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Ausweg: Wenn es zu Hause zu gefährlich wird, bieten Frauenhäuser Schutz.

© Peter Steffen/dpa

Frauenhaus in Reinickendorf muss wohl schließen: Berlin will Finanzierung für Kriseneinrichtungen grundlegend ändern

Laut ihrem Träger ist die Unterkunft chronisch unterbesetzt, Grund sollen wirtschaftliche Interessen der Bezirke sein. Regierung und Opposition wollen handeln.

Von Sonja Wurtscheid

Berlin will die Finanzierung von Krisenstellen neu aufstellen und Schließungen so künftig verhindern. Regierungs- und Oppositionsparteien befürworteten dies im Sozialausschuss. Senatorin Katja Kipping (Linke) nannte es eine "bemerkenswerte Einigkeit zwischen Opposition und Regierungsseite". Für Berlins einziges Frauenkrisenhaus in Reinickendorf wird diese Änderung aber wohl zu spät kommen. Die Schließung zum 31. März sei nicht mehr abwendbar, die Einrichtung aus seiner Sicht "verloren", sagte SPD-Politiker Lars Düsterhöft am Donnerstag.

Kipping hatte unter anderem vorgeschlagen, Kriseneinrichtungen aus dem sogenannten Planmengenverfahren auszunehmen. Nach diesem Verfahren bewilligen Bezirke aktuell Leistungen, in dem Fall die Unterbringung von Frauen im Reinickendorfer Krisenhaus. Sie fallen unter den in Paragraf 67 des Sozialgesetzbuchs geregelten Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten ("67er-Hilfen"). Das Planmengenverfahren ermöglicht es den Bezirken aber, Einsparungen für andere Zwecke auszugeben. 25 Prozent der nichtausgegeben Summe können umgewidmet werden.

"Wir müssen an das Planmengenverfahren ran", sagte die FDP-Politikerin Maren Jasper-Winter. Die dadurch gesetzten Fehlanreize in den Bezirken beträfen insbesondere stationäre Einrichtungen. Deshalb sollten diese zuerst aus dem Planmengenverfahren rausgenommen werden. Im Anschluss sollte geprüft werden, ob auch ambulante Einrichtungen von den Fehlanreizen betroffen seien, forderte Jasper-Winter.

Auch zu kurze Bewilligungszeiträume führten aus Sicht von Düsterhöft zu niedrigen Belegungen. Es sei "lächerlich" wenn Hilfesuchenden ein bis zwei Tage Aufenthalt bewilligt würden. Auch ein bis zwei Wochen seien "unzureichend" – "in dieser Zeit werden Anträge gestellt". Es brauche einen Mindestaufenthalt von vier bis sechs Wochen. Wenn diese Zeit nicht bewilligt werde "brauchen wir uns nicht zu wundern, dass unsere Einrichtungen gegen die Wand gefahren werden".

"Es gibt einen Rechtsanspruch, den niemand in Frage stellt", sagte der CDU-Politiker Stefan Evers mit Blick auf die "67er-Hilfen". Bei der Umsetzung hinke Berlin aber hinterher. Der Senat sollte in der Lage sein "kurzfristig zu einer Verständigung zu kommen".

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Im Frauenkrisenhaus in Reinickendorf packt man indes die Sachen. Erste betriebsbedingte Kündigungen seien schon ausgesprochen, bestätigte die Geschäftsführung des Trägers, die Bürgerhilfe Kultur des Helfens, dem Tagesspiegel. Nur einzelne der derzeit 18 angestellten Mitarbeiter:innen der 2012 gegründeten Einrichtung würden intern umbesetzt, erklärte Geschäftsführerin Heike Christ. Sie sagte: "Für viele von ihnen bricht eine Welt zusammen."

"Unsere Unterkunft ist chronisch unterbesetzt, weil die Bezirke aus wirtschaftlichen Gründen von einer Bewilligung absehen", erklärte Christ. Im vergangenen Jahr hätten den Träger mehr als 500 Anfragen erreicht, nur 68 Menschen wurden tatsächlich vermittelt. Die Einrichtung erwirtschaftete ein Defizit von 140.000 Euro.

Düsterhöft und Jasper-Winter schlugen im Sozialausschuss vor, das Gebäude des Frauenkrisenhauses übergangsweise für ukrainische Kriegsflüchtlinge zu nutzen, bis die Finanzierung auf neue Beine gestellt sei und das Frauenkrisenhaus wieder eröffnen könne. Kipping zeigte sich offen dafür, das sei "eine gute Anregung".

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