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Blick in die Ausstellung „Doppelt frei. Die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Polen“.

© Grzegorz Karkoszka

Neue Ausstellung in Berlin: Polinnen, vereint im Kampf gegen das Unrecht

Mit einer Ausstellung würdigt das Pilecki-Institut in Berlin das Engagement mutiger polnischer Frauen aller Gesellschaftsschichten. Ihre Biografien sind filmreif.

Aleksandra Szczerbińska schmuggelte Dynamitstangen und Pistolen unter ihrem Korsett, Maria Karczewska trat als Gutsherrin in Männerkleidung und mit Kurzhaarschnitt auf. Maria Dulębianka kandidierte 1908 für das galizische Nationalparlament, obwohl Frauen im österreichisch okkupierten Teil Polens gar nicht bei Parlamentswahlen antreten durften.

Was verbindet diese Frauen? Die Revolutionärin, die Gutsbesitzerin und die feministische Künstlerin gehörten unterschiedlichen Strömungen der polnischen Frauenbewegung an, aber im Kampf um die gleichen Rechte und nationale Unabhängigkeit waren sie vereint. Zu sehen ist dies alles in der Ausstellung „Doppelt frei. Die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Polen“ im Pilecki-Institut in Berlin. Sie erzählt von einem hierzulande nahezu unbekannten Kapitel mutiger Emanzipation.

Leben im aufgeteilten Polen

Die katastrophalen Lebensverhältnisse in dem Land, das 123 Jahre lang bis 1918 unter drei Nationen aufgeteilt und von der politischen Landkarte verschwunden war, bremsten die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung. Vor allem der fehlende Zugang zu Bildung wurde im 19. Jahrhundert unter den Frauen immer mehr als Problem erkannt.

Blick in die Ausstellung: Hier werden die Geschichten von Frauen vorgestellt, die über alle ideologischen Unterschiede hinweg für die gemeinsame Sache zusammengearbeitet haben.
Blick in die Ausstellung: Hier werden die Geschichten von Frauen vorgestellt, die über alle ideologischen Unterschiede hinweg für die gemeinsame Sache zusammengearbeitet haben.

© Grzegorz Karkoszka

Am schwierigsten war die Situation im russisch besetzten Teil: Die russifizierte Universität Warschau war für Polinnen tabu. Eine pragmatische Lösung war die „fliegende Universität“. In dieser konspirativen Organisation unterrichteten Wissenschaftler heimlich Studentinnen – darunter die spätere doppelte Nobelpreisträgerin Marie Skłodowska Curie, die später für ihr Studium nach Paris ging.

Im preußisch annektierten Teil Polens gab es keine Universitäten und im autonomen Galizien durften Frauen an der Jagiellonen-Universität Krakau nur an der medizinischen und philosophischen Fakultät studieren. Gegen die wachsende Ungleichheit regte sich ab 1870 Widerstand in der Warschauer Presse und Frauen forderten besseren Zugang zu Bildung.

Viele Sozialistinnen kämpften im Ersten Weltkrieg in der Freiwilligen Frauenlegion.
Viele Sozialistinnen kämpften im Ersten Weltkrieg in der Freiwilligen Frauenlegion.

© Zentrales Militärarchiv

Viele der Frauenrechtlerinnen verbreiteten ihre Ideen erfolgreich in den Großstädten. Ihre Anführerin war Paulina Kuczalska-Reinschmitt, Mitbegründerin und Chefredakteurin der Zeitschrift „Ster“ des Bundes für die Gleichberechtigung der Polnischen Frauen (ZRKP). Sie bekämpfte die patriarchalische Doppelmoral, thematisierte Prostitution, Sittsamkeit und eheliche Treue. Der christlich orientierte Vereinigte Kreis der Gutsbesitzerinnen (ZKZ) setzte sich dagegen für Mädchenbildung und Berufsschulen ein.

Bewaffneter Kampf für die Unabhängigkeit

Eine weitere wichtige Bewegung waren die patriotischen Sozialistinnen, die am bewaffneten Aufstand für Polens Unabhängigkeit teilnahmen. Viele von ihnen schlossen sich der Kampforganisation der Polnischen Sozialistischen Partei PPS von Józef Piłsudski an, dem späteren Staatsoberhaupt des unabhängigen Polens von 1919.

Sie transportierten Waffen unter ihren Kleidern, verübten Anschläge im russischen Teil Polens und kämpften während des Ersten Weltkriegs in Uniform in der Freiwilligen Frauenlegion. Eine herausragende Persönlichkeit dieser Gruppierung war Aleksandra Szczerbińska, die spätere Frau von Piłsudski.

Da steckt viel Stoff für spannende Filme drin.

Hanna Radziejowska, Direktorin des Pilecki-Instituts Berlin

Davon und von noch mehr erzählt die Ausstellung am Pariser Platz: auf Deutsch und Englisch und mit Texten, historischen Fotos und einem sehenswerten Film vom Kampf der Feministinnen, der auch auf Youtube verfügbar ist. Viele Frauen treten in Kurzbiografien auf, die Ungewöhnliches und Mutiges thematisieren. „Da steckt viel Stoff für spannende Filme drin“, sagt Kuratorin Hanna Radziejowska, Direktorin des Pilecki-Instituts Berlin. „Menschenrechte und politische Freiheiten sind immer mit einem Staat verbunden, das ist auch heute im Hinblick auf die Ukraine wichtig zu verstehen“, ergänzt sie.

Piłsudski hat das Frauenwahlrecht gleich zu Beginn der Staatsgründung durchgesetzt. Frauen hätten „das Wahlrecht nicht bekommen, sondern sie haben es sich erkämpft“, sagte er. Es gehe nicht um links oder rechts, sondern um das Ganze. In diesem Sinn wurde 1918 die Grundlage für ein demokratisches Polen gelegt.

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