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Cansel Kiziltepe hat in der Politik Karriere gemacht.

© IMAGO/Political-Moments/imago

Serie „Mein erster Job“: Berlins Arbeitssenatorin räumte Regale ein und reinigte Baustellen

Berlins Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) hat schon viele Jobs gemacht, um Geld zu verdienen. Auf einen Arbeitgeber ist sie bis heute noch richtig wütend.

Eine Kolumne von Cansel Kiziltepe

„Ich wollte schon früh mein eigenes Geld haben, für Klamotten, Kino oder Bücher. Zu Hause bei uns in Kreuzberg gab es kaum Bücher. Mein Vater hat als Schlosser bei Mercedes-Benz in Marienfelde gearbeitet, meine Mutter war Hausfrau. Taschengeld bekam ich nur unregelmäßig. Auf jeden Fall hat es nie ausgereicht.

Das mit dem Job musste ich zu Hause durchsetzen. Meine Eltern waren sehr besorgt, dass ich gut in der Schule bin und meine Hausaufgaben mache. Deshalb musste ich zu Hause auch nicht so viel mithelfen.

In unserer Serie berichten uns Persönlichkeiten aus der regionalen Wirtschaft in loser Reihenfolge über ihre ersten Jobs als Schüler oder Studenten.  
In unserer Serie berichten uns Persönlichkeiten aus der regionalen Wirtschaft in loser Reihenfolge über ihre ersten Jobs als Schüler oder Studenten.  

© Tagesspiegel

Bei uns um die Ecke gab es eine Drogerie, Drospa, die Kette gibt es heute nicht mehr. Als ich 16 war, habe ich dort nach einem Job gefragt. Das war damals ein Minijob. Wie viel ich verdient habe, weiß ich nicht mehr. Ich musste Regale auffüllen, meistens bekam ich das Regal mit den Reinigungsmitteln zugeteilt, die waren richtig schwer.

Später habe ich neben meinem Studium gekellnert, vor allem am Wochenende, in einem Café in der Boxhagener Straße. Zehn Mark in der Stunde habe ich verdient. Beim Trinkgeld kam oft noch mehr zusammen.

Ein weiterer Job war auf dem Bau. Ich habe in einem Team in der „Bauendreinigung“ gearbeitet, das muss Ende der 90er Jahre gewesen sein. Wir haben in fertigen Neubauten die Fliesen im Badezimmer abgebürstet, die Böden gefegt und gefeudelt, die Fenster gewischt. Nach einiger Zeit hatte ich 700 Mark verdient, aber das Geld wurde nicht ausbezahlt. Das hat mich tief getroffen. Ich war so wütend, wusste aber nicht, was ich machen sollte.

Durch die Jobs habe ich gelernt, was es heißt, hart zu arbeiten. Man kann sich gut in die Situation von Menschen hineinversetzen, die das ihr Leben lang machen, und fühlt Dankbarkeit. 

Cansel Kiziltepe, Senatorin für Arbeit und Soziales

Ich habe auch mal im Pflegeheim gearbeitet, in der Küche ausgeholfen, das Essen in die Zimmer gebracht, den Bewohnern aus der Zeitung vorgelesen. Aber schon damals fehlte die Zeit, um sich wirklich um die alten Menschen zu kümmern, ihnen zuzuhören. Eine Frau, sie war schon dement, packte alle paar Tage ihre Sachen zusammen und verschwand einfach.

Die Jobs habe ich meist über Mundpropaganda bekommen. Ich hätte lieber in einem Büro gearbeitet, aber meine Eltern hatten keine Beziehungen, kein Netzwerk. Auch auf dem Markt für Studentenjobs wurden Menschen mit türkischem Hintergrund diskriminiert. Es herrschte ja Massenarbeitslosigkeit. Damals wurde gesagt: „Wenn‘s dir hier nicht gefällt, dann geh halt.“

700 Mark verdient, aber der Lohn wurde nicht ausbezahlt

Durch die Jobs habe ich gelernt, was es heißt, hart zu arbeiten. Man kann sich gut in die Situation von Menschen hineinversetzen, die das ihr Leben lang machen, und fühlt Dankbarkeit. Solche Jobs sollten in unserer Gesellschaft besser wertgeschätzt werden.

Wegen der Erfahrung mit dem nicht gezahlten Lohn bin ich erst in die Gewerkschaft eingetreten, später in die SPD. Auch mein Studium der Volkswirtschaftslehre war eine Reaktion auf die Erlebnisse, die ich in meinen ersten Jobs gemacht hatte.

Wie wird Arbeit bezahlt? Wie können Beschäftigte ihre Arbeitsbedingungen verbessern? Wie gerecht oder ungerecht wird der erwirtschaftete Wohlstand verteilt? Gute Arbeit und Verteilungsgerechtigkeit sind bis heute Kern meiner politischen Arbeit.“

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