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Unser Jugendblog-Autor Max Deibert (20) findet Game of Thrones ziemlich bescheuert.

© privat

Ausstellung in Berlin: "Game of Thrones wird doch nur wegen der Gewalt- und Sexszenen geschaut"

Die Game of Thrones Ausstellung in Berlin war schnell ausverkauft. Zwei Autoren unseres Jugendblogs haben sich unters GoT-Volk gemischt - und über den Sinn der Serie diskutiert.

„Wieso“, fragt Max, als wir uns für ein Foto anstellen, „ist der Thron da eigentlich aus Schwertern?“ - „Keine Ahnung, sieht halt cool aus“, erwidert Alex. „Ist das nicht irgendwie ungemütlich?“ - „Klappe jetzt, mach Fotos."

Wir befinden uns in Treptow, in der Arena Berlin. Dort wurden am vergangenen Wochenende alle Besucher in die Welt der Serie „Game of Thrones“ entführt. Oder in die der Fetischmesse nebenan. Was haben wir erlebt? Wir sind zu Zombies mutiert, wurden von einer Mauer geschossen und auf einen Haufen Schwerter gesetzt. Das Ganze in einer halben Stunde – inklusive Wartezeiten.

Bei der Ankunft erwartet uns zunächst eine Menschenschlange, die bis auf die Straße reicht – sie löst sich allerdings in Sekundenschnelle wieder auf, die Besucher werden stoßweise hereingelassen. „Beim Presseticket ist immer eine Begleitung dabei – da können sie doch die Dame hier mit reinnehmen“, begrüßt uns die Frau am Eingang. „Neue Bekanntschaften knüpfen und so.“ Unsere Begleitung stellt sich als Fantasy-Autorin vor. Ihr Name klingt französisch. Gemeinsam stellen wir uns für die erste Attraktion an – dort wird man fotografiert und durch Nachbearbeitung in einen „Weißen Wanderer“ verwandelt. An einem ähnlichen Stand muss man sich schützend die Hände vors Gesicht halten. Im fertigen Video sieht es aus, als würde man von einem Drachen verbrannt. Auch auf eine Replik des berühmten „Eisernen Thron“ kann man sich setzen.

Alexander Wollheim (14) hingegen ist begeistert von der Fantasy-Serie.

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Jeder Besucher bekommt einen kurzen Moment der Interaktion, der Aufmerksamkeit, jeder darf seine Pose für die originellste und die witzigste halten. Hier und da hängen Mäntel und Schwerter von Hauptcharakteren der Serie an der Wand. Zum Anfassen, ohne Glas oder Bewegungssensoren.

Und wie sieht´s mit dem literarischen Wert aus?

In der Warteschlange. Die Fantasy Autorin ist verschwunden. Max holt Luft: „Game of Thrones wird doch nur wegen der Gewalt- und Sexszenen geschaut. Der literarische Anspruch der Bücher ist nichts mehr als Unterhaltung. 50 Thrones of Grey.“ Alex, Fan der Serie, hält dagegen: „Ich glaube nicht, dass Sex und Gewalt das ist, was die Serie ausmacht. Eher der Grundgedanke, dass es verschiedene Parteien gibt, die Machtansprüche stellen und intern oft verschiedener Meinung sind. Das führt dazu, dass unzählige Handlungsstränge entstehen und nahezu jeder Charakter zur Hauptfigur werden kann. Es fasziniert den Zuschauer dann, wenn einzelne Handlungsstränge zusammenlaufen-“ „es interessiert den Zuschauer nur, wenn die Handlungsstränge Sex vor der Kamera haben“, fährt Max dazwischen. „Koitus und das Töten von wichtigen Charakteren nötigt den Zuschauer dazu, gespannt zu bleiben, nicht die uninteressanten Dialoge.“ Bei dem Wort „Koitus“ drehen sich ein paar Köpfe in unsere Richtung.

Alex erwidert etwas leiser: „Man kann etwas nicht verurteilen, weil es darauf aus ist, Menschen zu unterhalten. Mir fällt es heutzutage eher schwer Literatur ernst zu nehmen, die beim verzweifelten Versuch, gesellschaftskritisch zu sein oder eine Botschaft zu vermitteln, die Vorzüge einer packenden Story, einer großen Einbildungskraft und weiß Gott halt auch mal Sex und Gewalt ignoriert.“ - „Typischer Game of Thrones- Gucker halt…“ - „Warte. Außerdem denke ich, dass die Serie sehr wohl eine Message hat: Dass man niemandem trauen kann - und daraus folgend, dass die Werte über Gut und Böse hinausgehen und dass manchmal der alkoholsüchtige Bordellstammgast der aufrichtigste aller Männer sein kann.“ Max verdreht die Augen: „alkoholsüchtiger Bordellstammgast…“

Cosplay ist out, ansonsten "ganz nett"

Das Herzstück der Ausstellung ist ein Virtual-Reality-Trip auf die Grenzmauer im Norden des Kontinents Westeros. Im virtuellen Fahrstuhl nach oben, anschließend von einem brennenden Pfeil durchbohrt, stürzt man die Mauer wieder hinunter. Der Trip dauert leider nicht länger als eine Minute. Vereinzelt kreischen Mädchen vor Schreck auf.

Die Stimmung in der Arena ist gelassen und informell. Jeder duzt sich. Die meisten Besucher interessieren sich für alle Arten von Fantasy und Fiktion, sie erzählen stolz von unzähligen Conventions und Messen, zeigen Souvenirs und Autogramme. Weniger die typischen Seriengucker als vielmehr das Klischee des Fans, der den ganzen Tag die Internetseite neu lädt, um die Freigabe der Tickets nicht zu verpassen. Nur ohne Kostüme. Cosplay scheint bei Game of Thrones out zu sein. Die Mitarbeiter sind höflich, auf kumpelhafte Art – was dazu führt, dass man die Veranstaltung als „ganz nett“ in Erinnerung behält.

Nur schade, dass die Ausstellung trotz der Fernhaltung großer Menschenmassen durch die begrenzte Ticketanzahl als eine Art Massenabfertigung konzipiert wurde. Uns wäre es viel lieber gewesen, etwas über die Hintergründe der Serie zu erfahren oder Einblick in unveröffentlichtes Material zu bekommen, als von einem Bildschirm abzulesen, wie viele Leute in der zweiten Staffel umkamen oder uns unter dem Namen „der Nächste“ als Zombie fotografieren zu lassen. Man hat sich für den einfacheren Weg entschieden – und so war das Einzige, was begeisterte, die Freundlichkeit der Mitarbeiter und die Kürze der Warteschlangen.

„War das jetzt alles?“ Max spricht die Frage aus, die unüberwindbar im Raum steht, als wir am Ausgang stehen. „Naja“, sagt Alex, „was hast du erwartet – immerhin waren die Tickets kostenlos.“ Eine junge Frau drückt uns Flyer für die Fetisch Messe in die Hand. Max grinst. „Das sieht doch intere-“ „Denk nicht mal dran“, murmelt Alex.

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Alexander Wollheim, Max Deibert

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