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Wegen des Verfahrens in Nordrhein-Westfalen wird in 14 Bundesländern gegen mutmaßliche Täter ermittelt, auch in Berlin und Brandenburg.

© imago images/blickwinkel

Berliner LKA lieferte den Hinweis: Ein Neuköllner Sexualtäter führte zum Komplex Wermelskirchen

Bei Ermittlungen gegen einen Berliner Missbrauchstäter stieß das LKA auf den Beschuldigten aus Nordrhein-Westfalen. Die Männer hatten ausführlichen Chatverkehr.

Anfang Mai hat das Landgericht Berlin einen 28-Jährigen zu zwölf Jahren Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Mann hatte in 50 Fällen schweren sexuellen Missbrauch begangen, in sieben Fällen sogar besonders schweren.

Dieser 28-Jährige ist der entscheidende Ausgangspunkt für die Ermittlungen, die zur Verhaftung eines 44-Jährigen aus dem nordrhein-westfälischen Wermelskirchen geführt haben. Das erklärte der Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, Sebastian Büchner, ohne dabei explizit den Namen des Mannes zu nennen. Er schrieb von „einem in Berlin wohnhaften Beschuldigten, der wegen schweren sexuellen Missbrauchs zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde“. Gemeint ist Sönke G.

Der 44-jährige Mann aus Wermelskirchen ist Hauptverdächtiger in einem Missbrauchskomplex bislang unbekannter Dimension. Ermittler aus Köln haben am Montag darüber informiert.

Der Angestellte soll mit Dutzenden weiteren Männern Bilder und Videos „unvorstellbarer Brutalität“, so ein Ermittler, getauscht haben. Unter den Opfern waren nach Polizeiangaben fünf Säuglinge und Kinder mit Behinderungen. Insgesamt 73 Verdächtige und 33 Opfer sind identifiziert worden.

Auf Sönke G. waren die Ermittler des Berliner Landeskriminalamts (LKA) im Sommer 2021 wegen eines anonymen Hinweises gestoßen. Am 4. August wurde er festgenommen. Bei der Analyse der beschlagnahmten Daten wurden den Fahndern schnell klar, dass sie es hier mit einem schweren Fall von Kindesmissbrauch zu tun haben könnten.

Sönke G. hatte Chatverlauf mit dem Hauptverdächtigen aus Wermelskirchen

Eine Ermittlungsgruppe wurde gegründet, diese stieß bei der Datenauswertung auf den 44-Jährigen aus Wermelskirchen. Sönke G. hatte mit ihm einen ausführlichen Chatverkehr. Im Spätherbst übermittelten die Berliner LKA-Beamten ihre gesamten Erkenntnisse nach Nordrhein-Westfalen.

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Dort nahmen die zuständigen Beamten sofort weitere Ermittlungen auf und überwältigten den 44-Jährigen im Dezember an seinem eingeschalteten Rechner. Sie konnten damit die unverschlüsselten Daten sichern.

Die aktuelle Regelung der Vorratsdatenspeicherung bildete in diesem Fall bei den Ermittlungen kein Hindernis, weil die Ermittler den Chatverlauf in Händen hatten, der sehr eindeutige Hinweise auf Straftaten ergab. Holger Münch, der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), hatte sich erst am Montag wieder darüber beklagt, dass viele Verfahren zu Kindesmissbrauch eingestellt werden müssten, weil die Fahnder nur sieben Tage Zeit hätten, um zum Beispiel IP-Adressen prüfen zu können.

Verfahren in 14 Bundesländern gegen weitere Verdächtige

Aufgrund des Verfahrens gegen den 44-Jährigen aus Wermelskirchen wird jetzt in 14 Bundesländern gegen weitere mutmaßliche Täter ermittelt, darunter in Berlin und in Brandenburg. In Brandenburg gibt es fünf Verfahren; wie hoch die Zahl in Berlin liegt, ist nicht bekannt. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft machte dazu keine Angaben.

Zum Komplex Wermelskirchen sagte er aber: „Es handelt sich nach hiesigen Erkenntnissen fast ausschließlich um eigenständige Taten, die mit den Berliner Taten nicht in Zusammenhang stehen.“

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Der Prozess gegen den Berliner Sönke G. begann bemerkenswert schnell, zwischen Anklage und Prozessbeginn lagen nur wenige Wochen. Grund dafür waren die umfangreichen Taten, die dem 28-Jährigen vorgeworfen wurden. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Neukölln entdeckten Fahnder Missbrauchsdarstellungen auf dem Computer.

Das jüngste Opfer war sieben Monate alt

Die sexuellen Übergriffe, auf welche die Polizisten stießen, geschahen in der Zeit von Januar 2015 bis März 2020. Das jüngste Opfer von Sönke G. war sieben Monate alt. Sönke G. ist in den Körper einiger Kinder eingedrungen, mitunter hat er ihnen dabei den Mund zugehalten. Er hatte die meisten seiner Taten auch gefilmt. Im Internet hatte er sich als Babysitter angemeldet.

Drei der Taten soll G. mit einem Komplizen begangen haben. Dessen Verfahren liegt bei der Staatsanwaltschaft Köln.

Sönke G. war zwar wegen Diebstahls, aber nicht wegen Sexualdelikten vorbestraft. Deshalb war es ungewöhnlich, dass ein Gericht gegen einen nicht einschlägig Vorbestraften Sicherungsverwahrung anordnete. Aber es bestehe Wiederholungsgefahr, „der sich aus dem vorliegenden Hang ergibt“, hieß es aus dem Gericht als Begründung.

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