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Cansel Kiziltepe, SPD Stellvertretende Landesvorsitzende, Deutschland, Berlin, Pressekonferenz: Koalitionsverhandlungen am 31. März, Dach-Verhandlungsgruppe von CDU und SPD *** Cansel Kiziltepe, SPD deputy state chairwoman, Germany, Berlin, press conference coalition negotiations on March 31, roof negotiating group of CDU and SPD

© imago/Metodi Popow/IMAGO/M. Popow

„Müssen jungen Menschen gute Angebote machen“: Berlins Arbeitssenatorin Kiziltepe will Vier-Tage-Woche testen

Cansel Kiziltepe will die Vier-Tage-Woche im öffentlichen Dienst erproben. Das stößt nicht nur auf Zustimmung, unter anderem äußert sich die Gewerkschaft Verdi kritisch.

Berlins Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) spricht sich für einen Test der Vier-Tage-Woche im öffentlichen Dienst aus, Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) setzt stattdessen auf verbesserte Arbeitsbedingungen.

Die Bundesvorsitzende der SPD, Saskia Esken, hatte die Diskussion zu einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich angestoßen. Arbeitssenatorin Kiziltepe sagte dem Tagesspiegel, es sei richtig, dass die Diskussion „jetzt intensiver und kontroverser geführt wird“ – auch in der Berliner Verwaltung. „Die Vier-Tage-Woche ist es wert, in einem Modellprojekt erprobt zu werden.“

Sie verwies auf den demografischen Wandel: „In den kommenden acht Jahren werden mehr als 44.000 Mitarbeitende der Berliner Verwaltung in Rente gehen. Wenn wir als Land Berlin ein attraktiver Arbeitgeber sein wollen, müssen wir jungen Menschen gute Angebote machen, wenn wir sie für Jobs in der Verwaltung begeistern wollen.“

Wegner verweist auf Koalitionsvertrag

Der Regierende Bürgermeister erteilt der Idee keine Absage, setzt aber andere Schwerpunkte. Er bezeichnete den Vorstoß von Kiziltepe als „interessante Auffassung“. „Man kann über alles diskutieren“, sagte Wegner auf der Senatspressekonferenz, verwies aber auf den „klaren Koalitionsvertrag“, der für den kompletten Senat gelte. „Ich habe nichts dagegen, wenn Senatorinnen und Senatoren eine Meinung haben und diese vortragen“, sagte Wegner und sprach sich dafür aus, die Arbeitsbedingungen unter anderem im öffentlichen Dienst zu verbessern.

Wer soll denn dann die Arbeit auffangen? Viele Bereiche pfeifen jetzt schon auf dem letzten Loch.

Andrea Kühnemann, Landesleiterin Verdi Berlin und Brandenburg

Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU und SPD darauf geeinigt, sich für „Work-Life-Balance und vielfältige Möglichkeiten der Attraktivitätssteigerung“ einzusetzen, ohne dabei konkreter zu werden.

Der neue Finanzsenator Stefan Evers (CDU) verwies auf Anfrage auf die bestehenden Angebote, die Berlin als Arbeitsgeber bereits mache, wie etwa flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten oder Sabbatical-Modelle. „So steigern wir nicht nur Motivation und Arbeitszufriedenheit, sondern ermöglichen auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“

Eine pauschale Reduzierung der Arbeitszeit sieht Evers allerdings nicht. „Wir müssen uns mit Blick auf zeitgemäße, familienfreundliche Arbeitsformen nicht verstecken – erst recht nicht, wenn es darum geht, die rund 40 Wochenarbeitsstunden auf vier Tage zu verteilen.“ Der Anspruch sei es aber auch, den Service der Berliner Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen.

Verdi und Tarifgemeinschaft der Länder zeigen sich kritisch

Die Arbeitsbedingungen im Berliner öffentlichen Dienst werden von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) ausgehandelt. Derzeit beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 39 Stunden. Ende des Jahres stehen Tarifverhandlungen an, bei denen es voraussichtlich „nur“ um Einkommenserhöhungen und nicht um die Arbeitszeit geht.

Andrea Kühnemann, Landesleiterin von Verdi in Berlin und Brandenburg, äußerte sich auf Anfrage skeptisch zur Idee der Vier-Tage-Woche. „Wer soll denn dann die Arbeit auffangen?“, fragte die Verdi-Chefin und wies auf den Arbeitskräftemangel hin. „Viele Bereiche pfeifen jetzt schon auf dem letzten Loch.“ Sie sei gespannt auf die konkreten Vorstellungen der neuen Arbeitssenatorin.

Auch Andreas Schulz, Geschäftsführer für Tarifpolitik der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, äußert sich kritisch: „Eine generelle Vier-Tage-Woche würde den Fachkräftemangel noch einmal drastisch verschärfen.“ Auch in der Berliner Verwaltung wolle das Modell gut überlegt sein. „Schon heute sind viele Prozesse und Strukturen in den Ämtern nicht mehr zeitgemäß. Würden Genehmigungen und andere Verwaltungsakte wegen einer Arbeitszeit-Verkürzung noch länger dauern, wäre das nicht gut für den Standort Berlin“, sagt Schulz.

Linke und Grüne im Abgeordnetenhaus zeigten sich erfreut über den Vorstoß der Senatorin. Der arbeitspolitische Sprecher der Linke-Fraktion, Damiano Valgolio, sprach von einem „sehr vernünftigen Vorschlag“. Allerdings reiche ein Modellversuch allein nicht aus, es müssten tarifliche Grundlagen geschaffen werden. Julia Schneider, Sprecherin der Grünen-Fraktion für Personal und Verwaltung, begrüßte die Idee ebenfalls. So könne die „Produktivität, das Wohlbefinden und der Gesundheitszustand der Beschäftigten“ damit mittelfristig erhöht werden.

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