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© Bernd Matthies/Tagesspiegel

Kantinen-Check im Berliner Ensemble: Schmales Angebot, nett anzusehen

In dieser Serie testen wir die Betriebsverpflegung in der Stadt. Die „Berliner Kantine“ am Schiffbauerdamm überzeugt nur atmosphärisch.

Eine Kolumne von Bernd Matthies

Kantinen sind in Deutschland, so scheint es, ein Ort streng protestantischer Ethik. Zweckmäßig, karg und ungemütlich sollen sie den Rahmen fürs Überleben des Personals schaffen, aber bloß niemanden bewegen, länger als nötig herumzuhängen. Es gibt allerdings Ausnahmen, und die Kantine im Berliner Ensemble gehört zu den schöneren. Der Raum hat Charme und atmet Bühnenkultur - und die Gäste können sogar draußen sitzen, ein Gegenentwurf zum schäbigen Brecht-Platz vor dem Gelände, den sich der große Meister in Bronze mit Metalldeckeln, Rohren und festgestampftem Sand teilt.

Das Angebot allerdings ist selbst für Kantinen befremdlich schmal, ganz anders, als die Website verbreitet: „Hier wird frisch gekocht – Fisch, Fleisch, Gemüse und immer viel Liebe“, verspricht sie, „Cuisine Bourgeoise mit abwechslungsreichen Zugaben, wie geröstetem Blumenkohl oder knusprigen Rippchen.“ Heißt es. In der Realität standen an diesem Tag neben den immer verfügbaren Bouletten mit Kartoffelsalat ganze zwei Gerichte zur Auswahl: Möhreneintopf mit Kassler und Pellkartoffeln mit Quark.

Noch ärgerlicher: Die auf dem Wochenplan im Netz uneingeschränkt als „Gastspiel ab Donnerstag“ angepriesene Lasagne sollte es nun, am Donnerstag, erst ab 17 Uhr geben, und auch „Alis persische Köstlichkeit“, angeblich von Donnerstag bis Sonntag zu haben, blieb unauffindbar. Sonntag? Ja, diese Kantine ist auch ein Restaurant, beliebter Treffpunkt nach dem Theaterabend - aber so lieblos sollte der Mittag dann doch nicht bespielt werden.

Bescheiden wir uns also mit dem, was da ist. Die Frau hinter dem Tresen erbarmt sich und wirft auf den etwas trüb aussehenden Möhreneintopf ein paar Blätter Rucola, wenngleich die auf dem Plan versprochene Petersilie sicher passender gewesen wäre - mag sein, sie gehörte zu den ergrauten Kräutern in der Suppe. In der kräftig schmeckenden Brühe dominiert der Kassler, der alles recht salzig macht, die Möhren spielen eine Nebenrolle. Die strammen neun Euro indessen lassen uns wundern, denn für 50 Cent mehr gibt es im edlen Restaurant „Ganymed“ nebenan eine Zwiebelsuppe mit Comté, Service incl.

Stilvoller Raum in der Berliner Kantine

© Bernd Matthies/Tagesspiegel

Die Kartoffeln zum Quark hat offenbar die Frühschicht gekocht, sie sind um 12.45 Uhr mal grad noch handwarm, was den Genuss schmälert. Der Quark ist okay gekräutert, das Leinöl nimmt man sich selbst - und überraschend verrät ausgerechnet der auf den Teller gehäufte Salat, nett anzusehen, ein wenig Anspruch, da gibt es Granatapfelkerne, Sprossen und eine brauchbare Vinaigrette, die erst zum Schluss drüber gegossen wird (acht Euro).

Ja, was ist das nun wieder? Für mich ein Beispiel, wie interessante Ansätze und vermutlich gute Ideen den Realitätstest nur so halb bestehen. Auch hier sollten sich die Betreiber nicht auf der Hoffnung ausruhen, dass der Geist des Ortes das Geschäft schon irgendwie tragen wird. Sondern zumindest dafür sorgen, dass die Versprechungen der Webseite wenigstens annähernd erfüllt werden können.

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