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Diese Tafel sollte an Wolfgang Waterstraat erinnern. Sie wurde in der Nacht nach ihrer Anbringung abmontiert und entwendet. 

© BAB/Werner Menke-Schersch

Erinnerung an Opfer des Stalinismus in Berlin: Gedenktafel innerhalb weniger Stunden entwendet

Der Berliner Forscher Wolfgang Waterstraat wurde 1951 von SED-Schergen entführt und von einem Militärtribunal zum Tode verurteilt. Die Gedenktafel sollte an ihn und seine letzte Adresse erinnern.

Die Karl-Marx-Straße 196 war die letzte Adresse des Mikrobiologen und Arztes Wolfgang Waterstraat. Das gleichnamige Projekt „Die letzte Adresse“ des Vereins Memorial Deutschland wollte mit einer Gedenktafel an den antikommunistischen Aktivisten erinnern.

Kurz nach ihrer Enthüllung am 18. August wurde sie von Unbekannten entwendet. Noch in derselben Nacht seien die Tafel sowie niedergelegte Blumen und Gedenkkränze verschwunden, sagt seine Tochter Ute Görge-Waterstraat.

Waterstraat war am 28. August 1951 auf dem Weg zur Arbeit am S-Bahnhof Ostkreuz von Mitarbeitern des damaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR entführt worden. Er forschte damals am Robert Koch-Institut für Mikrobiologie.

Seine Frau und die damals dreijährige Tochter hörten nie wieder von ihm. Erst 1959 erfuhr seine Frau, dass Waterstraat wenige Monate nach der Entführung von einem sowjetischen Militärtribunal wegen angeblicher Spionage, Diversion und antisowjetischer Propaganda zum Tode verurteilt worden war.

Über tausend Deutsche wurden wegen ihres vermeintlichen Antikommunismus zum Tode verurteilt

Damit war Wolfgang Waterstraat einer von insgesamt 1112 Deutschen, die zwischen 1950 und 1953 von den Sowjets wegen ihrer (vermeintlich) antikommunistischen Haltung zum Tode verurteilt wurden. Am 2. April 1952 wurde er in Moskau ermordet. Er war 32 Jahre alt. Am 4. August 1993 wurde er von der russischen Militärstaatsanwaltschaft vollständig rehabilitiert.

Die Gedenktafel wurde am 18. August von Waterstraats Enkelkindern, Vertreter:innen des Vereins Memorial und unter anderem Jens Schöne, dem stellvertretenden Berliner Aufbereitungsbeauftragten für die SED-Diktatur, enthüllt. „Solche Zeichen des Gedenkens sind zwingend nötig, denn sonst verblasst die Erinnerung“, sagte Jens Schöne in seiner Rede. „Das aber können wir als Gesellschaft der Gegenwart nicht wollen.“

Wolfgang Waterstraat wurde 1951 am S-Bahnhof Ostkreuz von SED-Schergen entführt, seine Familie hörte nie wieder von ihm.
Wolfgang Waterstraat wurde 1951 am S-Bahnhof Ostkreuz von SED-Schergen entführt, seine Familie hörte nie wieder von ihm.

© BAB/Werner Menke-Schersch

Vom Diebstahl der Tafel zeigte Schöne sich auf Tagesspiegel-Anfrage „fassungslos“: „Memorial Deutschland betreibt das Projekt ‚Die letzte Adresse‘ mit viel Herzblut, um an vergessene Opfer des Stalinismus zu erinnern, die unter fadenscheinigen Vorwürfen von sowjetischen Militärgerichten zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Der Diebstahl der Gedenktafel und die Zerstörung der Kränze sind absolut inakzeptabel“, so Schöne. „Sie werden die weitere Aufarbeitung kommunistischer Verbrechen nicht verhindern.“

Ein Sprecher der Berliner Polizei bestätigt auf Anfrage, dass der Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamtes mit dem Diebstahl der Gedenktafel befasst war. Das Verfahren liege mittlerweile bei der Staatsanwaltschaft – was darauf hindeutet, dass die Ermittlungen Ergebnisse hervorgebracht haben. Aus der Staatsanwaltschaft hieß es, dass das Verfahren bislang noch nicht im System aufzufinden sei.

Waterstraats Tochter Ute Görge-Waterstraat berichtet, dass eine Ersatz-Gedenktafel bereits in Berlin sei. Sie hoffe, dass der Staatsschutz und die Staatsanwaltschaft die Verantwortlichen für diese Vorfälle ermitteln, um die Wahrung der Menschenrechte und die Achtung der Opfer politischer Gewalt zu gewährleisten. Da der Termin für eine Neuanbringung der Gedenktafel noch nicht feststehe, sei ungewiss, ob Familienmitglieder erneut nach Berlin reisen können.

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