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Weit oben. Dachgärten gewinnen zunehmend Bedeutung für Unternehmen. Hier die Begrünung im Ottobock Science Center in der Ebertstraße in Mitte.

© imago/Schöning

Berliner Architektinnen geben Einblicke: Was es beim Dachgarten zu beachten gilt

Beschäftigte wollen heute anders arbeiten – mit Grün statt Beton. Dem folgen immer mehr Firmen und legen Gärten an. Auch auf dem Dach. Zwei Architektinnen sind darauf spezialisiert.

Scrollt man mit Google Maps per Satellitenansicht durch die Berliner Innenstadt, sieht man vor allem rot und grau, Dächer und Straßen. Selten nur sticht auf einem Dach grün in verschiedenen Tönen hervor, knallig moosig oder herbstig rot. Richtige Büsche auf einer Dachterrasse, das ist sogar noch rarer.

Förderprogramm für Dachbegrünung

Noch. Denn Unternehmen greifen das zunehmend auf. Auch der Senat will das mit einem vor wenigen Jahren neu aufgelegten Förderprogramm für Dachbegrünung ändern. Denn nicht immer ist für einen üppigen Garten ebenerdig Platz. Gerade in der Innenstadt ist der Raum begrenzt und wenn, dann muss er für Parkplätze oder Anlieferung freigelassen werden. Die Lösung? Ein Garten auf dem Dach.

Investoren und Unternehmen haben gemerkt, dass sie mit Nachhaltigkeit punkten.

Heike Albrecht, Gast Landschaftsarchitekten

Die Landschaftsarchitektinnen Dagmar Gast und Heike Albrecht haben schon viele Gärten auf Berliner Dächern geplant, für Privatleute sowie für Betriebe. Für die Zentrale des Wohnungsunternehmens Stadt und Land in Neukölln haben sie etwa auf dem Dach der Tiefgarage im Innenhof einen Garten angelegt. „Investoren und Unternehmen haben gemerkt, dass sie mit Nachhaltigkeit punkten“, sagt Albrecht. 

Die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land hat einen Garten auf dem Dach einer Tiefgarage von den Landschaftsarchitektinnen Gast und Albrecht planen lassen. Er wurde 2018 beim Preis für die Firmengärten nominiert.
Die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land hat einen Garten auf dem Dach einer Tiefgarage von den Landschaftsarchitektinnen Gast und Albrecht planen lassen. Er wurde 2018 beim Preis für die Firmengärten nominiert.

© Gast Landschaftsarchitekten

Möchte man für seinen Unternehmenssitz einen Dachgarten anlegen, kommt man in den meisten Fällen erst zu Planerinnen wie ihnen. Sie stellen Fragen wie: Was ist die Intention? Was möchte das Unternehmen mit dem Garten erreichen? Allein um einschätzen zu können, wie viel das kosten wird, ist das wichtig. Weil das individuell stark schwanken kann, wollen Gast und Albrecht keine Zahlen nennen. Der Verband Gebäudegrün nennt Richtwerte von ab 60 Euro pro Quadratmeter für Dachgärten. 

Aktuell stecken Gast und Albrecht in der Planung für den Dachgarten und die Fassadenbegrünung eines Co-Working-Space-Gebäudes namens „Kalle“ im ehemaligen Kaufhaus an der Karl-Marx-Straße in Neukölln. Dort sollen je nach Gestaltung zum sozialen Treffpunkt oder Ruhepol werden, Teile der Technik sollen durch Kletterpflanzen optisch verborgen werden.

„In so einer Höhe muss man schon sehr genau beleuchten, was man da pflanzen kann“, erklärt Albrecht. Hält die Pflanze den Wind aus, der in dieser Höhe bläst, die stärkere Sonneneinstrahlung, Schnee im Winter? Um die Lärmschutzwände beranken zu lassen, haben Albrecht und Gast hier unter anderem zum Beispiel die Aristolochia ausgewählt, eine Kletterpflanze, deren Blätter die Form großer Herzen haben. Dazu ist bei Dachgärten immer das Gewicht ein Thema – schließlich kommen mit Erde, Wasser und Pflanze einige zusätzliche Kilos auf das Dach. 

Möchte man sein Dach bepflanzen, führt dementsprechend der zweite Schritt zur Statik. Ist das Dach überhaupt belastbar und wenn ja, wie sehr? „In der Regel geht aus den Plänen hervor, mit welchen Lastannahmen das Haus gebaut wurde“, sagt Gast. Vielleicht fällt an dem Punkt schon die Entscheidung, ob es ein prächtiger Garten zum Verweilen werden kann oder es doch „nur“ bei einer Erd- und Pflanzenschicht bleibt, die nicht zum Betreten gedacht ist.

Ein Garten zum Verweilen?

Letzteres heißt im Fachjargon „Extensivdach“. Die Substratschicht (Blumenerde wäre zu schwer) ist nur sechs bis maximal 15 Zentimeter hoch. Da es nicht zum Betreten geeignet ist, pflegt das Dach sich selbst. Dort wachsen dann Moose oder Sedum. Selbst wenn es regnet, wuchern diese nicht, sonst könnte die Last wiederum zu schwer werden. Ein oder zweimal im Jahr sollte trotzdem jemand zur Pflege vorbeikommen. Die primäre Funktion des Extensivdachs: Wasser aufsaugen, damit es im Wasserkreislauf bleibt und nicht durch die Kanalisation abgeführt wird (Stichwort Schwammstadt) und durch Verdunstung kühlen.

Die andere Option ist das „Intensivdach“, das wie ein ebenerdiger Garten ist, dementsprechend mehr Pflege als das Extensivdach braucht. „Bei einem Intensivdach geht es nicht nur um den ökologischen Faktor, sondern noch viel mehr“, sagt Gast. „Ich habe Platz zum Arbeiten, leben, mich vergnügen, vielleicht ‚urban gardening‘ und einen kleinen Teil der Nahrungsmittelproduktion.“ Beide Dächer muss man per Bauantrag genehmigen lassen.

Zunehmendes Interesse an Dachgärten bei Unternehmen beobachten sie seit den frühen 2000ern. Das Bewusstsein dafür wachse vor allem aus drei Gründen: „Arbeitnehmer wollen heute anders arbeiten und geben sich nicht mehr damit zufrieden, in einen grauen Betonbau zu gehen“, sagt Gast. Außerdem habe sich durch Corona verstärkt gezeigt, dass ein Schreibtisch nicht reicht, sondern Menschen mehr Freiraum brauchen.

Und drittens: „Firmen haben erkannt, dass sie sowohl eher gute Arbeitnehmer bekommen als auch dokumentieren können, dass sie umweltbewusst sind, wenn sie ihre Philosophie durch einen Garten zeigen. Das ist auch eine Werbemaßnahme für sie.“ Ein Effekt, den man gegen die Kosten des Dachgartens aufrechnen sollte. Und der sich für immer mehr Unternehmen zu lohnen scheint.

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