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Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 236.000 Wärmepumpen installiert. Ohne Handwerker ist die Energiewende nicht zu schaffen.

© Stiebel Eltron

Klempner werden Klimaschützer: Das Handwerk arbeitet an einem Imagewandel

In Berlin und Brandenburg fehlen Zehntausende Handwerker. Einigen Branchen gelingt es besser als anderen, das Interesse der jungen Generation zu wecken.

Robert Merz will das Handwerk retten. Der Berliner hatte schon immer ein Herz für die Branche, sagt er, und als Werbefachmann wollte er deren bodenständiges Geschäft mit Marketing verknüpfen, damit die Betriebe attraktiver erscheinen. Oder überhaupt sichtbar werden. „Stellenausschreibungen machen keinen Sinn, weil dich keiner sucht“, beschreibt Merz die Ausgangslage der Betriebe auf dem Arbeitsmarkt. Stattdessen setzt er auf den Auftritt bei Facebook, TikTok und Ebay. „In den sozialen Medien sind die Leute sowieso, dort kann man Aufmerksamkeit generieren.“

Merz hat 2019 die „Kfz-Rockstars“ gegründet als eine Plattform für Autowerkstätten, auf der Betriebe für einen vierstelligen Mitgliedsbeitrag im Jahr mitmachen dürfen. „Es geht darum, die Kunden, also die Autofahrer, mit den Werkstätten zu verknüpfen. Im Ergebnis baut man die Bekanntheit aus und wird attraktiv für potenzielle Arbeitnehmer“, beschreibt Merz das Geschäftsmodell. Die zahlenden Betriebe bekommen „klare Tools dafür, wie man sich in der Region positioniert“. Und wer gut positioniert ist, der bekomme auch Arbeitskräfte.

Zu wenig Bäcker und Fleischer

Acht Kfz-Werkstätten in der Hauptstadtregion hat Merz bislang gewonnen, und angeblich finden die alle das gesuchte Personal. Die Kfz-Rockstars helfen zum Beispiel bei der Präsentation in den sozialen Medien; auf Ebay etwa gebe es „sehr viele Schrauber“, sagt Merz.

Seit drei Jahren verschärft sich der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel, heißt es bei der Berliner Handwerkskammer, in deren Konjunkturbericht im Frühjahr „allein für das Kraftfahrzeuggewerbe ein positiver Saldo“ bei der Beschäftigung gemeldet wurde. Ganz anders ist die Lage im Nahrungsmittelgewerbe, wozu Bäcker und Fleischer gehören. Der Saldo der Betriebe, die Personal verlieren, liegt mit 43 Punkten im Minus. „Das ist ein trauriger neuer Tiefstand“, meldet die Handwerkskammer.

90.000
Fachkräfte fehlen aktuell in Berlin

Nach Angaben der Kammer fehlen in Berlin insgesamt etwa 90.000 Fachkräfte. Wenn sich der Trend verfestigt, dann könnten aufgrund der demografischen Entwicklung bis 2035 allein in Berlin 414.000 Stellen unbesetzt bleiben, wie viele davon auf das Handwerk entfallen, weiß niemand. Gemeinsam mit anderen Kammern und Verbänden fordern die Handwerker den neuen Senat zum Handeln auf: Erleichterte Zuwanderung, eine bessere Schulqualität und Berufsorientierung sowie „mehr neue Wohnungen für Fachkräfte“ wären nach Ansicht der Wirtschaft wirksame Mittel gegen den Arbeitskräftemangel.

Ein Lieblingsthema der Handwerkspräsidenten Carola Zarth ist der Werkunterricht, den sie sich in allen Schulen wünscht, „damit Kinder und Ju­gendliche den Bezug zu handwerklichem Arbeiten aufbauen können“. Und nach der Schule eine Ausbildung im Handwerk beginnen. Zarth, selbst Eigentümerin einer Autowerkstatt, spricht für gut 30.000 Betriebe in der Stadt, die wiederum – inklusive Inhaber – 180.000 Personen beschäftigen.

Die Wirtschaft selbst investiert in Berufsorientierung, zum Beispiel durch den Aufbau des Talente Checks Berlin, das Projekt Ausbildungsbotschafter sowie verschiedene Praktikumsformate. Mit dem Programm „Berliner Schulpate“ fördert die Handwerkskammer die berufliche Orientierung in der Grundschule. Für Geflüchtete veranstalteten die Kammern gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit Jobmessen.

Handwerk macht Klimaschutz

„Stilbildend“, so heißt es lobend bei den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg, sei die Arbeit der Innung für Sanitär, Heizung, Klempner, Klima (SHK) bei der Rekrutierung von Azubis und Arbeitskräften. „Das Handwerk – die Klimaretter“, mit diesem Slogan wirbt der Wirtschaftsbereich, der bundesweit 5,6 Millionen Menschen beschäftigt, für sich. Ohne SHK-Monteure kommen keine Fotovoltaik-Module aufs Dach, Wärmepumpen installieren sich auch nicht von selbst.

Der Beruf des Kfz-Mechanikers ist nicht mehr der beliebteste im Handwerk.

© picture alliance / David Ebener

Weniger Energie verbrauchen, mehr erneuerbare Energien einsetzen, unabhängig werden von fossilen Brennstoffen, Häuser dämmen, Gebäude sanieren – das ist alles nur möglich mit Handwerkern.

In den nächsten Jahren werden Zehntausende neuer Fachkräfte gebraucht, und das Handwerk bietet sich zunehmend offensiver an als Alternative zur akademischen Laufbahn. Das Einkommen eines Meisters liegt häufig über dem eines Bachelors.

Arbeitsplatzsicherheit und Aufstiegschancen sprechen ebenfalls für das Handwerk, wie Jörg Dittrich meint, der Präsident des Zentralverbands. Wo sonst könne man „schon in sehr jungen Jahren seine eigene Chefin oder sein eigener Chef mit eigenem Betrieb sein“, argumentiert Dittrich. Zudem biete das Handwerk „sinnstiftende Tätigkeiten, die Zufriedenheit schaffen“ – bei der Kundschaft ebenso wie bei den Mitarbeitern. Zum Beispiel im Klimaschutz.

Heizungsmonteure für die Energiewende

Nach Angaben von Andreas Koch-Martin von der SHK Berlin sind in der Branche rund 10.500 Monteure tätig, doch es müssten 2000 mehr sein, um die aktuelle Nachfrage allein in Berlin abarbeiten zu können. Bundesweit fehlten rund 60.000 SHK-Fachkräfte.

Etwa 1650 Betriebe gibt es in der Region, davon gehören sich 620 mit 5000 Installateuren und Heizungsmonteuren, Klempnerinnen, Ofen- und Luftheizungsbauern zur Innung. Dazu kommen 1300 Auszubildende. Der Bereich Sanitär, Heizung, Klima hat das Kfz-Handwerk als beliebtesten Ausbildungsberuf in Berlin abgelöst.

Man fühle sich den Mitgliedern gegenüber „verpflichtet zu besonderen Leistungen und Anstrengungen“, heißt es bei der SHK-Innung. Geschäftsführer Koch-Martin hat 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihm bei der Profilierung der Branche als Arbeitgeber und Ausbilder helfen. Gegen den Bundestrend hätten die Berliner Betriebe zuletzt die Ausbildungszahlen steigern können, sagt Koch-Martin.

Doch das Image wandelt sich nur langsam vom Klempner zum Klimaschützer. „Wir schulen und schulen und schulen“, erzählt Koch-Martin mit Blick auf das Geschäft mit den technisch anspruchsvollen Wärmepumpen, das irgendwann richtig in Schwung kommen soll. Wenn es denn ausreichend Handwerker gibt.

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