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Wahlbenachrichtigung per Post zur Wiederholungswahl zum 19. Berliner Abgeordentenhaus und zur Bezirksverordnetenversammlung am 12.Feburar 2023.

© IMAGO/Future Image

Update

Diskussion in Berlin-Lichtenberg: Grüne fordern geschlechtsneutrale Wahlbenachrichtigungen

Warum steht auf den Wahlbenachrichtigungen nur „Sehr geehrte Damen und Herren“? Wer sich keinem Geschlecht zugehörig fühlt, werde ausgegrenzt, sagen die Grünen.

| Update:

„Sehr geehrte Damen und Herren“, heißt es in den Wahlbenachrichtigungen für die Wiederholungswahl in Berlin am 12. Februar. Die Lichtenberger Grünen finden das nicht zeitgemäß, da sich zum Beispiel Wähler:innen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, nicht angesprochen fühlen könnten.

„Wieso wurde die Anrede in den Wahlbenachrichtigungen nicht geschlechtsneutral verfasst, um auch Personen mit dem Geschlechtseintrag ‚divers’ zu berücksichtigen?“, fragte die Fraktion daher am Donnerstag während der Bezirksverordnetenversammlung (BVV).

Seit Ende 2018 haben inter* Menschen in Deutschland die Möglichkeit, beim Eintrag ins Personenstandsregister außer den Geschlechtern „männlich“ und „weiblich“ auch die Option „divers“ zu wählen. Es kommen Kinder zur Welt, deren Geschlecht sich nicht eindeutig bestimmen lässt. Zudem gibt es zahlreiche Personen, die sich ihrem biologischen Geschlecht nicht zugehörig fühlen.

Viele Personen fühlen sich keinem Geschlecht zugehörig und daher nicht angesprochen

Andere lehnen eine Einstufung in „männlich“ oder „weiblich“ ab und beschreiben sich häufig als sozial divers. Auch wenn seit 2019 lediglich 137 Berliner:innen ihr Ge­schlecht im Mel­de­re­gis­ter auf divers haben ändern lassen, ist die Anzahl derer, die sich divers fühlen oder es seien wollen, massiv höher. 

Die Geschäftsordnung für die Wahlen ist null zeitgemäß und muss geändert werden.

Kevin Hönicke (SPD), Lichtenbergs stellvertretender Bürger:innenmeister

Nicht nur bei Stellenausschreibungen ist es seit Jahren nahezu Usus, nach „m/w/d“ zu suchen, also männlich, weiblich oder divers. Warum also nicht die Ansprache in den Wahlbenachrichtigungen ändern.

Stadträtin: Schulen werden Zeugnisse geschlechtsneutral ausstellen

Lichtenbergs Schulstadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne) sagte dem Tagesspiegel, Schulen würden die Zeugnisse demnächst geschlechtsneutral ausstellen, es werde geschlechtsneutrale Toiletten in Bürodienstgebäuden in Lichtenberg geben und man denke über Uni-Sex-WCs an Schulen nach, „weil immer mehr Schüler*innen äußern, dass sie nicht wissen, auf welche der beiden Toiletten sie gehen sollen. Es ist für sie belastend - tagtäglich.“

In der BVV Lichtenberg bekamen die Grünen viel Zuspruch, allerdings wurden die Wahlbenachrichtigungen bereits verschickt und können nicht mehr geändert werden. Der stellvertretende Bürger:innenmeister Kevin Hönicke (SPD) unterstellte den Grünen daher, Wahlkampf zu machen – warum haben sie so etwas nicht frühzeitig angemerkt? 

Inklusive Sprache schadet niemandem

Lichtenbergs Stadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne).

„Es sind Einladungen zu Wahlen; so ist es nicht überraschend, dass die Rückfrage zur Anrede in die Phase des Wahlkampfes fällt“, entgegnet Lichtenbergs Schulstadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne). Der Vorwurf lenke den Fokus von Geschlechtergerechtigkeit ab. Die Debatte sei dringend notwendig. „Selbstverständlich können Änderungen in offiziellen Briefen nicht von heute auf morgen passieren; aber mit der mündlichen Anfrage wird eine längst überfällige Debatte angestoßen. Inklusive Sprache schadet niemandem.“

Hönicke gab der Bild-Zeitung zum Thema ein Interview, in dem er den Grünen fehlende Kenntnis attestierte. Das Lichtenberger Wahlamt arbeite professionell, sagte Hönicke. Die Behörde richte sich nach der Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung. Auf Seite 13 wird im Paragraf 43 „Sprache, Stil und Form“ formuliert: „Im Schriftverkehr mit verwaltungsexternen Personen und Stellen sind grundsätzlich auch in Serienbriefen Anrede und Grußformel zu verwenden. Die Anrede lautet […] „Sehr geehrte Damen und Herren“.

Die Frage aber bleibt, warum das so ist und nicht zeitgemäß angepasst wird. Auf Twitter schlug Hönicke andere Töne an. So habe er den Landeswahlleiter sowie die Innenverwaltung gebeten, künftig neutraler zu formulieren und nicht auszugrenzen.

Die Geschäftsordnung der Wahlen sei „null zeitgemäß und muss geändert werden“, sagte Hönicke weiter. Vielleicht ja dann, wenn es zu Wiederholungswahlen der Wiederholungswahlen kommen sollte. Das kann in Berlin ja schneller gehen, also man divers sagen kann.

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