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Teilnehmende der Demonstration „Wichtiger als Du denkst – Freie Träger am Limit“.

© Daniel Böldt

Update

Demonstration vor dem Roten Rathaus: Wohlfahrtsverbände fordern mehr Geld vom Land Berlin

Den freien Träger in Berlin sollen zwar nicht, wie zunächst geplant, Mittel gestrichen werden. Das reiche angesichts der Inflation aber nicht aus, kritisieren die Wohlfahrtsverbände.

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Mehrere Berliner Wohlfahrtsverbände sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund haben am Mittwoch für mehr Geld für die freien sozialen Träger demonstriert. Laut Veranstaltern versammelten sich rund 4000 Beschäftigte verschiedener Sozialeinrichtungen und Gewerkschaften am frühen Nachmittag vor dem Roten Rathaus unter dem Motto „Wichtiger als Du denkst – Freie Träger am Limit“. Hintergrund sind sowohl die Haushaltsverhandlungen in Berlin als auch auf Bundesebene.

„Wir begrüßen, dass die ursprünglich geplanten dramatischen Kürzungen im sozialen Bereich des Haushaltsentwurfs 2024/2025 von der Koalition zurückgenommen wurden. Aber das reicht nicht“, sagte Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin des Berliner Landesverbands des Deutsches Paritätischen Wohlfahrtsverbands. „Durch die immensen Kostensteigerungen klaffen in vielen sozialen Organisationen große Finanzierungslücken.“

Der Haushaltsentwurf des schwarz-roten Senats sah zunächst für viele freie Träger Kürzungen vor – etwa im Etat der Senatsgesundheitsverwaltung. Betroffenen waren zahlreiche soziale Einrichtungen, beispielsweise die Caritas Ambulanz am Bahnhof Zoologischer Garten oder der Verein Tabea, der sich um die Trauerbegleitung von Kindern und Jugendlichen nach dem plötzlichen Tod von Angehörigen kümmert.

Geplante Kürzungen zurückgenommen

Die Fraktionen von SPD und CDU haben sich in den anschließenden Haushaltsverhandlungen darauf verständigt, die Mittel für viele soziale Organisationen wieder anzuheben. „Der Haushaltsentwurf der Senatsverwaltung mit Kürzungen bei den sozialen Trägern war weder gut noch richtig“, sagte Bettina König, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, dem Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint. Man habe deshalb über sogenannte Änderungsanträge die Kürzungen für 120 soziale Träger zurückgenommen. Diese müssen allerdings noch durch den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. Final beschlossen wird der Doppelhaushalt Ende Dezember im Parlament.

Laut Verbänden und Gewerkschaften ist die Rücknahme der Kürzungen jedoch nicht ausreichend – sie fordern angesichts der Inflation mehr Geld als in den vergangenen Jahren. Eine bundesweite Umfrage der Arbeiterwohlfahrt (AWO), des Paritätischen Wohlfahrtsverbands und der Diakonie Deutschland unter rund 2700 Organisationen hatte ergeben, dass die Kostensteigerung für die Träger seit Anfang 2022 bei durchschnittlich 16 Prozent liegt. 40 Prozent der Träger hätten demnach Angebote und Leistungen aus finanziellen Gründen bereits einschränken oder ganz einstellen müssen.

Der Senat ignoriere die „immens gestiegenen Sach- und Personalkosten der Freien Träger“, kritisierte Andrea Asch, Vorständin der Diakonie. „Es sollte jedem klar sein: Wenn das Land jetzt nicht entschlossen gegensteuert, wird für viele Menschen in Berlin dringend notwendige Hilfe, Beratung und Unterstützung wegfallen“, sagte Asch. „Eine kluge Sozialpolitik stopft nicht notdürftig Löcher, sondern investiert mit wirtschaftlichem Weitblick.“

Verbände: Landes-Tarifsteigerungen sollen auch für freie Träger gelten

Kritik an Schwarz-Rot kommt auch von den Grünen. „Sämtliche Ersparnisse des Landes sind für diesen Haushalt aufgebraucht worden. Und doch betreibt dieser Haushalt faktisch Sozialabbau und gefährdet die Arbeit der freien Träger“, sagte Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch. Die Fortschreibungen seien „de facto Kürzungen“.

Jarasch fordert, die Kostensteigerungen der freien Träger zu berücksichtigen und auch, dass „Tarifsteigerungen schnell und verbindlich auch an freie Träger weitergegeben werden“. Dies ist eine weitere zentrale Forderung der Wohlfahrtsverbände: Erhöht sich der Lohn für die Landesbediensteten, sollen auch die freien Träger mehr Geld bekommen, um ihre berlinweit rund 100.000 Beschäftigten zu bezahlen.

Die Gewerkschaften fordern eine verbindliche Orientierung am Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L). CDU und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, zu prüfen, „wie sowohl die Träger im Sozial-, Erziehungs- und Bildungsbereich als auch die im Bereich der öffentlich geförderten Berliner Beschäftigungs-, Bildungs- und Beratungsträger dazu befähigt werden, Tarife auf Höhe des TV-L anzuwenden“. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor.

Die Demonstration, die vom Roten Rathaus zum Abgeordnetenhaus und schließlich zum Brandenburger Tor führte, richtete sich auch an die Bundespolitik. So rechnet die Diakonie durch geplante Kürzungen im Bundeshaushalt mit einem Wegfall von bis zu 30 Prozent ihrer Angebote in den Beratungsstellen für Migrant:innen in Berlin und Brandenburg. Auch Kürzungen bei der Demokratieförderungen an Schulen kritisieren die Verbände.

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