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In diesem Riegel soll die Kotti-Wache unterkommen: Das Zentrum Kreuzberg überspannt die Adalbertstraße.

© imago/Joko

„Eine helle, völlig neue Art von Wache“: Berliner Polizei soll bis Jahresende ins Zentrum Kreuzberg einziehen

Präsenz am kriminalitätsbelasteten Ort: Innensenatorin Spranger will die Kotti-Wache durchsetzen. Dort soll man sich „mit Polizisten unterhalten können“.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) will die geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg mit aller Macht durchsetzen. Bis zum Jahresende solle die Wache eröffnet werden, sagte Spranger am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Entstehen soll sie im ersten Obergeschoss des Gebäuderiegels über der Adalbertstraße, der zum Zentrum Kreuzberg gehört.

Spranger verteidigte ihre Pläne im Ausschuss energisch und bekam dafür Zuspruch von Grünen, CDU und FDP. „Die Kotti-Wache wird zum Jahreswechsel stehen und eingerichtet sein. Wenn wir das jetzt nicht umsetzen, haben wir dazu keinerlei Chance in den nächsten Jahren“, sagte Spranger.

Das Kottbusser Tor ist ein sogenannter kriminalitätsbelasteter Ort, dort gibt es vermehrt Straftaten wie Raub, Körperverletzung, bandenmäßiger Taschendiebstahl und Raub. Die Polizei hat dort besondere Kontrollbefugnisse auch ohne konkreten Verdacht, die Brennpunkteinheit der Polizei, Bereitschaftspolizei und Kontaktbereichsbeamte sind dort verstärkt im Einsatz.

Seit zehn Jahren werde über eine Kotti-Wache mit Anwohnern, Vereinen und Gewerbetreibenden diskutiert, sagte Spranger. Geschehen sei trotz der Lage am Kottbusser Tor nichts, deshalb treibe sie die Pläne nun voran. „Ich habe als Innensenatorin dafür schon mehr gemacht, als nötig wäre“, sagte Spranger. „Ich werde diese Kotti-Wache einrichten.“

Es werde eine große und helle Einrichtung werden, die Anlaufstelle für die ganze Nachbarschaft sein solle, und keine massiv abgeschottete Wache wie aus den 1980er-Jahren. „Es soll eine helle, völlig neue Art von Wache werden, zu der die Menschen hingehen können und sich mit Polizisten unterhalten können“, sagte Spranger. Für die Wache eine Grundfläche von etwa 210 Quadratmetern vorgesehen. Andere Lösungen als der Gebäuderiegel über der Adalbertstraße seien nicht möglich.

Hat sich die Kotti-Wache als eines ihrer ersten Projekte auf die Fahnen geschrieben: Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD).
Hat sich die Kotti-Wache als eines ihrer ersten Projekte auf die Fahnen geschrieben: Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD).

© imago images/Bernd Elmenthaler

Wegen der Statik könnten keine Container als Wache aufgestellt werden. Auch stünden keine ebenerdigen Gewerberäume zur Verfügung. Mit der landeseigenen Gewobag als Vermieterin und dem Berliner Immobiliendienstleister BIM sei bereits eine Absichtserklärung für die Wache in der Adalbertstraße unterzeichnet worden, der Mietvertrag folge bald.

Linke fordert runden Tisch zum Standort der Kotti-Wache

Die Kreuzberger Linke-Abgeordnete Elif Eralp äußerte Zweifel, dass mehr Polizeipräsenz und eine Wache das Kriminalitätsproblem lösen werden. Zwar hätten die runden Tische zum Kotti auch Konzepte für eine Kotti-Wache erarbeitet – doch zum Standort habe es keine Verabredungen gegeben.

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Eralp forderte einen neuen runden Tisch mit Mieter- und Quartiersräten und Bezirk über den Standort der Woche. „Vielen Anwohnern und Gewerbetreibenden ist es wichtig, dass eine Wache kommt, aber viele sind unzufrieden mit dem Standort.“ Es sei zu befürchten, dass es zu Konflikten wegen des Standorts kommt. Auch der Mieterrat befürchtet, dass die Wache in dem Gebäuderiegel das Gleichgewicht im Kiez zerstört.

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Am Wochenende hatten rund 200 Menschen gegen eine Kotti-Wache demonstriert. Spranger sagte, es geben seit langem den große Wunsch der Anwohner und Geschäftsleute nach einer Polizeiwache dort. Die Demonstranten wohnten gar nicht dort. Die Kotti-Wache könne ein Aushänge-Schild für Berlin werden.

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Spranger ließ im Ausschuss aber zahlreiche Detailfragen unbeantwortet, etwa wie die ständig besetzte Wache denn geschützt werde und wieviel Personal nötig ist. 20 zusätzliche Stellen seien im Haushalt für die Wache eingeplant, es gebe bereits „jede Menge Bewerbungen“ von Beamten, die sich am Kotti auskennen und dort aufgewachsen seien, sagte die Senatorin. Zu den polizeiinternen Berechnungen, dass mindestens 65 Beamte nötig seien, und ob für die Wache an anderer Stelle Lücken beim Personal gerissen werden, äußerte sich Spranger nicht.

Gewerkschaft der Polizei: „Nicht nur ein Showobjekt“ machen

Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte, die Probleme bei der Standortsuche seien zu erwarten gewesen. Die GdP haben sich daher schon für einen Neubau mit mehr als 300 Quadratmetern plus Sanitäranlagen und Parkfläche ausgesprochen. Mit den 20 zusätzlichen Stellen für die Wache sei es auch nicht getan.

„Wenn man nicht nur ein Showobjekt haben, sondern ernsthaft Kriminalität bekämpfen möchte, benötigt man vor Ort neben einer 24/7-Wachbesatzung auch kriminalpolizeiliche Expertise und operative Kräfte“, sagte Jendro. „Da reden wir über mindestens 65 Kolleg:innen, die gefunden werden müssen, ohne dass die anderen örtlichen Direktionen weiter personell ausbluten.“

Kosten fallen höher aus, als im Haushaltsentwurf veranschlagt

Bei den Kosten sind die Pläne des Senats bereits überholt. Im Haushaltsentwurf sind für die Jahresmiete 50.000 Euro veranschlagt, für die Einrichtung 250.000 Euro. Spranger hatte bereits vor wenigen Wochen erklärt, dass die Zahlen überholt sind und die Kosten vermuten höher ausfallen werden. Jörn Badendick, Sprecher des Polizeiberufsverbands „Unabhängige“, sagte: „Das Ganze ist eine Milchmädchenrechnung. Die vorgelegten Zahlen erinnern an den Flughafen BER – vor Baubeginn.“

Mit ihrem Vorgehen hat Spranger die Wache nun selbst zum Maßstab für ihren Erfolg gemacht. Der Bau, in dem die Wache nun unterkommen soll, einst bekannt geworden als das „Neue Kreuzberger Zentrum“ (NKZ), hat aber auch besondere Symbolkraft. Im „Rauch-Haus-Song“ von Ton Steine Scherben aus dem Jahr 1971 heißt es: „Schmeißt doch endlich Schmidt und Press und Mosch aus Kreuzberg raus“. Gemeint waren die Entwickler und Investoren des NKZ.

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