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EIn Banner in der Demonstration in Berlin-Kreuzberg.

© Foto: Hannes Heine/ TSP

Update

„Für demokratische Lösung der kurdischen Frage“: Fast 1500 Menschen demonstrieren in Berlin gegen das PKK-Verbot

Die türkische Armee intensiviert Angriffe auf vermeintliche Hochburgen der Arbeiterpartei Kurdistans in Syrien. In Deutschland wird die PKK juristisch verfolgt.

| Update:

Mehr als tausend Menschen haben am Sonnabend in Berlin gegen das Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) demonstriert. In der Spitze seien es mehr als 1400 Demonstranten gewesen, sagte ein Polizeisprecher, Zwischenfälle habe es nicht gegeben.

Nach einer Kundgebung am Neuköllner Hermannplatz zog der Protest mittags zum Kreuzberger Oranienplatz. Das Verbot der PKK werde zur Kriminalisierung politisch aktiver Kurden genutzt, hieß es zum Auftakt, es verhindere eine demokratische Lösung der kurdischen Frage.

Regelmäßig werden bundesweit Vereine von Polizisten durchsucht, weil sie das PKK-Verbot zu unterlaufen drohten; Fahnen, Spendengelder, Bücher beschlagnahmt. Die PKK steht auf einer EU-Liste terroristischer Organisationen, wobei das daraus resultierende Verbot kaum irgendwo in Europa so streng gehandhabt wird wie in Deutschland.

Belgiens Kassationshof entschied 2020, die PKK sei keine Terrororganisation, sondern eine Konfliktpartei im Sinne des Völkerrechts. In vielen EU-Staaten werden zumindest keine PKK-Symbole eingezogen, sollten sie auf friedlichen Veranstaltungen gezeigt werden.

Im Mai dieses Jahres hatten Berliner Anwälte im Bundesinnenministerium einen Antrag eingereicht, das Verbot der PKK in Deutschland aufzuheben. Die Anhänger der Partei begingen in Deutschland keine Straftaten mehr, erklärten die Antragsteller, auch die Ziele der Organisation hätten sich geändert, sie fordere Autonomie statt Sezession für die kurdischen Regionen im Südosten der Türkei.

Mit dem Kampf gegen die PKK begründet der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan die aktuellen Angriffe auf die kurdischen Autonomieregionen in Syrien und Irak. Ankaras Luftwaffe bombardierte in dieser Woche insbesondere die nordsyrische Autonomieregion, es starben Dutzende.

Die kurdisch geprägte Selbstverwaltung dort nennt sich „Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien“ und wird von einer Koalition unter Führung der säkularen PYD regiert. Die Partei steht ideengeschichtlich der PKK nahe. Deren Führung wiederum hat sich in den Neunzigern in den Nordirak zurückgezogen.

Bei der Demonstration durch Neukölln und Kreuzberg gab es keine Zwischenfälle.
Bei der Demonstration durch Neukölln und Kreuzberg gab es keine Zwischenfälle.

© Foto: Hannes Heine

Nordsyriens kurdische YPG-Streitkräfte sind die Hauptkraft in der von den USA unterstützen SDF-Allianz, die den „Islamischen Staat“ (IS) als Territorialmacht besiegte. In von Kurden bewachten, stadtähnlichen Gefangenencamps in Nordsyrien leben derzeit 12.000 IS-Kämpfer sowie 70.000 Angehörige. Viele europäische Regierungen weigern sich, kriegserprobte Dschihadisten in ihre Heimatländer zurückzuholen.

Als die türkische Luftwaffe am Mittwoch die Sicherheitskräfte am Gefangenencamp Al-Hol bombardieren ließen, wurden acht SDF-Leute getötet, woraufhin IS-Anhänger aus dem Lager fliehen konnten. Stunden zuvor hatte Ankaras Armee auch Orte neben einem Gefängnis nahe Kamischli angegriffen.

Auch Fahnen syrisch-kurdischer Verbände waren in Kreuzberg zu sehen.
Auch Fahnen syrisch-kurdischer Verbände waren in Kreuzberg zu sehen.

© Foto: Hannes Heine/TSP

Dem türkischen Staatschef Erdogan geht es offenbar darum, die nordsyrische Selbstverwaltung in Gänze zu zerstören, die kurdischen Kräfte jedenfalls nicht nur von der syrisch-türkischen Grenze zu vertreiben. Al-Hol liegt 50 Kilometer südlich im Landesinneren. Erdogan drohte mit einer umfassenden Besatzung der Region. Dschihadisten begrüßen den türkischen Vorstoß.

In Deutschland wurde die PKK 1993 verboten, als ihre Anhänger türkische Vertretungen in Brand gesteckt und Autobahnen blockiert hatten. Wer für die PKK wirbt, Spenden sammelt, Proteste organisiert, dem droht Haft. Staatsanwälte bemühen neben den Vereinsgesetzen zuweilen den 2001 eingeführten Paragraf 129b: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland.

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