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Alexander Straßmeir

© Sandra Ritschel

Der Lageso-Präsident über den Inklusionspreis: „Diese Arbeitgeber verdienen Anerkennung und Würdigung“

Seit Beginn dieses Jahres leitet Alexander Straßmeir das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales. Mit dem Tagesspiegel spricht er über den Inklusionspreis und gute Vorbilder.

Herr Straßmeir, Sie sind seit 1. Januar 2023 Präsident des Lageso. Welche Berührungspunkte hatten Sie zuvor mit dem Thema Inklusion?
Abgesehen vom einem Rollstuhlfall in der Familie habe ich in meiner vorherigen Arbeitsstelle als Leiter des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) viele Berührungspunkte mit dem Thema Inklusion gehabt. Wir haben es im LAF geschafft, unter den Beschäftigten eine stetige Schwerbehindertenquote von über 10 Prozent zu etablieren. Darüber hinaus wurde eine Betriebsintegrierte Gruppe in Zusammenarbeit mit einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung ins Leben gerufen. Aber auch bei den nach Berlin Geflüchteten gibt es vulnerable Gruppen, unter denen sich Menschen mit einer Behinderung befinden. Diesen Menschen galt bei unserer Unterstützung große Aufmerksamkeit.

Vor wenigen Tagen haben Sie erstmalig in ihrer neuen Position den Berliner Inklusionspreis verliehen. Worin sehen Sie die Bedeutung dieses Preises?
Berliner Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die Menschen mit Schwerbehinderung inklusiv ausbilden und beschäftigen, verdienen Anerkennung und öffentliche Würdigung. Diese Vorbildfunktion soll Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen zum Nachahmen anregen, denn es gibt viele Förderungs- und Beratungsmöglichkeiten bei der Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen. Der Inklusionspreis trägt seit vielen Jahren dazu bei, Vorurteile bei der Beschäftigung von Menschen mit Handicap abzubauen und das Bewusstsein für deren Potenziale zu stärken.

Alexander Straßmeir (r.) mit Sängerin Joselyn B. Smith und Moderator Harald Pignatelli beim Festakt zur Verleihung des Berliner Inklusionspreises am 1. Dezember 2023.

© Sandra Ritschel

Gute Erfahrungen der Preisträger – bei der Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung – machen anderen Firmen diverse Möglichkeiten von Inklusion sichtbar. Damit die Good-Practice-Beispiele der Gewinner-Unternehmen künftig noch mehr Wirkung zeigen, prüft ein Expertenteam meines Amtes gegenwärtig weitere öffentlichkeitswirksame Formate.

Wie hilft Ihr Inklusionsamt konkret Arbeitgebern und schwerbehinderten Beschäftigten?
Die Aufgabe des Inklusionsamtes ist es, Beschäftigungsverhältnisse schwerbehinderter Menschen zu ermöglichen, zu erleichtern und zu sichern. Hierfür leisten wir äußerst vielfältige und wirksame Unterstützungen. Sie reichen von kostenfreien Schulungsmaßnahmen über berufsbegleitende Betreuungen durch Integrationsfachdienste bis zu finanziellen Hilfen an Arbeitgeber für die Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen oder die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen. Seit einem Jahr gibt es auch eine Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber, welche Unternehmen als Lotse bei Fragen zur Berufsbegleitung und Beschäftigungssicherung von schwerbehinderten Menschen zur Verfügung steht. Die Beschäftigten selbst können zum Beispiel Leistungen für technische Arbeitshilfen und Arbeitsassistenzen erhalten.

Die Berliner Verwaltung schreitet mit gutem Beispiel voran

Allein im letzten Jahr konnte das Inklusionsamt mit über 50 Millionen Euro die berufliche Teilhabe von Menschen mit Handicap auf dem regulären Arbeitsmarkt unterstützen. Mit gutem Beispiel schreitet auch die Berliner Verwaltung selbst voran. Um die Hürden bei der Einstellung von schwerbehinderten Menschen im Öffentlichen Dienst zu reduzieren, stellt Berlin im Doppelhaushalt 2024/2025 Inklusionsmittel zur Verfügung. Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes können mit diesen Geldern schwerbehinderte Menschen beschäftigen – ohne vorhandene Stelle und ohne freie Mittel. Diese Beschäftigungsverhältnisse sind auf zwei Jahre befristet und geben Menschen mit Schwerbehinderung attraktive Chancen, ihre Fähigkeiten für das Land Berlin dauerhaft einzusetzen.

Das Internet eröffnet Existenzgründern neue Geschäftsmodelle. Inwiefern können auch Menschen mit Behinderung, die sich selbständig machen wollen, davon profitieren?
Das Internet bietet neue Geschäftsmodelle für alle Menschen, auch für Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Annahme, dass behinderte Existenzgründer grundsätzlich vom Internet mehr profitieren als andere, bewahrheitet sich in der Praxis nicht. Grundlage für diese Annahme ist das Stereotyp vom behinderten Menschen als ‚nicht mobilem Rollstuhlfahrer‘.

Grundsätzlich gilt aber: Für einige Menschen mit Handicap ist berufliche Selbstständigkeit oft die einzige realistische Chance, am regulären Arbeitsmarkt teilzuhaben. Das Inklusionsamt kann die Gründung und die Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz schwerbehinderter Menschen fördern. Der vom Lageso eingerichtete und finanzierte Integrationsfachdienst Selbstständigkeit prüft die Tragfähigkeit der Idee für eine selbstständige Tätigkeit.

Wie ist die Situation auf dem Ausbildungsmarkt? Höhere Chancen für Menschen mit Behinderung angesichts vieler offener Ausbildungsplätze?
Der bereits eingetretene Fachkräftemangel sowie die Auswirkungen der verlängerten Lebensarbeitszeit führen sicherlich dazu, dass die Arbeitsmarktchancen für Menschen mit Beeinträchtigungen steigen. Dies gilt auch für die Ausbildungsverhältnisse. Dennoch haben es Menschen mit Behinderung immer noch ungleich schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden, als Menschen ohne Behinderung. Diese Erkenntnis finde ich ziemlich traurig und auch etwas beschämend.

Allein mit offenen Ausbildungsplätzen ist das Problem aber nicht zu lösen. Wir sollten viel mehr Anstrengungen unternehmen, den Übergang von der Schule in ein Ausbildungsverhältnis nachhaltig zu fördern. Seit 2020 vergibt das Lageso den Inklusionspreis auch in der Kategorie „Inklusive Ausbildung“ und setzt sich somit für die Stärkung der Ausbildungschancen von Menschen mit Handicap auf dem regulären Arbeitsmarkt öffentlichkeitswirksam ein.

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