zum Hauptinhalt
Temporäre Spielstraße in Kreuzberg

© Bündnis Temporäre Spielstraßen

Update

Temporäre Spielstraßen in Berlin: Straßenfest oder öffentlicher Raum?

Seit 2019 gibt es temporäre Spielstraßen in Berlin. Den Organisatoren zufolge gefährden neue Vorgaben nun das Projekt. Die Senatsverwaltung streitet das ab.

Aufregung beim Bündnis Temporäre Spielstraßen – einem Zusammenschluss aus Akteuren wie dem Deutschen Kinderhilfswerk und dem Bund für Umwelt- und Naturschutz: In diesem Jahr gebe es neue Vorgaben der Senatsverwaltung, die Organisation erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen würden, teilte das Bündnis am Montag mit: „Die Bezirke sollen sie fortan nur noch genehmigen dürfen, wenn sie als Veranstaltung im Sinne eines Straßenfestes beantragt werden. Was zunächst wie eine Formalie klingt, ist in der Praxis nicht machbar.“

Auch vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg war am Montag Folgendes zu hören: „Mit den geplanten veränderten Vorgaben für Spielstraßen zerstört der Senat das Projekt faktisch.“

Laut Senatsverwaltung bleibt alles beim Alten

Die Senatsverwaltung dagegen erklärte auf Tagesspiegel-Anfrage, das entsprechende Papier – der „Leitfaden zur Errichtung von temporären Spielstraßen“ – werde derzeit noch überarbeitet. Die Anmeldung als Veranstaltung sei dabei nur eine von mehreren möglichen Varianten: „Eine Vorgabe, dass Spielstraßen nur als Veranstaltungen durchzuführen sind, besteht auch künftig nicht“, versicherte eine Sprecherin. Die Senatsverwaltung werde sich dazu noch mit den Bezirken abstimmen.

Am Mittwoch war die Organisation der Spielstraßen dann auch noch einmal Thema im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses: „Es bleibt alles beim Alten, es wird nur ein Element rechtlicher Absicherung in den Leitfaden mit aufgenommen“, sagte Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU). „Das Geld wird von uns bereitgestellt und die Bezirke haben dann künftig die Möglichkeit den einen oder anderen Weg zu wählen.“

Vom Bündnis Temporäre Spielstraßen heißt am Mittwoch nun dazu, man sei zunächst von offizieller Stelle darüber informiert worden, die Anmeldung als Veranstaltung sei künftig obligatorisch. Dass dies doch nur eine von mehreren möglichen Optionen darstellen soll, habe man selbst erst aus der Presse erfahren.

Organisatoren: „Neue Bedingungen bedeuten das Aus“

Seit 2019 setzt sich das Bündnis dafür ein, ausgewählte Straßen in Berlin an bestimmten Tagen im Monat für Autos zu sperren, sodass Kinder ein paar Stunden lang gefahrlos dort spielen können. Organisiert wird das Ganze von freiwilligen Helfern in vielen Berliner Kiezen.

Laut Gabi Jung vom Bündnis Temporäre Spielstraßen wären dauernde Anmeldungen als Straßenfest kaum umsetzbar: Aufwand und Kosten der Anträge seien viel zu hoch für die private Initiative. Straßenfeste fänden meist nur einmal pro Jahr statt, sagte Jung, deshalb sei der Aufwand in diesem Fall tragbar. Es sei jedoch nicht möglich, für die teils wöchentlich stattfindenden temporären Spielstraßen jede Woche erneut einen aufwändigen und teuren Antrag zu stellen.

Auch der Grundgedanke der Spielstraßen sei nicht mit dem eines Straßenfestes zu vergleichen: Während im Falle des Festes die Straße privatisiert werde, bleibe sie bei einer temporären Spielstraße öffentlicher Raum. „Für das Bündnis und die vielen ehrenamtlichen Spielstraßen-Teams in den Bezirken würden die neuen Bedingungen das Aus der temporären Spielstraßen bedeuten“, sagt sie.

Wichtig für das gesunde Aufwachsen Berliner Kinder

Christopher Wollin, Mitglied des Parkrates Görlitzer Park und Spielstraßenkapitän der Wrangelspielstraße in Kreuzberg, betont, wie wichtig die Spielstraßen für Berliner Kinder seien: Die selbstständige, gefahrlose Erkundung ihrer nahen Umgebung sei enorm wichtig für ein gesundes Aufwachsen von Kindern, erklärte er. Durch die massenhafte Automotorisierung seit den 70er-Jahren könnten viele Kinder ihren Kiez längst nicht mehr gefahrlos erkunden. Junge Menschen würden deshalb immer weniger Zeit draußen verbringen und sich immer weniger bewegen.

Auch die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Oda Hassepaß, spricht sich gegen eine pflichtmäßige Anmeldung temporärer Spielstraßen als Veranstaltung aus. Spielstraßen eröffneten nicht nur Kindern einen Raum zum Spielen in Zeiten schwindender Grünflächen, sagte sie. Sie seien auch Orte des nachbarschaftlichen Austauschs, an denen sich viele Berliner freiwillig engagieren.

Temporäre Spielstraßen werden seit 2020 vom Land Berlin gefördert. In den letzten Jahren fanden sie in acht Berliner Bezirken regelmäßig statt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false