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Vier Männer in orangenen Anzügen haben den Geldtransporter am Freitag überfallen.

© Tsp

Update

Raubüberfall auf Geldtransporter: Berliner Polizei nimmt verdächtigen Remmo-Mann fest

Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei nahm am Montagabend ein Clan-Mitglied fest. Der Festgenommene war zwei Wochen vor dem Raub verurteilt worden.

Rund vier Wochen nach dem spektakulären Überfall auf einen Geldtransporter auf dem Kurfürstendamm in Berlin hat ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei einen Tatverdächtigen festgenommen. Es handelt sich nach Tagesspiegel-Informationen um einen 30 Jahre alten Mann aus dem berüchtigten Remmo-Clan.

Aufgrund eines Haftbefehls wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung sei der Mann am Montagabend festgenommen worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung online darüber berichtet.  

Der nun Festgenommene aus dem Clanmilieu war zwei Wochen vor dem Raub, am 3. Februar, vor dem Landgericht wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Er war am 21. April 2020 wie viele andere Verwandte auf dem Weg zu einer Klinik, in die eine Mutter aus dem Remmo-Clan eingeliefert worden war.

Mit seinem Porsche Carrera, ein Firmenwagen mit lettischem Kennzeichen, war er mit 93 Stundenkilometern durch die Hermannstraße trotz 30er-Tempolimit gerast. Polizisten führten Tempokontrollen durch. Um den Raser anzuhalten, postierte sich ein Beamter auf der Fahrbahn, musste aber beiseite springen. Der ursprüngliche Vorwurf der versuchten Totschlags hat sich später im Prozess gegen den Clan-Mann nicht bestätigt.

Auf seiner Flucht vor der Polizei raste er mit Tempo 150 durch Neukölln. Später fand die Polizei DNA-Spuren von ihm im Auto. Am 23. Juli wurde er am Flughafen Tegel festgenommen, als in die Türkei ausreisen wollte. Bis zum Urteil saß er in Untersuchungshaft. Seine Verteidiger legten Revision ein.

Überfall auf Geldtransporter: Sicherheitsmänner mit Reizgas besprüht

Am 19. Februar hatten laut Polizei mindestens vier Täter einen Geldtransporter vor einer Bankfiliale an der Berliner Einkaufsstraße Ku'damm überfallen. Ein 37 und ein 60 Jahre alter Sicherheitsmitarbeiter waren gerade dabei, Geld zu liefern, um Automaten der Volksbank zu befüllen, als ein Audi A6 vorfuhr.

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Aus dem Auto stiegen mehrere bewaffnete Täter, die die Sicherheitsmitarbeiter überfielen. Diese hatten gerade Geldkassetten auf eine Sackkarre geladen. Die Unbekannten sprühten mit Reizgas und entwaffneten die Sicherheitsmänner. Laut Polizei und Zeugen hatte mindestens einer der Täter eine Pistole. So war es auch auf Videoaufnahmen zu sehen. Schüsse sind aber nicht gefallen.

Fluchtwagen abgefackelt

Die Männer schafften das Geld aus dem Transporter mit einem Bauschutt-Sack in ein Fluchtauto – ein Audi A6. Die Männer trugen leuchtend orangefarbenen Kleidung, wie sie von Mitarbeitern der Müllabfuhr getragen wird. Rund 30 Minuten nach dem Überfall ging in der Bessemerstraße in Schöneberg bei einem Discounter der Fluchtwagen in Flammen auf.

Eine Zeugin, die den Überfall aus ihrem Auto beobachtete, berichtete, ein Mann habe zwei Pistolen auf sie und ihre Mitfahrer gerichtet. Zwei Komplizen hätten "Säcke mit Geld transportiert" und in einen Wagen gepackt. Ein Mann habe am Steuer des silbernen Fluchtwagens gesessen. Dessen Kofferraum habe sich nicht ganz schließen lassen.   

So oder ähnlich liefen zuletzt mehrere Überfälle ab. Oft werden Männer aus dem Clan-Milieu verdächtigt. Ermittler sprechen von "geübten" Banden - die sich eben oft aus den deutsch-arabischen Großfamilien rekrutierten.

Warum kriminelle Banden just in der Pandemie zu so risikoreichen Taten neigen, hängt mit den Folgen der Coronakrise zusammen. Allein in den letzten Pandemiemonaten gab es in nur vier Berliner Bezirken sechs riskante Überfälle.

[Mehr zum Thema: Ex-Bordell-Betreiber packt aus - warum Berliner Clan-Kriminelle so oft zur Schusswaffe greifen (T+)]

Der Drogenhandel läuft selbst in Berlin vergleichsweise dürftig: Zwar gibt es auch in der Pandemie zu fast jeder Zeit Kokain, Ecstasy und Haschisch zu kaufen. Doch Clubs haben geschlossen und Touristen fehlen. Auch Schutzgeld ist schwieriger einzutreiben, weil Bars, Friseure, Casinos geschlossen sind.

Die Liste spektakulärer Taten in Berlin ist lang

Und auch die Prostitution ist aktuell weniger profitabel - einerseits, weil Bordelle des Infektionsschutzes wegen geschlossen sind. Andererseits weil Geschäftsreisende, Touristen und Gestalten des Nachtlebens als Kunden wegfallen.

Bei dem Vorfall am Ku'Damm sind auch zwei Sicherheitsleute verletzt worden.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Druck im Milieu, wieder an Geld zu kommen, sei groß, sagen Ermittler. Und so "ein Objekt", wie ein Beamter über die avisierte Bank am Ku'damm sagt, werde über Wochen beobachtet: "Das wollen die Leute dann auch durchziehen."

Jenseits des Einflusses den Corona auf die Taten hat, ist auch der Druck der Ermittler gewachsen: Berlins Staatsanwaltschaft hat richterliche Beschlüsse zum Einzug der Mieteinnahmen aus Immobilien erwirkt, die Berlins bekanntester Großfamilie – den Remmos - zugerechnet werden. Angeblich, so ein Szenekenner, fielen „fünfstellige Beträge“ im Monat weg. Vertreter des Clans hatten offenbar mit Beutegeld 77 Immobilien gekauft, die 2018 eingezogen wurden.

Polizeibeamte haben Spuren gesichert. 

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Vorfall am Ku'Damm ist nicht der erste Überfall auf einen Geldtransporter in der jüngsten Zeit: Im Dezember kam es zu einem Überfall auf einen Geldtransporter bei Ikea in Schöneberg, im Juni wurde in Wilmersdorf ebenfalls vor einer Volksbank ein Geldtransporter überfallen. Die Verdächtigen entwendeten damals rund eine halbe Million Euro. 

Die wenigsten Überfälle auf Geldtransporter werden aufgeklärt

Die wenigsten Überfälle wurden aufgeklärt: Von neun Geldtransporter-Überfällen zwischen 2014 und 2018 in Berlin endete nur einer mit einer Verurteilung. In den meisten Fällen gehen die Ermittler von einem Zusammenhang zur Clankriminalität aus.

Auch die Liste der Banküberfalle in den vergangenen Monaten ist lang. Im September wurde eine Santander-Filiale in Friedrichshain überfallen, der Täter bedrohte damals die Bankangestellten mit einer Waffe. Später wurde er gefasst.

Im Oktober wurde im Forum Köpenick eine Bank überfallen. 200 Kräfte waren im Einsatz, weil sich der Täter in der Bank verbarrikadierte. Nach einem jüngsten Raubüberfall auf eine Commerzbank Anfang Februar sucht die Polizei mit Bildern nach Tatverdächtigen. 

Die Liste der Raubüberfälle:

Februar 2020, Überfall auf eine Bank in Wilmersdorf. Als eine Angestellte in der Commerzbank in der Blissestraße zum Tresor geht, wird sie von zwei Maskierten bedroht. Als der Alarm losgeht, flüchten die Täter ohne Beute.

Juli 2020, vier Räuber greifen vor ungezählt vielen Zeugen einen Geldboten am Hermannplatz in Neukölln an. Sie versprühen Reizgas und versuchten, dem Mann erfolglos den Geldkoffer zu entreißen.

Juni 2020, der erste Überfall auf die Bank an der Detmolder Straße nahe des Bundesplatzes in Wilmersdorf. Die Täter sollen einen Geldkoffer mit einer halben Million Euro erbeutet haben. Spuren ins Neuköllner Clanmilieu werden geprüft.

August 2020, Überfall auf eine Bank an der Detmolder Straße in Wilmersdorf. Die Täter rammen mit einem Wagen ein Gitter, dringen ins Gebäude ein, schießen auf einen Wachmann. Ohne Beute laufen die Täter zur nahen Autobahn 100, wo ein Fluchtfahrzeug wartet. Das ausgebrannte Auto wird in Neukölln gefunden.

Dezember 2020, Raub an einem Geldtransporter bei Ikea in Schöneberg. Drei Männer stürmen auf einen Mitarbeiter zu, der mit einer Geld-Kassette zu seinem gepanzerten Fahrzeug läuft. Mit Schusswaffen bedrohen sie den Mann, rauben das Geld. Im Januar wird ein 18 Jahre alter Neuköllner festgenommen. „Aus dem Milieu“, wie ein Beamter sagt, „weiteres Umfeld, nicht Kern eines Clans“.

Dezember 2020, Überfall auf einen Geldboten am Treptower Park. Die Polizei sucht die Täter auch mit einem Hubschrauber, der nach dem Raub über Neukölln kreist. Bis heute sind die Männer mit einer hohen Summe entkommen. Eine „halbwegs eingespielte Truppe“, sagt ein Szenekenner, sei das wohl gewesen.

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