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Credits sind Giftd und die BU: So sieht die App Giftd aus. Und: Das sind die Gründer von Giftd, Hannah Krommiga und Michael Gegg.

© Giftd

Einfach geschenkt: Wie ein Berliner Start-up den Modekonsum verändern will

Nie mehr Geld für Kleidung ausgeben, die man sowieso nicht trägt. Stattdessen bekommt man sie geschenkt. Das verspricht ein Start-up aus Berlin.

Es hört sich wie ein Widerspruch an – eine Ökonomie des Schenkens. Genau das ist für Hannah Kromminga der nächste logische Schritt, wie man die Modeindustrie verändern kann. Nicht mehr Neues kaufen, sondern schon Getragenes weitergeben. Deshalb hat sie vor gut anderthalb Jahren das Start-up Giftd in Berlin gegründet. Mit der dazugehörigen App kann man Kleidung einstellen und sie verschenken.

Direkt nach ihrem Wirtschaftsstudium in London 2012 arbeitet sie schon einmal an der Entwicklung einer Schenk-Plattform. „Damals fehlte der Produktfokus und der technische Fortschritt war noch nicht so weit“, sagt Kromminga. Zusammen mit Michael Gegg, der die App entwickelte, hat sie es im Dezember 2021 noch einmal in Berlin versucht.

Giftd soll möglichst einfach funktionieren, ein Bild hochladen und schon wird das Kleidungsstück allen Mitgliedern in einem Radius von zehn Kilometern angezeigt. Dann kann die Kleidung reserviert und beim Schenkenden abgeholt werden.

Tauschen oder leihen? Die Plattform macht alles möglich

Ohne Bedingungen – es soll also kein Tauschgeschäft mit Vereinbarung von unmittelbaren oder zukünftigen Belohnungen sein, wie es bei der sogenannten Sharing-Ökonomie der Fall ist. Zum Beispiel kann man auf Tauschpartys seine Kleidung gegen Gutscheine oder andere Kleidung eintauschen. Oder man zahlt eine Gebühr, um Kleidung zu leihen und zu teilen, um sie nach einer vereinbarten Frist wieder abzugeben.

Ich hasse Shopping, aber das ist ein Gamechanger.

Giftd-Nutzerin Monika Nagay-Marletti

Auch bei Giftd geht es darum, dass man Kleidung nicht mehr besitzen muss und so einen anderen Umgang mit Mode lernt, der spielerischer ist und andererseits auch überlegter, wenn man für wenige und wertige Stücke Geld ausgibt, die lange in der Garderobe bleiben sollen.

Die Gründer von Giftd, Hannah Kromminga und Michael Gegg.
Die Gründer von Giftd, Hannah Kromminga und Michael Gegg.

© Giftd

Monika Nagay-Marletti ist dafür ein gutes Beispiel. „Ich hasse Shopping, aber das ist ein Gamechanger“, sagt sie. Was sie aber offensichtlich mag, ist Mode, sie trägt ein mit Blumen besticktes T-Shirt, in der Mitte prangt ein aufgedruckter Hund. Als sie auf Instagram etwas über Hannah Kromminga und ihre App fand, holte sie sofort mehrere Tüten mit eigentlich schon aussortierten Kleidern heraus. Zu schade zum Wegwerfen, aber zu speziell oder nicht wertig genug, um sie zu verkaufen.

200 Kleidungsstücke in einem Monat verschenkt

In diese Kategorie fallen zwischen 30 bis 50 Prozent der Kleidung, das sind global 30 Milliarden neu produzierte und nicht getragene Kleidungsstücke, so bezifferte es Hannah Kromminga.

Fast zweihundert Teile hat Monika Nagay-Marletti in wenigen Monaten verschenkt und sie ist nicht nur froh, dass sie die alten Sachen los ist, sie hat so auch viele Menschen kennengelernt, denen sie eine Freude bereitet hat.

Denn das sei ein weiterer wichtiger Aspekt – der Kontakt zu anderen Menschen. „Man trifft die Leute auf einen Kaffee“, sagt Nagay-Marletti. Sie probiert jetzt viel mehr Sachen aus, die sie sich früher nicht getraut hätte. Weil sie weiß, dass sie die Kleidung weitergeben kann. „Es ist wie eine Schatzsuche.“

Und das ist eben oft keine Kleidung, die die Bezeichnung Vintage verdient, wie sie bei gebrauchter Kleidung inzwischen gern verwendet wird. Denn dieser Markt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Seit jüngere Generationen überwiegend gebrauchte Kleidung kaufen und es schick geworden ist, sich auf die Jagd nach besonderen Teilen zu machen, mischen viele große Firmen mit.

Modemarken wie Filippa K oder Samsoe&Samsoe nehmen zum Beispiel ihre getragenen Produkte zurück, um sie wieder zu verkaufen. Damit steigen nicht nur die Preise für gebrauchte Kleidung, es wird auch schwer, Wertiges für wenig Geld zu finden. Viele Secondhandläden haben sich zu Boutiquen gewandelt, die Ausgesuchtes zu hohen Preisen verkaufen.

Und genau da kommt die Giftd-Gründerin ins Spiel. Sie will keineswegs in Konkurrenz zu diesem Markt treten, sondern sich eben genau um die Kleidung kümmern, die in vielen Fällen weggeworfen wird. 30 Prozent der gebrauchten Kleidung macht das aus, zitiert Hannah Kromminga eine Studie des Unternehmens Movinga.

40%
der Kleidungsstücke in Deutschland werden so gut wie nie getragen.

Insgesamt 40 Prozent des Inhalts deutscher Kleiderschränke und somit 1,8 Milliarden Kleidungsstücke wurden 2022 so gut wie nicht getragen, das bestätigt eine aktuelle Studie der Umweltorganisation Greenpeace. Bei Giftd wird viel Kleidung von Fast-Fashion-Anbietern wie H&M, Zara und Mango verschenkt. Genau diese Kleidung will Kromminga im Kreislauf halten und damit auch dafür sorgen, dass davon weniger neu gekauft wird. Wenn Kleidung auch bei Giftd nicht mehr weitergegeben werden kann, soll sie recycelt oder sinnvoll gespendet werden.

Giftd-Stand am Flohmarkt am Boxhagener Platz

Aufmerksam auf ihre App machte sie ihre ersten User noch auf dem klassisch kommerziellen Weg, sie baute einen Flohmarktstand am Boxhagener Platz mit ebenjenen Kleidern auf, die man auf Giftd geschenkt bekommt. Mehr als 6500 User sind inzwischen angemeldet, bald sollen es 50.000 sein. Etwa 1000 aktive Nutzer:innen haben mehr als 6000 Teile verschenkt. Dafür hat Hannah Kromminga gerade neben sieben weiteren Mitarbeiter:innen auch eine Marketingfachfrau eingestellt.

Der nächste wichtige Schritt ist, dass die App auch außerhalb Berlins funktioniert. Dafür wird es bald eine Versandfunktion geben, mit der man die Sachen ohne viel Aufwand verschicken kann. Damit sich Giftd langfristig wirtschaftlich trägt, will das Start-up zwei bis fünf Euro pro Transaktion mitverdienen. Bald soll es auch eine kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft geben. Mit der soll man unbegrenzt Kleidung reservieren können.

Monika hat schon so viel verschenkt, dass sie ehrenhalber Premiummitglied geworden ist. Sie kann sich jetzt ihr Leben lang beschenken lassen.

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