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Die Kilowattstunde Strom soll nach dem Willen der Initiative nur noch 15 Cent kosten.

© dpa / Sebastian Gollnow

Initiative gegen hohe Energiepreise: „Wir können nicht zahlen und wir wollen auch nicht“

In Berlin hat sich ein neues Bündnis gegen hohe Strompreise gebildet. Ziel ist, einen bundesweiten Zahlungsstreik zu organisieren.

Im Roten Salon der Volksbühne treffen sich gerne linke Gruppen, die den Kapitalismus überwinden möchten, zumindest ein bisschen. Die erste Pressekonferenz der neuen Initiative „Wir Zahlen Nicht“ gegen hohe Energiepreise dort abzuhalten, ist also schon ein Statement.

Auf dem Podium sitzen am Dienstag drei Frauen, die die Kampagne vorstellen, per Video zugeschaltet ist ein ökonomischer Experte, Lasse Thiele vom Konzeptwerk Neue Ökonomie, einem Verein, der für eine „sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft“ eintritt. Thiele hält die Strompreise in Deutschland für unsozial. Für jeden Haushalt müsse es einen bezahlbaren Grundbedarf geben, darüberhinaus sollten die Preise parallel zu den verbrauchten Mengen ansteigen.

Die Initiative erhebt im Kern vier Forderungen: Einen Stopp von Stromsperren für nicht-zahlende Kunden, einen Einheits-Grundpreis von 15 Cent pro Kilowattstunde Strom, eine Energieproduktion aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen und die Vergesellschaftung der Energieversorgung. Einige dieser Forderungen seien aber eher langfristig angelegt.

Um den nötigen politischen Druck aufzubauen, wollen die Initiatoren keine Volksinitiative starten wie die befreundeten Aktivisten von „Deutsche Wohnen & Co“, sondern einen Zahlungsstreik. „Sobald eine Million Menschen zum Mitmachen bereit sind, gehen wir in den Streik“, sagt Marie Bach. Man setzt auf die breite Unterstützung durch Bewegungen wie „Fridays for Future“ und „Ende Gelände“.

Sie selbst sei als Studentin, die nebenher arbeitet, von den hohen Preisen für Energie und Lebensmittel betroffen, erklärt Bach. Mit dabei ist auch Nicole Lindner, die das Bündnis gegen Obdachlosigkeit und Zwangsräumungen vertritt. Lindner stellt sich als Erwerbsunfähigkeits-Rentnerin vor, die durch die hohen Energiepreise an den Rand des Existenzminimums geraten sei.

Der Streik soll in zwei Stufen organisiert werden: zunächst als Warnstreik durch Minderung der Abschlagzahlung auf 15 Cent pro Kilowattstunde. Wenn das nichts nützt, „gehen wir in den Vollstreik.“

Der Strommarkt ist auf Gewinn getrimmt und organisiert eine Umverteilung von unten nach oben.

Lena Deich, Initiative Wir Zahlen Nicht

Eine Million Menschen sollen einen „enormen Druck“ auf die Politik ausüben und zugleich das Absperren von der Stromversorgung durch die schiere Masse an Verfahren erschweren. Einen Zeitplan hat die Initiative nicht. Falls in einer Kleinstadt schon genug kritische Masse erreicht werde, könnte es auch dort lokal losgehen mit dem Streik, sagt Marie Bauch.

Die Kampagne soll vor allem online laufen, eine Internetseite wurde am Dienstag freigeschaltet. Aber auch über Unterschriftensammlungen vor Ort. Finanziert werde alles über Spenden.

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Stromanschlüsse wurden 2022 in Berlin gesperrt

Die Initiative beruft sich auf ähnliche Zahlungsstreiks in den 1970er Jahren, etwa in den Niederlanden gegen eine Atomstromgebühr, die wieder abgeschafft worden sei. Aktuell lehnt sich die Initiative an die Bewegung „Don’t pay UK“ in Großbritannien an.

„Der Strommarkt ist auf Gewinn getrimmt und organisiert eine Umverteilung von unten nach oben. Die Mehrheit der Bevölkerung bezahlt mit ihrem Konsum die Milliardengewinne der Energiekonzerne“, erklärt Lena Deich von der Initiative. Die vereinbarten Energiepreisbremsen der Bundesregierung würden zwar kurzfristig weiterhelfen, aber das strukturelle Problem nicht lösen. „Wir können nicht zahlen, aber wir wollen auch nicht zahlen.“

Den neuen Härtefallfonds des Senats, der Strom- und Gassperren verhindern soll, begrüßen die Initiatoren, „das ist aber eine einmalige Zahlung“, sagt Deich. Langfristig werde es immer wieder zu Zahlungsschwierigkeiten kommen, weil die Reallöhne wegen der Inflation sinken. Zudem gebe es diesen Fonds nur in Berlin.

Nicole Linder verwies darauf, dass viele Menschen von den Krisen „so fertig und schlapp und kaputt“ seien, viele schafften es gar nicht, den Härtefallfonds zu beantragen. „Viele Verbraucher wissen nicht, was ihnen zusteht“, erklärt Elisabeth Grauel, Energieschuldenberaterin der Berliner Verbraucherzentrale. Das Sperren von Anschlüssen wegen nicht bezahlter Rechnungen könne fast immer verhindert werden.

Stromnetz Berlin verzeichnete 2022 8300 Stromzählersperrungen in Berlin, die Gasag als Gas-Grundversorger ordnete 1273 Sperrungen an, 430 weniger als 2021. 117.432 Mahnungen verschickte die Gasag 2022, oft wurden einzelne Kunden mehrfach im Jahr abgemahnt, erklärte ein Sprecher auf Anfrage.

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