

Aufgewühlt und emotional ist die Stimmung auf dem Pariser Platz auch bei den anderen Teilnehmer:innen. Angemeldet waren 300, der Pariser Platz ist jedoch voll. Am Abend spricht die Berliner Polizei von rund 1800 Teilnehmern. Bei der Kundgebung stehen etwa die Schauspielerin Nora Tschirner und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf der Bühne. Seine Amtsvorgängerin Julia Klöckner (CDU) steht im Publikum.

Auslöser der Proteste ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini am 16. September. Sie war von der Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die islamische Kleiderordnung festgenommen worden. 
Auslöser der Proteste ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini am 16. September. Sie war von der Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die islamische Kleiderordnung festgenommen worden. 

© dpa / Kay Nietfeld

„Der Kampf der Frauen im Iran ist ein universeller Kampf!“ eröffnet Düzen Tekkal die Kundgebung. Sie ist Menschenrechtsaktivistin und Vorsitzende von Háwar.help, dem Verein, der zu der Veranstaltung aufgerufen hat. „Frauen greifen im Iran zur Schere um zu sagen: Meine Haare, mein Körper, meine Rechte!“ Nach ihr spricht die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang, die den Frauen im Iran ihren tiefen Respekt ausspricht. Omid Nouripour, ebenfalls Vorsitzender der Grünen, sagt: „Es ist die Stunde der Frauen, und die ist im Iran lange überfällig!“

Zwischen den Wortbeiträgen wird immer wieder der Appell „Jin, Jiyan, AzadÎ!“ laut. Aber nicht nur der Schlachtruf, auch die Wortbeiträge und Plakate auf der Kundgebung zeigen, dass es um Kritik an einem ganzen System geht, das menschenfeindlich und unerbittlich ist. „Sie sollten froh sein, dass wir Gleichheit wollen, und nicht Rache!“, steht auf einem der Transparente.

Die Rednerinnen formulieren klare Botschaften auch an die deutsche Regierung. So sagt etwa die Schriftstellerin Ronya Othmann: „Von Baerbock und Scholz wurde von feministischer Außenpolitik gesprochen. Wo ist diese Außenpolitik jetzt?“ Sie verurteilt die Tatsache, dass Deutschland weiterhin mit dem Iran kooperiert und bisher keine Sanktionen gegen das Land beschlossen hat.

Protest von Politikerinnen gegen Regime im Iran

Ricarda Lang und Omid Nouripour nahmen bereits am Vormittag vor dem Brandenburger Tor an einer Kundgebung teil. Außerdem erschienen die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär und die iranischstämmige Schauspielerin Pegah Ferydoni, um ein Zeichen zu setzen, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete. Mehr als 100 Menschen demonstrierten mit ihnen.

Ein paar hundert Meter weiter versammelten sich um 13 Uhr Mitglieder der Deutsch-Iranischen Gesellschaft. Mit Blick auf den Reichstag hissten sie Flaggen mit dem Gesicht Mahsa Jina Aminis und iranische Flaggen. Etwa 50 Teilnehmende waren vor Ort.

Es wäre ein Zeichen, iranische Diplomaten auszuweisen.

Javad Dabiran, Mitglied des nationalen Widerstandsrats Iran

Immer wieder riefen sie: „Weg! Weg! Weg! Die Mullahs müssen weg“, oder forderten internationale Solidarität. Der Gesellschaft geht es jedoch nicht nur um Solidarität mit der Protestbewegung im Iran, sondern auch um konkrete Forderungen: Sie will von der Bundesregierung, dass auch politische Zeichen gesetzt werden. „Es muss Sanktionen geben“, sagt Javad Dabiran, Mitglied des nationalen Widerstandsrats Iran. „Ein Zeichen wäre auch, iranische Diplomaten auszuweisen“, fügt er hinzu.

In den vergangenen Wochen hatte es in Deutschland zahlreiche Proteste gegeben, die Welle der Kundgebungen nimmt stark zu. Bei vergangenen Demonstrationen verbrannten Frauen Kopftücher und schnitten sich als Zeichen des Protestes ihre Haare ab.

Zehra Doğan, in Berlin lebende, kurdische Exilkünstlerin integrierte abgeschnittene Haare, Henna und Menstruationsblut in einer Kunstaktion. Sie brachte am 26. September eine Mischung aus allen drei Elementen an der iranischen Botschaft in Berlin an. Sie dokumentierte diesen Akt auf Twitter und schreibt dazu „Was sie verfluchen; Menstruationsblut, Henna und Haare. Wir sind nicht allein, wir sind überall!“

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Am kommenden Samstag sind in Berlin weitere Demonstrationen mit bis zu 4000 angemeldeten Teilnehmer:innen geplant.

Auslöser der Proteste ist der Tod einer 22-jährigen Frau am 16. September. Sie war von der Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die islamische Kleiderordnung festgenommen worden. Was genau mit ihr nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar. Bekannt ist, dass sie ins Koma fiel und in einem Krankenhaus starb. Kritiker:innen werfen der Polizei vor, Gewalt angewendet zu haben. (mit dpa)

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