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Ceren Saner ist Fotografin und Gewinnerin des Neuköllner Kunstpreises 2024. 

© Benjamin Renter

Gewinnerin des Neuköllner Kunstpreises: Wie die Fotografie Ceren Saner von Istanbul nach Berlin führte

Ihre Serie „Inside the Ring“ ist aktuell in Neukölln zu sehen. Im Interview spricht Saner über die emotionalen Hintergründe ihrer Arbeit und ihr Verhältnis zu Berlin.

„Inside The Ring“, so lautet der Titel der Fotoreihe, mit der die Fotografin Ceren Saner Mitte Februar den ersten Platz des Neuköllner Kunstpreises gewonnen hat. Im Interview erzählt die Künstlerin von ihrem Weg zur Fotografie und wie dieser sie von Istanbul nach Berlin führte, der Stadt, in der sie heute lebt.

Sie haben den ersten Platz beim Neuköllner Kunstpreis belegt. Können Sie mir mehr zu Ihrem Fotoprojekt „Inside The Ring“ erzählen?
„Inside The Ring“ ist eine weiterlaufende Foto- und Videoserie, an der ich seit 2016 arbeite, dem Jahr, in dem ich nach Berlin migriert bin. Es ist im Grunde ein visuelles Tagebuch meiner täglichen Interaktionen. Ich beschreibe es meist als mein emotionales Mapping Berlins.

In diesem Werk archiviere ich die Leben und Realitäten der Gemeinschaften, zu denen ich gehöre. Sei es die Diaspora aus der Türkei, die queere Gemeinschaft, QTBIPoCs (gemeint sind queere, trans, Schwarze und Personen mit Migrationsgeschichte, Anm. d. Red.) oder andere Personen, zu denen ich mich zugehörig fühle, auch wenn sie nicht unbedingt aus diesen Gemeinschaften stammen. Ich mache Fotos von uns für uns.

Werden Sie die Fotoreihe eines Tages beenden?
Da bin ich nicht sicher, denn in der Regel ist meine Arbeit nicht so von mir konzipiert. Ich benutze meine Kamera als Mittel um mich zu erinnern und zu archivieren. Für mich ist die Praxis des Fotos machen oder Videos aufnehmen nicht wirklich geplant, sondern einfach Teil meines Alltags. Ich kontrolliere sie nicht.

Meine Arbeit hat ihre eigene Stimme und ist quasi unabhängig von mir. Bis jetzt sehe nicht, dass meine Fotoreihe bald enden wird. Aber sollte es so sein, werde ich merken, dass die Ära vorbei ist.

Ihre Kunst entsteht durch eine Linse. Neben Ihrem Fokus auf die Fotografie drücken Sie sich mit Videos und Filmen aus. Wie ist Ihre Reise als Künstlerin gestartet?
Dass ich Künstlerin werde war mir nicht immer klar. Eigentlich habe ich im Hauptfach Business in Istanbul studiert. Während meines Studiums habe ich eine Kamera gekauft und begonnen, Bilder zu machen. Dabei habe ich realisiert, dass ich schon lange vor meinem Kamerakauf eine natürliche Verbindung zur Fotografie hatte.

Mein Vater ist gestorben, als ich drei Jahre alt war, und ich habe keine Erinnerung aus erster Hand an ihn. Um seine wichtige Rolle in meinem Leben zu verstehen, habe ich schon immer Bilder genutzt.

Dafür habe ich mir die Bilder angeschaut, die er von meiner Mutter und meinen Geschwistern gemacht hat und darüber nachgedacht, warum er das Foto wohl so gemacht hat, wie er es gemacht hat. Generell ist mein Erinnerungsvermögen nicht das Beste, und ich nutze Bilder, um Dinge zu erinnern und zu archivieren. Ich dokumentierte all das, an das ich mich erinnern will – Schönes und Trauriges.

In ihrer Arbeit „Inside the Ring“ hält Saner ihre täglichen Interaktionen fest.

© Benjamin Renter

Sie sind in Istanbul geboren und aufgewachsen. Warum haben Sie sich entschieden, nach Berlin zu ziehen?
2014 habe ich in Istanbul bei der Pride Week Exhibition mit ausgestellt. Zu dem Zeitpunkt waren in Istanbul Student*innen von der Universität Göttingen zu Besuch, die zu Istanbuls LGBTI+-Szene recherchiert haben.

Sie waren von meiner Arbeit bewegt und wollten mit mir zusammenarbeiten. Seitdem sind wir Kontakt. Nachdem sie sich zu einem Kollektiv mit dem Namen „7Letters Collective“ zusammengeschlossen haben, haben sie mich offiziell nach Deutschland eingeladen. Dank ihnen bin ich 2016 nach Berlin gezogen.

Meine Arbeit hat ihre eigene Stimme und ist quasi unabhängig von mir. 

Ceren Saner, Fotografin

Ist es hart in Berlin als Künstlerin zu leben?
Die Antwort ist kompliziert. Meine Beziehung mit Deutschland und Berlin ist gespalten. Auf der einen Seite ist Berlin künstlerisch gesehen sehr bereichernd. Es gibt viele verschiedene Menschen und Perspektiven in der Kunstszene, von denen ich viel lernen konnte. Und es gibt viele Möglichkeiten für Künstler.

Für uns ist es schwierig, da wir immer noch systemisch diskriminiert werden. Dabei geht es um Ressourcen wie zum Beispiel Wohnraum, medizinische Versorgung oder Arbeitsangebote. Auch in unseren Karrieren, selbst wenn wir gut ausgebildete Fachkräfte sind, werden wir in eine Außenseiterposition gedrängt, wenn wir unsere Stimme gelten machen wollen. Uns wird oft sofort Radikalität unterstellt. Insbesondere in der aktuellen politischen Lage Deutschlands bekommen wir das zu spüren.

Arbeiten und leben Sie in Neukölln?
Ja. Ich lebe in Neukölln und der Großteil meiner Arbeit, die in der Galerie im Saalbau ausgestellt ist, ist in Neukölln entstanden. Dort halte ich mich am meisten auf. Aus dem Grund habe mich auch sehr über den Neuköllner Kunstpreis gefreut.

Was ist ihre Lieblingsgalerie im Bezirk?
Am liebsten mag ich die Galerie am Körnerpark. Das ist die Schwestergalerie von der Galerie im Saalbau, wo ich gerade ausstelle. Als ich sie das erste Mal gesehen habe, dachte ich mir: Eines Tages werde ich hier eine Solo-Ausstellung haben. Und ich denke, das wird auch eines Tages passieren.

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