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Junger Sprüher kurz nach dem Mauerfall - Ausstellung im Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf

© Johanna Treblin

Ostberliner Straßenkunst: Ausstellung zu Graffiti-Geschichte in Marzahn-Hellersdorf

Das Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf widmet sich der Ostberliner Graffiti-Geschichte. Zeitzeugen kommen zu Wort. Ihr größter Einfluss: der Film „Beat Street“.

Von Johanna Treblin

| Update:

“Beat Street war der erste Samen. Aufgegangen ist er, als ich das erste Mal durch Kreuzberg gegangen bin.“ Das sagt Marco, Mitglied der Crew LOFD (Lords of Doom). Tatsächlich war der Film der Start von Graffiti in Deutschland. Auch in Marzahn-Hellersdorf. Eine Ausstellung im Bezirksmuseum erzählt die Geschichte der – vorwiegend männlichen – Jugendkultur rund um die Wende in Marzahn-Hellersdorf. Zu sehen ist sie noch bis zum 5. März.

„Beat Street“ kam 1984 in die US-amerikanischen Kinos, ein Jahr später nach Ostdeutschland. Als einer der ersten Filme über Hip-Hop porträtierte er zwei Brüder und ihre Freunde, die in der Bronx in New York aufwachsen. Sie sind Rapper, DJs, tanzen Breakdance – und malen Graffiti.

Anfangs mit Schuhcreme. Doch damit kamen die jungen Künstler nicht weit. „Die Bilder verschwanden im Regen – die Schuhcreme hielt nicht“, erinnert sich Corint der Crew MIC aus Prenzlauer Berg in einer Hörstation in der Ausstellung im Bezirksmuseum. Von MIC stammte das der Ausstellung ihren Namen gebende Bild „Born to Graff“ an einer Wand am S-Bahnhof Greifswalder Straße – eines der ersten Graffiti Ostdeutschlands.

Corint – natürlich ein Pseudonym – erzählt auch, wie er einmal von der Polizei angesprochen wurde. Doch Graffiti waren noch nicht illegal, die Polizisten wussten nicht, wie sie reagieren sollen. „Ich bin noch nicht fertig“, sagte Corint einfach – und wurde in Ruhe gelassen.

Daniel „Rosko“ Knorn erzählt in der Ausstellung, dass er zum zehnten Geburtstag Sprühdosen mit Autoreparaturlack von seinen Eltern geschenkt bekam. Er sprühte damit ein Herz an eine Laterne. 25 Farben gab es von diesem Lack des VEB Aerosol-Automat, heißt es auf einer Ausstellungstafel. Sie waren allerdings schwer zu bekommen.

Graffiti bedeutete für uns, aus dem System auszubrechen.

Janek

Eine Zeitschiene in der Ausstellung zeigt, wann welche Crews im heutigen Marzahn-Hellersdorf unterwegs waren. Die ersten werden 1991 aufgeführt und hießen ABDE Boys, BAM und GCK (Ghost City Kids) oder FMS (Family Shit). LOFD wurde 1993 gegründet und zählt zu den ältesten überregional bekannten Crews aus Marzahn-Hellersdorf. MRN (Marzahn) tauchte erst 1994 auf, machte sich dann aber auch einen Namen in der Szene. Ihre Mitglieder hatten Namen wie Hopsa, Rebel oder Alive.

„Gegen die Tristesse im Alltag“ sprühten die Jugendlichen an, erzählt einer. Er meint es architektonisch – hohe Häuser, graue Wände, sah es aber auch als eine Beschäftigung an. „Man hatte etwas zu tun.“

Ähnlich sieht es Janek an einer weiteren Audiostation in der Ausstellung. „Marzahn hatte einen ganz bestimmten Charme an Architektur.“ Sein Kumpel wohnte in einer Wohnung, die genauso geschnitten war wie die von Janeks Eltern. „Er hatte sogar ein Bild in genau der gleichen Ecke hängen wie ich. Graffiti bedeutete für uns, aus dem System auszubrechen.“

Marzahn bot beste Voraussetzungen: Neben den Hochhäusern gab es auch lange Wände entlang der S-Bahn bis zum Ostkreuz. „Marzahn war unglaublich groß, es gab viele Bahntrassen, man konnte relativ anonym in der Masse untergehen“, sagt Janek. Andere Crews kamen nach Marzahn und machten den heimischen Gruppen ihre Wände streitig.

Die Ausstellung zeigt Original-Rucksäcke von Sprayern, Sprühdosen, Schallplatten und Mixtapes aus der Zeit – man kann sich sogar eines anhören. Auf Schautafeln werden Begriffe wie Trasher (ausgemusterte Bahnwaggons mit Graffiti), Blockbuster (großes, aus blockartigen Buchstaben bestehendes Graffiti) und andere.

Andere erzählen, wie Rap in die DDR kam und wieso der Film „Beat Street“ so schnell in der DDR zugelassen wurde: Das Ministerium für Kultur habe sich nicht nur wirtschaftlichen Erfolg erhofft, sondern setzte auch auf dessen „antiimperialistischen Erziehungsauftrag“, da er implizite Kritik am Umgang mit Schwarzen Menschen in den USA beinhaltete.

Diese Woche berichtet Johanna Treblin in ihrem Marzahn-Hellersdorf-Newsletter außerdem über folgende Themen:

  • Antrag in der BVV: FDP will Bezirksamt auflösen
  • Wie der Umbau des Verkehrsknotens Marzahn vorangeht
  • Standort-Vorschlag für Gedenkort für Nguyễn Văn Tú liegt vor
  • Diese Woche in der Bezirksverordnetenversammlung
  • SPD fordert sichere Fußgängerüberwege am Wuhletal-Wanderweg
  • Zehn Jahre Kinderforscherzentrum Helleum
  • Tipp: Einladung an Berliner Studierende zu digitalem Gespräch mit Wolodymyr Selenskyj

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