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Die Organisatoren des "WelcomeCamps" v.l.n.r. Henry Schröder, Stefan Neben, Stephan Levin, Pamela Unterberger, Anica Harder, Marc Breidbach, Svenja Goebel, Bastian Koch.

© Robert Klages

Update

"WelcomeCamp" in Berlin: Initiative will Flüchtlinge und Helfer vernetzen

Es soll zusammenkommen, was zusammen gehört: Hilfsorganisationen untereinander und Flüchtlinge selbst. Eine Gruppe junger Leute bereitet das erste Berliner "WelcomeCamp" vor.

Flüchtlingen helfen, nur wie und wo? Organisationen und Einrichtungen gibt es einige in Berlin. Doch vieles ist unorganisiert, die einzelnen Hilfsaktionen arbeiten unabhängig voneinander und es mangelt an Koordination. So sieht es zumindest eine Gruppe junger Menschen – und möchte Abhilfe schaffen: Seit mehreren Wochen arbeiten die neun Berliner intensiv an einem „WelcomeCamp“.  Sie sind Webdesigner, Social Media Manager oder Berater für Unternehmen.

Am 9. Juli wird das „WelcomeCamp“ im FMP1 am Franz-Mehring-Platz 1 stattfinden. Karitativen Institutionen, Flüchtlingshelfern und anderen Unterstützern soll hier eine Plattform zum Wissensaustausch geboten werden. Und selbstverständlich soll das Camp auch eine Anlaufstelle für Flüchtlinge selbst darstellen. Deswegen machen die neun Initiatoren das, was sie am besten können: vernetzen.

Am 9. Juli geht es dann um neun Uhr morgens los: In fünf Räumen können sich die Teilnehmer präsentieren und ihre jeweiligen Hilfsprojekte vorstellen. Gemeinsam soll an einer „integrativen Willkommenskultur“ gearbeitet werden und bestenfalls sollen Zusammenschlüsse über das Camp hinaus entstehen.

"Viele Flüchtlinge wissen nicht, dass es diese Angebote für sie überhaupt gibt"

Bereits einige Tage vor Beginn der Veranstaltung war diese ausverkauft. Mehr als 200 Anmeldungen sind über die Webseite refugeeswelcome.berlin eingegangen. Darunter die Caritas, der AWO Kreisverband Berlin-Mitte und die Berliner Stadtmission. Oder „#Bikeygees“, ein Projekt, das geflüchteten Frauen Fahrradfahren beibringen möchte. „Viele Flüchtlinge wissen nicht, dass es diese Angebote für sie überhaupt gibt“, sagt Anne Gretje Seebach, die "#Bikeygees" zusammen mit Annette Krüger leitet. Von dem „WelcomeCamp“ erhofft sie sich daher, neue Teilnehmer für ihr Projekt gewinnen zu können.

Auch workeer.de, die „erste Jobbörse für Geflüchtete“ wird sich auf dem Camp vorstellen. Und das Kulturprojekt „moqcabeat“ aus Kreuzberg, das minderjährige Flüchtlinge durch ein lokales Freizeitangebot mit gleichaltrigen Jugendlichen aus Berlin zusammenbringt. Leiterin Christine Dissmann will beim „WelcomeCamp“ „ganz generell den Erfahrungsaustausch“ suchen. Zudem ist sie für ihr nächstes großes Projekt auf der Suche nach Menschen, die Lust haben, mitzumachen.

Ähnliche Erwartungen hat auch Daniel Kroll von der „Initiative Vermisste Kinder“, einem Hilfsangebot zur Suche nach vermissten Flüchtlingskindern. Er wird extra aus Hamburg anreisen. „Ich war von der spannenden Mischung aus engagierten Menschen aus verschiedenen Bereichen sofort überzeugt“, sagt Kroll. „Ich hoffe, neue Inspirationen zu bekommen.“

Mehr als nur Kleidung spenden oder auf Like drücken

Für die Orientierung vor Ort wird „Icoon for refugees“ sorgen. Das Gelände am Franz-Mehring-Platz wird mit Symbolen verortet sein, die jeder, unabhängig von der Sprache, verstehen kann. Das Berliner Start-Up hat bereits ein Buch mit 1200 Symbolen herausgegeben, das Flüchtlingen helfen soll, sich in Deutschland und der hiesigen Kultur zurechtzufinden. Um das Catering wird sich der "Aleppo Supper Club" kümmern - und zwar so, das für jeden etwas dabei sein wird, egal, ob halal, vegan oder Mettkeule. Beim "ASC" kocht "Huda", eine Geflüchtete aus Syrien. Als sie in Deutschland ankam, soll sie neben Gewürzen und einem Wintermantel auch einen riesigen altmodischen Fleischwolf herzustellen. Den braucht man nämlich, um "Kibbeh" herzustellen - und ohne diese möchte die Frau nirgends leben. Kibbeh sind Kugeln, Klöße, aus Bulgur, Hackfleisch und Zwiebeln, auch mal mit Nüssen und Rosinen, in unterschiedlichsten Mischungsverhältnissen.

Kleiderspenden werden auch entgegengenommen

„Das WelcomeCamp gibt mir die Chance, mehr zu tun, als nur anonym Kleidung an Hilfsbedürftige zu geben und auf Facebook Likes unter Proasylbeiträge zu setzen“, sagte Stephan Levin, Bankkaufmann und einer der Initiatoren des Camps. „Es gibt viele Möglichkeiten, etwas zu tun – man muss nur damit anfangen.“ Bis zum Camp treffen sich die Organisatoren zwei Mal in der Woche in der Webagentur „Keksbox“ in der Simon-Dach-Straße. Hier wird rege diskutiert und sich ausgetauscht, jeder stellt neue Ideen vor und teilt den anderen mit, mit welchen Organisationen er mit welchem Ergebnis gesprochen hat.

Wer Hemden, Schuhe und Co. spenden möchte, kann dies auch beim "WelcomeCamp" tun: Die Initiative "Friedrichshain hilft" wird vor Ort sein und eine Liste mitbringen, welche Kleidungsstücke für die Berliner Flüchtlingsunterkünfte benötigt werden. Die Initiative hat sich im September 2015 zusammengeschlossen, um kurzfristig in den Notunterkünften mit anzupacken. Aber auch langfristig sollen Geflüchtete im Kiez aufgenommen und ihnen eine neue Heimat geboten werden. “Wir setzen uns ein für einen bunten und solidarischen Kiez!” sagt Anna, eine der Organisatorinnen.

Parteien oder die Berliner Verwaltung haben sich nicht angemeldet. „Das WelcomeCamp gibt mir die Möglichkeit, aktiv zu werden und ein Zeichen zu setzen: für Menschlichkeit, für gelebte Willkommenskultur“, sagt Mitinitiator Henry Schröder, der sonst als freier Berater für Unternehmenskommunikation arbeitet. Und auch Svenja Goebel, Online-Redakteurin bei einem Frauenmagazi, glaubt dass Willkommenskultur mehr ist als nur Geldspenden und Worte. „Und Deutschland ist ein Land, dass Menschen willkommen heißt, davon bin ich überzeugt und das werden wir zeigen, erleben und andere spüren lassen.“

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