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In Berlin gibt es inzwischen viele muslimische Grabfelder.

© IMAGO/Emmanuele Contini

Berlin sucht dringend weitere Flächen: Neuköllner Emmaus-Friedhof eröffnet neues Grabfeld für Muslime

Auf dem evangelischen Emmaus-Friedhof in Neukölln werden 500 Grabstellen für muslimische Bestattungen eingerichtet. Der Bedarf wird in Zukunft stark steigen.

Der evangelische Emmaus-Friedhof in Neukölln, am Mariendorfer Weg, hat alte Baumbestände aus Lindenalleen, Hecken, Douglasien und Ahorn und einen Klinkerbau mit romanischen und gotischen Stilanklängen als Friedhofskappelle. Der Schlager- und Operettenkomponist Walter Bromme (1885–1943) ist hier begraben. Der Friedhof ist in insgesamt 28 Abteilungen gegliedert, auf denen Beisetzungen – Urnen- und Erdbeisetzungen – für alle Menschen, unabhängig von ihrer Konfession, stattfinden können.

Doch zwei dieser Abteilungen sind ab Freitag, 3. März, besonders. 500 Gräber sind nun für muslimische Bestattungen da. Dort werden Verstorbene nach muslimischem Ritus beigesetzt, die Gräber sind nach Mekka ausgerichtet und die Toten werden in Tüchern beerdigt, nicht in Särgen. Zudem gibt es einen Gebetstisch.

Neues Begräbnisfeld im hinteren Bereich des Friedhofs

Am Freitag wird dieses Begräbnisfeld nun offiziell und feierlich eröffnet. Es befindet sich im hinteren Bereich des Friedhofs, auf Flächen, die seit vielen Jahren nicht mehr für den Bestattungsbetrieb benötigt wurden. Der Friedhof gehört zum evangelischen Friedhofsverband Berlin Stadtmitte, der in mehreren Bezirken insgesamt 40 Friedhöfe verwaltet.

Das neue Areal wurde nötig, weil auf anderen Friedhöfen, die muslimische Grabfelder haben, kein Platz mehr für weitere Gräber ist. Grundsätzlich können sich Muslime auf allen Friedhöfen in der Stadt begraben lassen, aber sehr oft liegen sie dort neben Verstorbenen, die andere Konfessionen hatten. Diese Gräber sind dann auch nicht nach Mekka ausgerichtet und die Toten wurden in Särgen begraben.

Immer mehr Muslime lassen sich in Berlin begraben

Die Platznot ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sich immer mehr Muslime in Berlin begraben lassen. 300.000 Muslime leben derzeit in Berlin.

„Früher war es das große Ziel von Muslimen, sich in ihrem Heimatland begraben zu lassen“, sagt Kazim Erdogan, Experte für die Integration von Zugewanderten in Deutschland und Vorsitzender des Vereins „Aufbruch Neukölln“. „Das war aber die erste Gastarbeiter-Generation. Diese Menschen hatten gedacht, dass sie nach ein paar Jahren in Deutschland in ihre Heimat zurückkehren würden.“ Inzwischen habe sich viel geändert. „Jetzt sagen sehr viele Menschen: Ich lebe in Berlin, hier leben meine Kinder und meine Enkel, ich möchte hier begraben werden, weil dann meine Kinder mein Grab pflegen und mich besuchen.“

Jetzt sagen sehr viele Menschen: Ich lebe in Berlin, hier leben meine Kinder und meine Enkel, ich möchte hier begraben werden, weil dann meine Kinder mein Grab pflegen und mich besuchen.

Kazim Erdogan, Experte für die Integration von Zugewanderten in Deutschland, Vorsitzender des Vereins „Aufbruch Neukölln“

Für Erdogan ist das eine ganz normale Entwicklung. „Die Welt ist kleiner geworden.“ Für viele Muslime sei es natürlich nicht egal, ob sie auf einem Friedhof begraben würden, auf dem auch Menschen mirt anderen Konfessionen bestattet seien, aber es gebe auch das Sprichwort: „Die Erde nimmt jeden auf.“

Zahl muslimischer Bestattungen hat sich verfünffacht

Imam Osman Örs bestätigt den Wandel. „Die Berliner Musliminnen und Muslime wollen ihre Heimat auch am Ende ihres Lebens nicht verlassen“, sagt der Gelehrte vom interreligiösen Dialogprojekt „House of one“. „Sie wünschen sich einen letzten Ruheort, einen muslimischen Friedhof in ihrer Stadt. Das ist ein schöner Ausdruck, dass sie sich in Berlin Zuhause fühlen und dies wird mit der Eröffnung des muslimischen Begräbnisfelds gewürdigt.“

Die Zahl der muslimischen Bestattungen habe sich in den vergangenen zehn Jahren verfünffacht, so Örs. „Das zeigt die Verbundenheit unserer muslimischen Bürgerinnen und Bürger mit unserer Stadt und Gesellschaft.“

300.000
Muslime leben derzeit in Berlin

Diese Entwicklung bestätigte auch Umweltstaatssekretärin Silke Karcher am Freitag bei der Eröffnung des muslimischen Gräberfelds.. 2020 seien 500 muslimische Bestattungen verzeichnet worden, 2021 bereits 800. „Wir rechnen damit, dass wir dieses Jahr 1000 bis 2000 Gräber brauchen werden“, sagte Karcher. Sie bat Bezirke und Friedhofsträger, neue Flächen für muslimische Gräber auszuweisen. 

Tillmann Wagner, Geschäftsführer des evangelischen Friedhofverbands, sagte: „Als christlicher Friedhofsträger freuen wir uns darüber, Bestattungsmöglichkeiten für muslimische Menschen anbieten zu können. Unsere Friedhöfe stehen für alle Menschen und Konfessionen offen – als Orte für eine interkulturelle Bestattungskultur.“ Wagner wird wie Örs bei der Eröffnungsfeier eine kleine Rede halten.

Die Grabanlagen mussten extra nach Mekka ausgerichtet werden

Natürlich waren Vorbereitungen für dieses Grabfeld nötig gewesen. „Es musste eine gute Zugänglichkeit zum Begräbnisfeld geschaffen werden“, sagte Wagner dem Tagesspiegel. „Die Vermessung der Flächen und Einmessung der nach Mekka gerichteten Grabstellen erforderte die Drehung der Grabanlagen außerhalb des sonst üblichen Rasters eines Allerquartierfriedhofs. Die administrative Aufnahme der Grabstellen in unsere Friedhofssoftware musste erfolgen.“ Islamwissenschaftler wirkten als Berater mit.

Auch auf dem Friedhof Gatow werden in Kürze neue, muslimische Begräbnisstätten errichtet. Ausgebaut werden auch die landeseigenen Gräberfelder in Mitte, Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg. (mit dpa)

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