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WelcomeCamp in Berlin: Helfer der Geflüchteten, versammelt euch  

Wie hilft man Flüchtlingen? Diese und andere Fragen wurde beim ersten „WelcomeCamp“ in Berlin-Friedrichshain diskutiert – leider ohne Flüchtlinge.

Wie können wir Geflüchteten helfen – und wollen die das überhaupt? Nicht nur dieser Frage wurde am Samstag beim ersten „WelcomeCamp“ nachgegangen. Mehr als 100 Helfer aus diversen Berliner Flüchtlingsunterkünften, Hilfsorganisationen oder sonstige interessierte Personen haben sich einen ganzen Tag lang dafür Zeit genommen.

Viele Geflüchtete sind schon mehr als ein Jahr in Deutschland. Für die Helfer hat sich vieles verändert: Neben neuen Möglichkeiten gibt es auch neue Herausforderungen. Ein großes Problem ist die Vernetzung: Was für andere Organisationen gibt es überhaupt und was machen die? Daher stellt sich jeder Teilnehmer des „WelcomeCamps“ zunächst kurz vor. Der Ablauf und die Inhalte der Veranstaltung sollen ausschließlich von den Teilnehmern bestimmt werden. Diese machen Vorschläge für Diskussionsrunden oder stellen ihre einzelnen Projekte vor.

„So offenes und ehrliches Feedback bekommt man selten“

In sieben „Sessions“, verteilt auf sechs Räume im FMP1 am Franz-Mehring-Platz 1, erläutert beispielsweise der Hannoveraner Polizist Günther Klages, wie das genau bei einem Asylantrag vonstattengeht. In einem anderen Raum stellt Daniel Kroll sein Projekt „#missingkidsEU“ vor. Über seine Webseite können Flüchtlingskinder nach ihrer Familie suchen oder andersrum. Der Hamburger hat seine Initiative erst vor zwei Monaten gestartet. Derzeit prüft das Familienministerium, ob es finanziert werden könnte. Kroll diskutiert viel, tauscht Visitenkarten aus und freut sich, neue Verbindungen herstellen zu können. „So offenes und ehrliches Feedback bekommt man selten“, sagt er.

Nach seiner „Session“ nimmt er an anderen teil und stellt Fragen. Zum Beispiel bei der von „#Bikeygees“. Anne Seebach und Annette Krüger bringen geflüchteten Frauen Fahrradfahren bei – mittlerweile schon 160 Mal. „Es ist viel nachhaltiger, sich mit Leuten von anderen Projekten mal persönlich austauschen zu können. Nicht immer nur per Email oder Facebook“, sagt Krüger. Es sei gut zu erfahren, wie andere Initiativen mit Problemen der Organisation oder mit der Überforderung umgehen. Große staatliche Organisationen sind nicht vertreten. Auf dem „WelcomeCamp“ tummeln sich überwiegend junge Projekte, die gerade erst gestartet und noch nicht so bekannt sind. Es sind freiwillige Initiativen, aus dem Bedürfnis heraus gegründet, helfen zu wollen.

Die 14 Organisatoren des Camps haben unterdessen alle Hände voll zu tun. Auch twittern. Der Hashtag #welcomecamp trendet, und neben den zahlreichen Beiträgen der Teilnehmer gibt es viele Hasskommentare. Dieses Thema wird – nach einer Mittagspause mit feinsten syrischem Essen vom „Aleppo Supper Club“ – auch in den nächsten „Sessions“ diskutiert. Wer mit Geflüchteten arbeitet und mit seiner Organisation auch in den sozialen Netzwerken vertreten ist, der kennt die menschenverachtenden Kommentare, die schon nach kurzer Zeit bei Twitter einprasseln.

"Viele müssen sich erstmal daran gewöhnen, überhaupt ihre Meinung frei sagen zu dürfen.“

Die frisch gebackenen Abiturientinnen Leila, Marlene und Nele kennen das mit den Hasskommentaren so noch nicht. Die drei 18-Jährigen werden ab Anfang Oktober drei Monate durch Europa reisen, und zwar auf den verschiedenen Flüchtlingsrouten – nur eben in die andere Richtung, weg von Deutschland. Nach ihrer „Session“ müssen sie zu ihrer Abiturfeier. Anstatt, wie viele ihrer Schulfreunde, durch Australien oder die USA zu reisen, wollen sie mit einem Bulli Richtung Türkei fahren – „um das etwas besser verstehen zu können, was Flüchtlinge durchmachen“, sagt Leila. Auf dem Camp konnten sie zunächst gute Kontakte knüpfen, mit Leuten, die teilweise schon vor Ort waren, beispielsweise in Idomeni oder Lesbos.

Auch Kate Gerstmeier von „THEwelcome e.V.“ konnte sich gut vernetzten. Sie arbeitet in einer Notunterkunft in Tempelhof und nimmt an vielen Diskussionsrunden teil. „Wie finden wir die richtigen Geflüchteten für unser Projekt?“ ist eine der Fragen, denen nachgegangen wird. Oder: „Wie schafft man eine gute Organisationsstruktur für sein Projekt?“ Auch: „Wie ticken Flüchtlingen (und wir)?“ Und: „Was erwarten wir, als Helfer, von den Geflüchteten?“ Einige Teilnehmer berichten, sie würden gerne mit Geflüchteten aus ihrer Nachbarschaft in Kontakt treten, sie wüssten nur nicht genau, wie. „Viele Geflüchtete verstehen oft gar nicht, was wir von ihnen wollen und warum sie jetzt an einem Projekt teilnehmen sollen“, sagte eine junge Frau, die sich in einer Unterkunft engagiert. „Und viele von ihnen müssen sich überhaupt erstmal daran gewöhnen, überhaupt ihre Meinung frei sagen zu dürfen.“

Geflüchtete selbst waren allerdings nicht da, lediglich ein junger Mann aus Syrien – er wird einiges gefragt, kann aber aufgrund der Sprachbarriere nur wenig beantworten. Viele Teilnehmer vermuten, dass die Geflüchteten nicht kamen, da sie nach dem Ramadan noch im „Zuckerfestkoma“ liegen würden. „Man muss sich davon freimachen, zu denken, dass alle Flüchtlinge unsere Hilfe auch wollen“, sagt eine 30-jährige Kreuzbergerin in einer Diskussionsrunde. „Nicht jeder, der nach Deutschland kommt, wird automatisch dankbar sein für das, was wir für ihn tun wollen. Viele Flüchtlinge wollen nicht ständig als armes Oper behandelt werden – sie wollen endlich einfach wieder leben.“

20 Geflüchtete hatten sich angemeldet, gekommen sind sie nicht

Dass keine von denen dorthin gekommen sind, wo über sie geredet wird, finden auch die Veranstalter des Camps schade. Obwohl sie ihre Veranstaltung schon immer eher als Treffpunkt für Helfer verstanden haben – und für solche, die noch helfen wollen. Angemeldet hatten sich aber immerhin mehr als 20 Geflüchtete – dann kam keine Rückmeldung mehr. „Wir bieten viel an. Aber manchmal vergisst man nachzufragen, was Geflüchtete brauchen und wollen“, sagt Svenja Goebel, eine der neun Organisatoren. „Das nehmen wir mit als Lehre fürs nächste Mal.“ Zufrieden sind sie aber trotzdem: „Mit dem WelcomeCamp haben wir bewirkt, was wir bewirken wollten: Die Teilnehmer haben sich vernetzt und ausgetauscht“, sagt Henry Schröder. So eine Veranstaltung zu stemmen, ehrenamtlich und freiwillig nach der Arbeit als beispielsweise Redakteurin oder Bankkaufmann – das bedarf schon einiger Energie. Noch bis nach 22 Uhr diskutierten die Teilnehmer des Camps im Garten des FMP 1 zu Grillwurst und Bier. Sie alle sind nun besser vernetzt.

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